Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Drittes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Aanzler von Müller über Goethe

Clara Schumann konnte der Einladung Bennetts nach London nicht folgen,
da sie sich während des Frühlings und Sommers sehr unwohl fühlte. Als
Bennett, der sich von dem öffentlichen Leben längere Zeit zurückgezogen hatte, im
Jahre 1856 wieder die Leitung der Philharmonischen Gesellschaft übernommen
hatte, führte er in seinem ersten Konzert die Perl (mit Jenny Lind) auf. Zu
derselben Zeit, kurz vor Schumanns Tode, trat auch Clara zum erstenmale in
London auf, mit tiefbekümmertem Herzen. Am Morgen des Konzerts empfing sie
einen Brief von Brahms aus Bonn über den Zustand ihres geliebten Mannes.
Sie konnte aus allem das Trostlose herausempfinden, obwohl sich Brahms bemüht
hatte, es so mild als möglich darzustellen.


20
An Fr. Hofmeister

Düsseldorf, d. 1. Nov. 1852.


Geehrter Herr,

Das Concert für Violoncell mit Orchester, von dem ich Ihnen bei meiner
letzten Anwesenheit in Leipzig sprach, ist jetzt druckfertig, und erlaube ich mir,
Ihnen weitere Mittheilung deshalb zu machen. In Rücksicht des gewählteren
Publikums, das Kompositionen für dieses Instrument haben, habe ich das
Honorar, so billig wie möglich, auf 24 I^ouisä'or gestellt, wofür Sie auch den
fertigen Clavierauszug mit erhalten. Anderentheils glaube ich, daß gerade,
da so wenig Kompositionen für dies schöne Instrument geschrieben werden,
der Absatz ein den Wünschen entsprechender sein wird.

Auf den Stich der Partitur dringe ich nicht, so wünschenswert!) es wäre,
wohl aber müßten die Orchesterstimmen einzeln gestochen werden. Wünschen
Sie es, so bin ich gern bereit, Ihnen sämmtliche ausgeschriebenen Stimmen
sammt Partitur und Clavierauszug zur Ansicht zu schicken und sehe deshalb
Ihrer gefälligen Antwort entgegen.")


Ihr .
ergebener
R. Schumann.


Kanzler von Müller über Goethe

on den Männern, die sich rühmen durften, Goethes Genossen
und nicht nur seine Bewundrer gewesen zu sein, ist der im Jahre
1849 verstorbne Kanzler von Müller der letzte gewesen. Dreißig
Jahre jünger als sein berühmter Kollege, hat der weimarische
Justizminister der Jahre 1815 bis 1849 zu Goethe jahrzehnte¬
lang in so enger Beziehung gestanden, daß dieser ihn zu seinem Testaments¬
vollstrecker und zum Mitherausgeber seiner Werke ernannte.



") Das Violoncellkonzert wurde abgelehnt und erschien erst 18S4 bei Breitkopf <K Härtel.
Grenzboten III 1808 36
Aanzler von Müller über Goethe

Clara Schumann konnte der Einladung Bennetts nach London nicht folgen,
da sie sich während des Frühlings und Sommers sehr unwohl fühlte. Als
Bennett, der sich von dem öffentlichen Leben längere Zeit zurückgezogen hatte, im
Jahre 1856 wieder die Leitung der Philharmonischen Gesellschaft übernommen
hatte, führte er in seinem ersten Konzert die Perl (mit Jenny Lind) auf. Zu
derselben Zeit, kurz vor Schumanns Tode, trat auch Clara zum erstenmale in
London auf, mit tiefbekümmertem Herzen. Am Morgen des Konzerts empfing sie
einen Brief von Brahms aus Bonn über den Zustand ihres geliebten Mannes.
Sie konnte aus allem das Trostlose herausempfinden, obwohl sich Brahms bemüht
hatte, es so mild als möglich darzustellen.


20
An Fr. Hofmeister

Düsseldorf, d. 1. Nov. 1852.


