Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Drittes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Line Zwickauer Dramaturgie

der Divisionsgencräle, mehr als fraglich erscheint. Die jüngsten -- nur vier --
sind schon fünfundsechzig Jahre alt. während je einer in den Jahren 1811,
1814, 1821 und 1824 geboren ist. Das Durchschnittsalter beträgt siebzig
Jahre drei Monate. Bei den Brigadegenerälen liegen die Verhältnisse zwar
günstiger, doch ist die größte Zahl -- hundertdreißig von hundertfünfzig --
auch schon im Alter zwischen dreiundsechzig und siebzig Jahren, während elf
über siebzig Jahre alt sind. Diese in der Reserve stehenden Generäle beziehen
neben ihrer Pension eine Pferderation; man hofft sie dadurch in der Übung
des Reitens zu erhalten. Sie können jederzeit auf ihre Stellung in der
Reserve verzichten und ihre Verabschiedung mit Pension (rstrg.it.6) erbitten.

An Generälen a. D. zählt man in Frankreich jetzt einundfünfzig Divisions¬
v. W. und huudertneuuundzwanzig Brigadegeneräle.




Eine Zwickauer Dramaturgie

eit Silvio Pelileo mit elegischem Behagen und allzu weicher
Stimmung seine Kerker geschildert, seit Fritz Reuters "Ut mine
Festungstid" sehr unerquickliche Bilder mit dem Lichte des
Humors vergoldet hat, sind Bücher aus dem Gefängnis nichts
Seltnes mehr. Die Gefängniserinnerungen selbst bleiben nicht
die einzigen Werke, die einer unfreiwilligen Zurückgezogenheit entstammen. So
dürfen wir nicht erstaunen, daß auch ein vor kurzem in zwei Bänden er¬
schienenes Buch über Das Werden des neuen Dramas*) in der Ein¬
samkeit einer Gefängniszelle gediehen ist. Der Verfasser Edgar Steiger
sagt im Vorwort: "In einer stillen Zelle des Zwickauer Landesgefängnisses, in
der ich vier und einen halben Monat über deutsche Preßfreiheit nachdenken
durfte, ist das vorliegende Werk entstanden. Sollte diese Zwickauer Dramaturgie
den Beifall der Kenner und Körner finden, so hätten wieder einmal wider
Willen Staatsanwalt und Landgericht Leipzig der deutschen Litteratur einen
kleinen Dienst erwiesen."

Wir leben, im Gegensatz zum Herrn Verfasser, der Überzeugung, daß
Staatsanwalt und Landgericht, sofern es nur ihres Amts wäre, der deutschen
Litteratur gern auch einen großen Dienst auf andern Wegen leisten würden,
als daß sie einen Schriftsteller wegen Preßvergehens nach Numero Sicher



*) Edgar Steiger. Das Werden des neuen Dramas. Zwei Teile. Berlin
F. Fontane K Comp,, 1M8,
Line Zwickauer Dramaturgie

der Divisionsgencräle, mehr als fraglich erscheint. Die jüngsten — nur vier —
sind schon fünfundsechzig Jahre alt. während je einer in den Jahren 1811,
1814, 1821 und 1824 geboren ist. Das Durchschnittsalter beträgt siebzig
Jahre drei Monate. Bei den Brigadegenerälen liegen die Verhältnisse zwar
günstiger, doch ist die größte Zahl — hundertdreißig von hundertfünfzig —
auch schon im Alter zwischen dreiundsechzig und siebzig Jahren, während elf
über siebzig Jahre alt sind. Diese in der Reserve stehenden Generäle beziehen
neben ihrer Pension eine Pferderation; man hofft sie dadurch in der Übung
des Reitens zu erhalten. Sie können jederzeit auf ihre Stellung in der
Reserve verzichten und ihre Verabschiedung mit Pension (rstrg.it.6) erbitten.

An Generälen a. D. zählt man in Frankreich jetzt einundfünfzig Divisions¬
v. W. und huudertneuuundzwanzig Brigadegeneräle.




Eine Zwickauer Dramaturgie

eit Silvio Pelileo mit elegischem Behagen und allzu weicher
Stimmung seine Kerker geschildert, seit Fritz Reuters „Ut mine
Festungstid" sehr unerquickliche Bilder mit dem Lichte des
Humors vergoldet hat, sind Bücher aus dem Gefängnis nichts
Seltnes mehr. Die Gefängniserinnerungen selbst bleiben nicht
die einzigen Werke, die einer unfreiwilligen Zurückgezogenheit entstammen. So
dürfen wir nicht erstaunen, daß auch ein vor kurzem in zwei Bänden er¬
schienenes Buch über Das Werden des neuen Dramas*) in der Ein¬
samkeit einer Gefängniszelle gediehen ist. Der Verfasser Edgar Steiger
sagt im Vorwort: „In einer stillen Zelle des Zwickauer Landesgefängnisses, in
der ich vier und einen halben Monat über deutsche Preßfreiheit nachdenken
durfte, ist das vorliegende Werk entstanden. Sollte diese Zwickauer Dramaturgie
den Beifall der Kenner und Körner finden, so hätten wieder einmal wider
Willen Staatsanwalt und Landgericht Leipzig der deutschen Litteratur einen
kleinen Dienst erwiesen."

