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Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Drittes Vierteljahr.

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Gegen die agrarischen Übertreibungen

egen die agrarischen Übertreibungen haben in jüngster Zeit zwei
angesehene Volkswirtschaftslehrer an preußischen Hochschulen,
Professor Conrad in Halle und Professor Cohn in Göttingen,
ihre Stimme erhoben. Beide sind hinreichend bekannt als
streng wissenschaftliche Forscher und maßvolle, konservative
Politiker im besten Sinne des Worts. , Wenn auch zur Zeit nicht zu hoffen
ist, daß ihr aus ehrlicher, unparteiischer Überzeugung heraus abgegebnes Urteil
die überzeugende Wirkung ausübt, die es verdient, weder auf die in der agra¬
rischen Einseitigkeit befangnen Landwirte, noch auf die zur Nachgiebigkeit gegen
den, agrarischen Ansturm entschlossenen Staatsmänner, so werden sie doch allen
gebildeten Männern, die unabhängig von dem Parteigetriebe der Gegenwart
die Wahrheit hören wollen über der Gesamtheit wie über der Landwirte Recht
und Vorteil, eine willkommne Quelle der Belehrung werden. Angesichts der
Kämpfe, die uns bevorstehen, erscheint es wohl am Platze, auf das, was hier
die nationalökonomische Wissenschaft der praktischen Wirtschaftspolitik als wert¬
volle Richtschnur bietet, gerade auch den Leserkreis der Grenzboten recht ein¬
dringlich hinzuweisen. Ist doch in dem scharf zugespitzten Widerstreit zwischen
Wahn und Wahrheit, wie er sich auf dem wirtschaftspolitischen Kriegsschau¬
platz kundgiebt, auf einen Sieg der Wahrheit nur zu hoffen, wenn alle ihre
Freunde, jeder wo er nur immer kann, ihr nachstrebt und für sie eintritt.
Kein patriotischer gebildeter Deutscher darf heute diesen Fragen gegenüber
gleichgiltig bleiben. Unsre Zeit, unser Geschlecht hat sie zu losen, die Krisis
ist angebrochen, und uns wird die Schuld treffen, wenn sie zum Schaden des
Vaterlands ausschlägt.

Professor Conrad schickt der neusten Darlegung seiner agrarpvlitischen


Grenzboten III 1808 S5


Gegen die agrarischen Übertreibungen

egen die agrarischen Übertreibungen haben in jüngster Zeit zwei
angesehene Volkswirtschaftslehrer an preußischen Hochschulen,
Professor Conrad in Halle und Professor Cohn in Göttingen,
ihre Stimme erhoben. Beide sind hinreichend bekannt als
streng wissenschaftliche Forscher und maßvolle, konservative
Politiker im besten Sinne des Worts. , Wenn auch zur Zeit nicht zu hoffen
ist, daß ihr aus ehrlicher, unparteiischer Überzeugung heraus abgegebnes Urteil
die überzeugende Wirkung ausübt, die es verdient, weder auf die in der agra¬
rischen Einseitigkeit befangnen Landwirte, noch auf die zur Nachgiebigkeit gegen
den, agrarischen Ansturm entschlossenen Staatsmänner, so werden sie doch allen
gebildeten Männern, die unabhängig von dem Parteigetriebe der Gegenwart
die Wahrheit hören wollen über der Gesamtheit wie über der Landwirte Recht
und Vorteil, eine willkommne Quelle der Belehrung werden. Angesichts der
Kämpfe, die uns bevorstehen, erscheint es wohl am Platze, auf das, was hier
die nationalökonomische Wissenschaft der praktischen Wirtschaftspolitik als wert¬
volle Richtschnur bietet, gerade auch den Leserkreis der Grenzboten recht ein¬
dringlich hinzuweisen. Ist doch in dem scharf zugespitzten Widerstreit zwischen
Wahn und Wahrheit, wie er sich auf dem wirtschaftspolitischen Kriegsschau¬
platz kundgiebt, auf einen Sieg der Wahrheit nur zu hoffen, wenn alle ihre
Freunde, jeder wo er nur immer kann, ihr nachstrebt und für sie eintritt.
Kein patriotischer gebildeter Deutscher darf heute diesen Fragen gegenüber
gleichgiltig bleiben. Unsre Zeit, unser Geschlecht hat sie zu losen, die Krisis
ist angebrochen, und uns wird die Schuld treffen, wenn sie zum Schaden des
Vaterlands ausschlägt.

Professor Conrad schickt der neusten Darlegung seiner agrarpvlitischen


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[0441] [Abbildung] Gegen die agrarischen Übertreibungen egen die agrarischen Übertreibungen haben in jüngster Zeit zwei angesehene Volkswirtschaftslehrer an preußischen Hochschulen, Professor Conrad in Halle und Professor Cohn in Göttingen, ihre Stimme erhoben. Beide sind hinreichend bekannt als streng wissenschaftliche Forscher und maßvolle, konservative Politiker im besten Sinne des Worts. , Wenn auch zur Zeit nicht zu hoffen ist, daß ihr aus ehrlicher, unparteiischer Überzeugung heraus abgegebnes Urteil die überzeugende Wirkung ausübt, die es verdient, weder auf die in der agra¬ rischen Einseitigkeit befangnen Landwirte, noch auf die zur Nachgiebigkeit gegen den, agrarischen Ansturm entschlossenen Staatsmänner, so werden sie doch allen gebildeten Männern, die unabhängig von dem Parteigetriebe der Gegenwart die Wahrheit hören wollen über der Gesamtheit wie über der Landwirte Recht und Vorteil, eine willkommne Quelle der Belehrung werden. Angesichts der Kämpfe, die uns bevorstehen, erscheint es wohl am Platze, auf das, was hier die nationalökonomische Wissenschaft der praktischen Wirtschaftspolitik als wert¬ volle Richtschnur bietet, gerade auch den Leserkreis der Grenzboten recht ein¬ dringlich hinzuweisen. Ist doch in dem scharf zugespitzten Widerstreit zwischen Wahn und Wahrheit, wie er sich auf dem wirtschaftspolitischen Kriegsschau¬ platz kundgiebt, auf einen Sieg der Wahrheit nur zu hoffen, wenn alle ihre Freunde, jeder wo er nur immer kann, ihr nachstrebt und für sie eintritt. Kein patriotischer gebildeter Deutscher darf heute diesen Fragen gegenüber gleichgiltig bleiben. Unsre Zeit, unser Geschlecht hat sie zu losen, die Krisis ist angebrochen, und uns wird die Schuld treffen, wenn sie zum Schaden des Vaterlands ausschlägt. Professor Conrad schickt der neusten Darlegung seiner agrarpvlitischen Grenzboten III 1808 S5

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_228301/441>, abgerufen am 29.04.2024.