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Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Drittes Vierteljahr.

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Mlibald Alexis
Ei n Gedeukblcitt zum hundertsten Geburtstag des Dickters
(Schluß)

in Jahre 1840 erschien der zweite große vaterländische Roman
Härings, der Roland von Berlin, Fidieins Beiträge zur Ge¬
schichte der Stadt Berlin, die 18Z7 erschienen und reiches Ma¬
terial zur Geschichte der Unterwerfung Berlins und Kölns durch
Friedrich Eisenzahn boten, haben ihm offenbar die Anregung
dazu gegeben, weshalb er auch in seinem Werke den gelehrten
Stadtarchivnr als Ratsschreibcr Fidicinus verewigt. Es lockte den Dichter, der
seit Jahren Bürger und Hausbesitzer in der preußischen Hauptstadt war, die
Vergangenheit seiner zweiten Heimat dichterisch zu verherrlichen, und in der That
hatte er in dem Konflikt zwischen Fürsten- und Städtemacht einen höchst dank¬
baren kulturgeschichtlichen Stoff erfaßt. Das Steinbild vor dem Rathause ist
das stolze Shmbvl der Stadtfreiheit. Am Ende der Erzählung läßt der Kurfürst
den Roland zertrümmern zum Zeichen seiner Hoheit über die Stadt. Hüter
des Rolands, Verteidiger der Stadtfreiheit ist der Bürgermeister Johannes
Rathenvw, der auf dem Rechte der Stadtgemeinde besteht, stolz seine Über¬
zeugung gegen alle vertritt und doch schließlich dem Kurfürsten unterliegt,
der ohne ängstliche Scheu vor Herkommen und geschriebnen Rechte die not¬
wendige Hoheit über die Städte aufrichtet. Nathenow kehrt zuletzt der Stadt
den Rücken, die die Freiheit verloren hat, und nimmt sein Recht mit in die
Verbannung. Aber auch der Kurfürst darf sich seines Sieges nicht freuen;
die redlichen Männer in der Stadt versage" ihm den Dienst. Er muß den
verächtlichen Baltzer Böheim zum Bürgermeister bestellen, und endlich sehen
wir ihn, lebensmüde und krank, scheiden, kummervoll erkennend, daß es ihm
"icht beschicken war, der Mark Glück und Frieden zu bringen. Mit diesem
Politischen Hergang ist eine anmutige Liebesgeschichte verflochten. Der lebens¬
lustige, zu allen Schelmenstreichen aufgelegte Webergcsell Henning Mvluer liebt
des Bürgermeisters Tochter Elsbeth, die doch bei der tiefen Kluft zwischen
Patriziern und Zünften nie die seine werden kann. Seinem dringenden Werben
siegenübcr vermißt sich der Vater, die Vermählung zu hindern, solange der
steinerne Roland auf seinem PlaKe bliebe. Aber Henning verläßt die Stadt,
gewinnt durch tapfere Thaten des Kurfürsten Gunst und kehrt uach ruhmvollen
Kämpfen in der Ferne als Edelmann zurück. Als nun der Roland stürzt, ist
des Vaters Trotz gebrochen, und er fügt sich in die Verbindung.

. Mag diese Handlung von überreiche" Arabesken allzu dicht umsponnen
le>n, die eigentliche Schönheit des Werkes liegt in den köstlichen Knlturbildern,
die der Roman im einzelnen bietet. Der Eingang führt uns in das hoch-




Mlibald Alexis
Ei n Gedeukblcitt zum hundertsten Geburtstag des Dickters
(Schluß)

in Jahre 1840 erschien der zweite große vaterländische Roman
Härings, der Roland von Berlin, Fidieins Beiträge zur Ge¬
schichte der Stadt Berlin, die 18Z7 erschienen und reiches Ma¬
terial zur Geschichte der Unterwerfung Berlins und Kölns durch
Friedrich Eisenzahn boten, haben ihm offenbar die Anregung
dazu gegeben, weshalb er auch in seinem Werke den gelehrten
Stadtarchivnr als Ratsschreibcr Fidicinus verewigt. Es lockte den Dichter, der
seit Jahren Bürger und Hausbesitzer in der preußischen Hauptstadt war, die
Vergangenheit seiner zweiten Heimat dichterisch zu verherrlichen, und in der That
hatte er in dem Konflikt zwischen Fürsten- und Städtemacht einen höchst dank¬
baren kulturgeschichtlichen Stoff erfaßt. Das Steinbild vor dem Rathause ist
das stolze Shmbvl der Stadtfreiheit. Am Ende der Erzählung läßt der Kurfürst
den Roland zertrümmern zum Zeichen seiner Hoheit über die Stadt. Hüter
des Rolands, Verteidiger der Stadtfreiheit ist der Bürgermeister Johannes
Rathenvw, der auf dem Rechte der Stadtgemeinde besteht, stolz seine Über¬
zeugung gegen alle vertritt und doch schließlich dem Kurfürsten unterliegt,
der ohne ängstliche Scheu vor Herkommen und geschriebnen Rechte die not¬
wendige Hoheit über die Städte aufrichtet. Nathenow kehrt zuletzt der Stadt
den Rücken, die die Freiheit verloren hat, und nimmt sein Recht mit in die
Verbannung. Aber auch der Kurfürst darf sich seines Sieges nicht freuen;
die redlichen Männer in der Stadt versage» ihm den Dienst. Er muß den
verächtlichen Baltzer Böheim zum Bürgermeister bestellen, und endlich sehen
wir ihn, lebensmüde und krank, scheiden, kummervoll erkennend, daß es ihm
»icht beschicken war, der Mark Glück und Frieden zu bringen. Mit diesem
Politischen Hergang ist eine anmutige Liebesgeschichte verflochten. Der lebens¬
lustige, zu allen Schelmenstreichen aufgelegte Webergcsell Henning Mvluer liebt
des Bürgermeisters Tochter Elsbeth, die doch bei der tiefen Kluft zwischen
Patriziern und Zünften nie die seine werden kann. Seinem dringenden Werben
siegenübcr vermißt sich der Vater, die Vermählung zu hindern, solange der
steinerne Roland auf seinem PlaKe bliebe. Aber Henning verläßt die Stadt,
gewinnt durch tapfere Thaten des Kurfürsten Gunst und kehrt uach ruhmvollen
Kämpfen in der Ferne als Edelmann zurück. Als nun der Roland stürzt, ist
des Vaters Trotz gebrochen, und er fügt sich in die Verbindung.

. Mag diese Handlung von überreiche» Arabesken allzu dicht umsponnen
le>n, die eigentliche Schönheit des Werkes liegt in den köstlichen Knlturbildern,
die der Roman im einzelnen bietet. Der Eingang führt uns in das hoch-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_228301/325>, abgerufen am 29.04.2024.