Geehrter Herr,

Das Concert für Violoncell mit Orchester, von dem ich Ihnen bei meiner
letzten Anwesenheit in Leipzig sprach, ist jetzt druckfertig, und erlaube ich mir,
Ihnen weitere Mittheilung deshalb zu machen. In Rücksicht des gewählteren
Publikums, das Kompositionen für dieses Instrument haben, habe ich das
Honorar, so billig wie möglich, auf 24 I^ouisä'or gestellt, wofür Sie auch den
fertigen Clavierauszug mit erhalten. Anderentheils glaube ich, daß gerade,
da so wenig Kompositionen für dies schöne Instrument geschrieben werden,
der Absatz ein den Wünschen entsprechender sein wird.

Auf den Stich der Partitur dringe ich nicht, so wünschenswert!) es wäre,
wohl aber müßten die Orchesterstimmen einzeln gestochen werden. Wünschen
Sie es, so bin ich gern bereit, Ihnen sämmtliche ausgeschriebenen Stimmen
sammt Partitur und Clavierauszug zur Ansicht zu schicken und sehe deshalb
Ihrer gefälligen Antwort entgegen.")


Ihr .
ergebener
R. Schumann.


Kanzler von Müller über Goethe

on den Männern, die sich rühmen durften, Goethes Genossen
und nicht nur seine Bewundrer gewesen zu sein, ist der im Jahre
1849 verstorbne Kanzler von Müller der letzte gewesen. Dreißig
Jahre jünger als sein berühmter Kollege, hat der weimarische
Justizminister der Jahre 1815 bis 1849 zu Goethe jahrzehnte¬
lang in so enger Beziehung gestanden, daß dieser ihn zu seinem Testaments¬
vollstrecker und zum Mitherausgeber seiner Werke ernannte.



