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Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Drittes Vierteljahr.

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Volkskonzerte

Patron der Stadt, der den Satan niederwirft. Der andre, eigentlich nur ein
geschweiftes, hochrandiges Becken zur Aufnahme von Blumen, ist überaus an¬
mutig von vier halbnackten jungen Mädchen und zahlreichen Kinder- und Tier¬
figuren belebt, die die vier Tageszeiten versinnlichen. Weit kühner sind der
große Chimärenbrnnnen, mit dem van der Etappen einen Platz auf der vor¬
jährigen Brüsseler Ausstellung geschmückt hat, und der erhalten worden ist, und
der Entwurf zu einem noch nicht ausgeführten Denkmal der Fruchtbarkeit,
dessen geniale, freilich den uns vertrauten Begriffen von monumentaler Würde
durchaus widersprechende Erfindung ich nur nach Photographien beurteilen
kann- Man muß sich überhaupt von den überkommnen, ästhetischen Schul¬
begriffen völlig loszumachen suchen, wenn man der Mehrzahl der Werke van
der Stoppens gerecht werden oder sie wenigstens verstehen will, und selbst
wenn einem das gelingen sollte, wird man dennoch durch einzelne Reliefs des
Künstlers, wie z. B. die Wäscherinnen, die Quelle, die Aufopferung geradezu ab¬
gestoßen werden. Hier tritt uns ein krasser, die plastische Form zu Gunsten
der malerischen völlig preisgebender Naturalismus entgegen, in dem sich van
der Etappen mit Meunier begegnet, der ihn vielleicht auch etwas beeinflußt
haben mag. Hier empfinden wir deutlich, wie scharf die Grenze gezogen ist,
die romanisches Kunstgefühl von germanischem scheidet. Aber wir sind doch
objektiv genug, um in van der Etappen einen bedeutenden Künstler zu achten,
der zwar manche von den krankhaften Neigungen seiner Zeit teilt, aber doch
sichtlich nach den höchsten Zielen der Kunst strebt.




Volkskonzerte

n neuerer Zeit erheben sich immer mehr Stimmen
-- auch die
Grenzboten haben schon dafür gesprochen --, die die Einrichtung
sogenannter Volkskonzerte verlangen. Hie und da haben gemein¬
nützige Gesellschaften, haben Behörden schon versucht, diesem Ver¬
langen zu entsprechen. Von einer Stelle meldet man die Grün¬
dung eines "großen" Volkschors, an einer andern will man von Zeit zu
Zeit die Beethovenschen Sinfonien vor den Oberklcisfen der Volksschulen auf¬
führen. Im allgemeinen hat man sich dafür entschieden, die Programme der
von den Mnsikvereinen veranstalteten Abonnementskonzerte einige Tage später
gegen freien oder sehr billigen Eintritt zu wiederholen.

Eins bleibt bisher an dieser menschenfreundlichen und im Grundgedanken


Volkskonzerte

Patron der Stadt, der den Satan niederwirft. Der andre, eigentlich nur ein
geschweiftes, hochrandiges Becken zur Aufnahme von Blumen, ist überaus an¬
mutig von vier halbnackten jungen Mädchen und zahlreichen Kinder- und Tier¬
figuren belebt, die die vier Tageszeiten versinnlichen. Weit kühner sind der
große Chimärenbrnnnen, mit dem van der Etappen einen Platz auf der vor¬
jährigen Brüsseler Ausstellung geschmückt hat, und der erhalten worden ist, und
der Entwurf zu einem noch nicht ausgeführten Denkmal der Fruchtbarkeit,
dessen geniale, freilich den uns vertrauten Begriffen von monumentaler Würde
durchaus widersprechende Erfindung ich nur nach Photographien beurteilen
kann- Man muß sich überhaupt von den überkommnen, ästhetischen Schul¬
begriffen völlig loszumachen suchen, wenn man der Mehrzahl der Werke van
der Stoppens gerecht werden oder sie wenigstens verstehen will, und selbst
wenn einem das gelingen sollte, wird man dennoch durch einzelne Reliefs des
Künstlers, wie z. B. die Wäscherinnen, die Quelle, die Aufopferung geradezu ab¬
gestoßen werden. Hier tritt uns ein krasser, die plastische Form zu Gunsten
der malerischen völlig preisgebender Naturalismus entgegen, in dem sich van
der Etappen mit Meunier begegnet, der ihn vielleicht auch etwas beeinflußt
haben mag. Hier empfinden wir deutlich, wie scharf die Grenze gezogen ist,
die romanisches Kunstgefühl von germanischem scheidet. Aber wir sind doch
objektiv genug, um in van der Etappen einen bedeutenden Künstler zu achten,
der zwar manche von den krankhaften Neigungen seiner Zeit teilt, aber doch
sichtlich nach den höchsten Zielen der Kunst strebt.




