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Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Drittes Vierteljahr.

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gesangs hier nur so beiläufig zu berühren. Nur das mag kurz gesagt sein:
daß sie unter die wichtigsten und dringlichsten Aufgaben der heutigen Musik
gehört, und zweitens, daß sie sich durchführen läßt ohne den geringsten Mehr¬
aufwand an Zeit oder Geld. Nur der Verschwendung der Zeit muß vorgebeugt
werden, die Lehrer müssen eine Mehrleistung im Methodischen auf sich nehmen.

Die Frage gehört mit zu denen, die die Grundlage" der Volkskonzerte
abgeben, und möge der Aufmerksamkeit der Freunde dieses Instituts, der Auf¬
merksamkeit der Freunde der Musik und der Freunde des Volks in demselben
Grade empfohlen sein!




Lenectus lon^uax
eines alten Deutschen Plaudereien
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l
e oft habe ich still gelächelt bei den Beteuerungen eines Autors,
es würde ihm nie in den Sinn gekommen sein, mit den Kindern
seiner Muße in die Öffentlichkeit zu treten, hätten ihm nicht ein¬
sichtige Freunde seine Zurückhaltung als schweres Unrecht gegen die
Menschheit dargestellt. Und nun stehe ich selbst im Begriffe, die
Verantwortung für das Niederschreiben von Lebenserinnerungen
andern aufzubürden! Zu meiner Entschuldigung darf ich jedoch anführen, daß ich
nicht die böse Absicht habe, der an Überfluß krankenden deutschen Litteratur neuerlich
durch Gedichte oder Novellen Beschwerden zu bereiten, und daß ich ebenso wenig
in der Lesewelt die Sehnsucht voraussetze, über mein Leben nebst Meinungen und
Thaten umständlich unterrichtet zu werden. Die Wahrheit ist vielmehr, daß jüngere
Freunde und Freundinnen, in deren Gesellschaft ich ins Plaudern von alten Zeiten
geriet, mich häufig durch Fragen und Bemerkungen davon überzeugten, wie schwer
es der heutigen Generation fällt und fallen muß, sich die Denk- und Lebensweise
der Zeit vor dem ungeheuern Umschwunge in allen Verhältnissen seit der Mitte
dieses Jahrhunderts vorzustellen. Und solche Beobachtungen machten mich nach¬
giebig gegen die Aufforderungen, Erlebnisse zu Papier zu bringen, nicht als ob
sie Erinnerungen einer bedeutenden Persönlichkeit wiedergäben, sondern eines Durch¬
schnittsmenschen, an dem nur merkwürdig ist, daß ihm ein langes Leben viel
Glück beschieden hat, und daß er sich dessen bewußt ist. Mahnungen an glückliche
Fügungen im Elternhause, in Freundeskreisen, im öffentlichen Leben, in Be¬
strebungen und Fehlgriffen u. a. in. werden mir Wohl dann und wann unwill¬
kürlich in die Feder fließen, doch nur, wenn sie mir charakteristisch für die Zeit
erscheinen, und nur in diesem Sinne wolle der freundliche Leser die Geschwätzig¬
keit des Alters gestatten.

"Wenn der König stirbt, giebt es Krieg," sagte ein Schulkamerad im Jahre


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gesangs hier nur so beiläufig zu berühren. Nur das mag kurz gesagt sein:
daß sie unter die wichtigsten und dringlichsten Aufgaben der heutigen Musik
gehört, und zweitens, daß sie sich durchführen läßt ohne den geringsten Mehr¬
aufwand an Zeit oder Geld. Nur der Verschwendung der Zeit muß vorgebeugt
werden, die Lehrer müssen eine Mehrleistung im Methodischen auf sich nehmen.

Die Frage gehört mit zu denen, die die Grundlage» der Volkskonzerte
abgeben, und möge der Aufmerksamkeit der Freunde dieses Instituts, der Auf¬
merksamkeit der Freunde der Musik und der Freunde des Volks in demselben
Grade empfohlen sein!




Lenectus lon^uax
eines alten Deutschen Plaudereien
1

l
e oft habe ich still gelächelt bei den Beteuerungen eines Autors,
es würde ihm nie in den Sinn gekommen sein, mit den Kindern
seiner Muße in die Öffentlichkeit zu treten, hätten ihm nicht ein¬
sichtige Freunde seine Zurückhaltung als schweres Unrecht gegen die
Menschheit dargestellt. Und nun stehe ich selbst im Begriffe, die
Verantwortung für das Niederschreiben von Lebenserinnerungen
andern aufzubürden! Zu meiner Entschuldigung darf ich jedoch anführen, daß ich
nicht die böse Absicht habe, der an Überfluß krankenden deutschen Litteratur neuerlich
durch Gedichte oder Novellen Beschwerden zu bereiten, und daß ich ebenso wenig
in der Lesewelt die Sehnsucht voraussetze, über mein Leben nebst Meinungen und
Thaten umständlich unterrichtet zu werden. Die Wahrheit ist vielmehr, daß jüngere
Freunde und Freundinnen, in deren Gesellschaft ich ins Plaudern von alten Zeiten
geriet, mich häufig durch Fragen und Bemerkungen davon überzeugten, wie schwer
es der heutigen Generation fällt und fallen muß, sich die Denk- und Lebensweise
der Zeit vor dem ungeheuern Umschwunge in allen Verhältnissen seit der Mitte
dieses Jahrhunderts vorzustellen. Und solche Beobachtungen machten mich nach¬
giebig gegen die Aufforderungen, Erlebnisse zu Papier zu bringen, nicht als ob
sie Erinnerungen einer bedeutenden Persönlichkeit wiedergäben, sondern eines Durch¬
schnittsmenschen, an dem nur merkwürdig ist, daß ihm ein langes Leben viel
Glück beschieden hat, und daß er sich dessen bewußt ist. Mahnungen an glückliche
Fügungen im Elternhause, in Freundeskreisen, im öffentlichen Leben, in Be¬
strebungen und Fehlgriffen u. a. in. werden mir Wohl dann und wann unwill¬
kürlich in die Feder fließen, doch nur, wenn sie mir charakteristisch für die Zeit
erscheinen, und nur in diesem Sinne wolle der freundliche Leser die Geschwätzig¬
keit des Alters gestatten.

„Wenn der König stirbt, giebt es Krieg," sagte ein Schulkamerad im Jahre


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_228301/47>, abgerufen am 29.04.2024.