") Das Violoncellkonzert wurde abgelehnt und erschien erst 18S4 bei Breitkopf <K Härtel.
Grenzboten III 1808 36
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0289" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/228591"/>
            <fw type="header" place="top"> Aanzler von Müller über Goethe</fw><lb/>
            <p xml:id="ID_1061"> Clara Schumann konnte der Einladung Bennetts nach London nicht folgen,<lb/>
da sie sich während des Frühlings und Sommers sehr unwohl fühlte. Als<lb/>
Bennett, der sich von dem öffentlichen Leben längere Zeit zurückgezogen hatte, im<lb/>
Jahre 1856 wieder die Leitung der Philharmonischen Gesellschaft übernommen<lb/>
hatte, führte er in seinem ersten Konzert die Perl (mit Jenny Lind) auf. Zu<lb/>
derselben Zeit, kurz vor Schumanns Tode, trat auch Clara zum erstenmale in<lb/>
London auf, mit tiefbekümmertem Herzen. Am Morgen des Konzerts empfing sie<lb/>
einen Brief von Brahms aus Bonn über den Zustand ihres geliebten Mannes.<lb/>
Sie konnte aus allem das Trostlose herausempfinden, obwohl sich Brahms bemüht<lb/>
hatte, es so mild als möglich darzustellen.</p><lb/>
          </div>
          <div n="2">
            <head> 20<lb/>
An Fr. Hofmeister</head><lb/>
            <p xml:id="ID_1062"> Düsseldorf, d. 1. Nov. 1852.</p><lb/>
            <note type="salute"> Geehrter Herr,</note><lb/>
            <p xml:id="ID_1063"> Das Concert für Violoncell mit Orchester, von dem ich Ihnen bei meiner<lb/>
letzten Anwesenheit in Leipzig sprach, ist jetzt druckfertig, und erlaube ich mir,<lb/>
Ihnen weitere Mittheilung deshalb zu machen. In Rücksicht des gewählteren<lb/>
Publikums, das Kompositionen für dieses Instrument haben, habe ich das<lb/>
Honorar, so billig wie möglich, auf 24 I^ouisä'or gestellt, wofür Sie auch den<lb/>
fertigen Clavierauszug mit erhalten. Anderentheils glaube ich, daß gerade,<lb/>
da so wenig Kompositionen für dies schöne Instrument geschrieben werden,<lb/>
der Absatz ein den Wünschen entsprechender sein wird.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1064"> Auf den Stich der Partitur dringe ich nicht, so wünschenswert!) es wäre,<lb/>
wohl aber müßten die Orchesterstimmen einzeln gestochen werden. Wünschen<lb/>
Sie es, so bin ich gern bereit, Ihnen sämmtliche ausgeschriebenen Stimmen<lb/>
sammt Partitur und Clavierauszug zur Ansicht zu schicken und sehe deshalb<lb/>
Ihrer gefälligen Antwort entgegen.")</p><lb/>
            <note type="closer"> Ihr .<lb/>
ergebener<lb/><note type="bibl"> R. Schumann.</note></note><lb/>
            <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          </div>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Kanzler von Müller über Goethe</head><lb/>
          <p xml:id="ID_1065"> on den Männern, die sich rühmen durften, Goethes Genossen<lb/>
und nicht nur seine Bewundrer gewesen zu sein, ist der im Jahre<lb/>
1849 verstorbne Kanzler von Müller der letzte gewesen. Dreißig<lb/>
Jahre jünger als sein berühmter Kollege, hat der weimarische<lb/>
Justizminister der Jahre 1815 bis 1849 zu Goethe jahrzehnte¬<lb/>
lang in so enger Beziehung gestanden, daß dieser ihn zu seinem Testaments¬<lb/>
vollstrecker und zum Mitherausgeber seiner Werke ernannte.</p><lb/>
          <note xml:id="FID_61" place="foot"> ") Das Violoncellkonzert wurde abgelehnt und erschien erst 18S4 bei Breitkopf &lt;K Härtel.</note><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten III 1808 36</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0289] Aanzler von Müller über Goethe Clara Schumann konnte der Einladung Bennetts nach London nicht folgen, da sie sich während des Frühlings und Sommers sehr unwohl fühlte. Als Bennett, der sich von dem öffentlichen Leben längere Zeit zurückgezogen hatte, im Jahre 1856 wieder die Leitung der Philharmonischen Gesellschaft übernommen hatte, führte er in seinem ersten Konzert die Perl (mit Jenny Lind) auf. Zu derselben Zeit, kurz vor Schumanns Tode, trat auch Clara zum erstenmale in London auf, mit tiefbekümmertem Herzen. Am Morgen des Konzerts empfing sie einen Brief von Brahms aus Bonn über den Zustand ihres geliebten Mannes. Sie konnte aus allem das Trostlose herausempfinden, obwohl sich Brahms bemüht hatte, es so mild als möglich darzustellen. 20 An Fr. Hofmeister Düsseldorf, d. 1. Nov. 1852. Geehrter Herr, Das Concert für Violoncell mit Orchester, von dem ich Ihnen bei meiner letzten Anwesenheit in Leipzig sprach, ist jetzt druckfertig, und erlaube ich mir, Ihnen weitere Mittheilung deshalb zu machen. In Rücksicht des gewählteren Publikums, das Kompositionen für dieses Instrument haben, habe ich das Honorar, so billig wie möglich, auf 24 I^ouisä'or gestellt, wofür Sie auch den fertigen Clavierauszug mit erhalten. Anderentheils glaube ich, daß gerade, da so wenig Kompositionen für dies schöne Instrument geschrieben werden, der Absatz ein den Wünschen entsprechender sein wird. Auf den Stich der Partitur dringe ich nicht, so wünschenswert!) es wäre, wohl aber müßten die Orchesterstimmen einzeln gestochen werden. Wünschen Sie es, so bin ich gern bereit, Ihnen sämmtliche ausgeschriebenen Stimmen sammt Partitur und Clavierauszug zur Ansicht zu schicken und sehe deshalb Ihrer gefälligen Antwort entgegen.") Ihr . ergebener R. Schumann. Kanzler von Müller über Goethe on den Männern, die sich rühmen durften, Goethes Genossen und nicht nur seine Bewundrer gewesen zu sein, ist der im Jahre 1849 verstorbne Kanzler von Müller der letzte gewesen. Dreißig Jahre jünger als sein berühmter Kollege, hat der weimarische Justizminister der Jahre 1815 bis 1849 zu Goethe jahrzehnte¬ lang in so enger Beziehung gestanden, daß dieser ihn zu seinem Testaments¬ vollstrecker und zum Mitherausgeber seiner Werke ernannte. ") Das Violoncellkonzert wurde abgelehnt und erschien erst 18S4 bei Breitkopf <K Härtel. Grenzboten III 1808 36

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_228301
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_228301/289
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_228301/289>, abgerufen am 29.04.2024.