Volkskonzerte

n neuerer Zeit erheben sich immer mehr Stimmen
— auch die
Grenzboten haben schon dafür gesprochen —, die die Einrichtung
sogenannter Volkskonzerte verlangen. Hie und da haben gemein¬
nützige Gesellschaften, haben Behörden schon versucht, diesem Ver¬
langen zu entsprechen. Von einer Stelle meldet man die Grün¬
dung eines „großen" Volkschors, an einer andern will man von Zeit zu
Zeit die Beethovenschen Sinfonien vor den Oberklcisfen der Volksschulen auf¬
führen. Im allgemeinen hat man sich dafür entschieden, die Programme der
von den Mnsikvereinen veranstalteten Abonnementskonzerte einige Tage später
gegen freien oder sehr billigen Eintritt zu wiederholen.

Eins bleibt bisher an dieser menschenfreundlichen und im Grundgedanken


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[0038] Volkskonzerte Patron der Stadt, der den Satan niederwirft. Der andre, eigentlich nur ein geschweiftes, hochrandiges Becken zur Aufnahme von Blumen, ist überaus an¬ mutig von vier halbnackten jungen Mädchen und zahlreichen Kinder- und Tier¬ figuren belebt, die die vier Tageszeiten versinnlichen. Weit kühner sind der große Chimärenbrnnnen, mit dem van der Etappen einen Platz auf der vor¬ jährigen Brüsseler Ausstellung geschmückt hat, und der erhalten worden ist, und der Entwurf zu einem noch nicht ausgeführten Denkmal der Fruchtbarkeit, dessen geniale, freilich den uns vertrauten Begriffen von monumentaler Würde durchaus widersprechende Erfindung ich nur nach Photographien beurteilen kann- Man muß sich überhaupt von den überkommnen, ästhetischen Schul¬ begriffen völlig loszumachen suchen, wenn man der Mehrzahl der Werke van der Stoppens gerecht werden oder sie wenigstens verstehen will, und selbst wenn einem das gelingen sollte, wird man dennoch durch einzelne Reliefs des Künstlers, wie z. B. die Wäscherinnen, die Quelle, die Aufopferung geradezu ab¬ gestoßen werden. Hier tritt uns ein krasser, die plastische Form zu Gunsten der malerischen völlig preisgebender Naturalismus entgegen, in dem sich van der Etappen mit Meunier begegnet, der ihn vielleicht auch etwas beeinflußt haben mag. Hier empfinden wir deutlich, wie scharf die Grenze gezogen ist, die romanisches Kunstgefühl von germanischem scheidet. Aber wir sind doch objektiv genug, um in van der Etappen einen bedeutenden Künstler zu achten, der zwar manche von den krankhaften Neigungen seiner Zeit teilt, aber doch sichtlich nach den höchsten Zielen der Kunst strebt. Volkskonzerte n neuerer Zeit erheben sich immer mehr Stimmen — auch die Grenzboten haben schon dafür gesprochen —, die die Einrichtung sogenannter Volkskonzerte verlangen. Hie und da haben gemein¬ nützige Gesellschaften, haben Behörden schon versucht, diesem Ver¬ langen zu entsprechen. Von einer Stelle meldet man die Grün¬ dung eines „großen" Volkschors, an einer andern will man von Zeit zu Zeit die Beethovenschen Sinfonien vor den Oberklcisfen der Volksschulen auf¬ führen. Im allgemeinen hat man sich dafür entschieden, die Programme der von den Mnsikvereinen veranstalteten Abonnementskonzerte einige Tage später gegen freien oder sehr billigen Eintritt zu wiederholen. Eins bleibt bisher an dieser menschenfreundlichen und im Grundgedanken

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_228301/38>, abgerufen am 29.04.2024.