Wir leben, im Gegensatz zum Herrn Verfasser, der Überzeugung, daß
Staatsanwalt und Landgericht, sofern es nur ihres Amts wäre, der deutschen
Litteratur gern auch einen großen Dienst auf andern Wegen leisten würden,
als daß sie einen Schriftsteller wegen Preßvergehens nach Numero Sicher



*) Edgar Steiger. Das Werden des neuen Dramas. Zwei Teile. Berlin
F. Fontane K Comp,, 1M8,
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0615" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/228917"/>
          <fw type="header" place="top"> Line Zwickauer Dramaturgie</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_2080" prev="#ID_2079"> der Divisionsgencräle, mehr als fraglich erscheint. Die jüngsten &#x2014; nur vier &#x2014;<lb/>
sind schon fünfundsechzig Jahre alt. während je einer in den Jahren 1811,<lb/>
1814, 1821 und 1824 geboren ist. Das Durchschnittsalter beträgt siebzig<lb/>
Jahre drei Monate. Bei den Brigadegenerälen liegen die Verhältnisse zwar<lb/>
günstiger, doch ist die größte Zahl &#x2014; hundertdreißig von hundertfünfzig &#x2014;<lb/>
auch schon im Alter zwischen dreiundsechzig und siebzig Jahren, während elf<lb/>
über siebzig Jahre alt sind. Diese in der Reserve stehenden Generäle beziehen<lb/>
neben ihrer Pension eine Pferderation; man hofft sie dadurch in der Übung<lb/>
des Reitens zu erhalten. Sie können jederzeit auf ihre Stellung in der<lb/>
Reserve verzichten und ihre Verabschiedung mit Pension (rstrg.it.6) erbitten.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2081"> An Generälen a. D. zählt man in Frankreich jetzt einundfünfzig Divisions¬<lb/><note type="byline"> v. W.</note> und huudertneuuundzwanzig Brigadegeneräle. </p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Eine Zwickauer Dramaturgie</head><lb/>
          <p xml:id="ID_2082"> eit Silvio Pelileo mit elegischem Behagen und allzu weicher<lb/>
Stimmung seine Kerker geschildert, seit Fritz Reuters &#x201E;Ut mine<lb/>
Festungstid" sehr unerquickliche Bilder mit dem Lichte des<lb/>
Humors vergoldet hat, sind Bücher aus dem Gefängnis nichts<lb/>
Seltnes mehr. Die Gefängniserinnerungen selbst bleiben nicht<lb/>
die einzigen Werke, die einer unfreiwilligen Zurückgezogenheit entstammen. So<lb/>
dürfen wir nicht erstaunen, daß auch ein vor kurzem in zwei Bänden er¬<lb/>
schienenes Buch über Das Werden des neuen Dramas*) in der Ein¬<lb/>
samkeit einer Gefängniszelle gediehen ist. Der Verfasser Edgar Steiger<lb/>
sagt im Vorwort: &#x201E;In einer stillen Zelle des Zwickauer Landesgefängnisses, in<lb/>
der ich vier und einen halben Monat über deutsche Preßfreiheit nachdenken<lb/>
durfte, ist das vorliegende Werk entstanden. Sollte diese Zwickauer Dramaturgie<lb/>
den Beifall der Kenner und Körner finden, so hätten wieder einmal wider<lb/>
Willen Staatsanwalt und Landgericht Leipzig der deutschen Litteratur einen<lb/>
kleinen Dienst erwiesen."</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2083" next="#ID_2084"> Wir leben, im Gegensatz zum Herrn Verfasser, der Überzeugung, daß<lb/>
Staatsanwalt und Landgericht, sofern es nur ihres Amts wäre, der deutschen<lb/>
Litteratur gern auch einen großen Dienst auf andern Wegen leisten würden,<lb/>
als daß sie einen Schriftsteller wegen Preßvergehens nach Numero Sicher</p><lb/>
          <note xml:id="FID_104" place="foot"> *) Edgar Steiger. Das Werden des neuen Dramas. Zwei Teile. Berlin<lb/>
F. Fontane K Comp,, 1M8,</note><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0615] Line Zwickauer Dramaturgie der Divisionsgencräle, mehr als fraglich erscheint. Die jüngsten — nur vier — sind schon fünfundsechzig Jahre alt. während je einer in den Jahren 1811, 1814, 1821 und 1824 geboren ist. Das Durchschnittsalter beträgt siebzig Jahre drei Monate. Bei den Brigadegenerälen liegen die Verhältnisse zwar günstiger, doch ist die größte Zahl — hundertdreißig von hundertfünfzig — auch schon im Alter zwischen dreiundsechzig und siebzig Jahren, während elf über siebzig Jahre alt sind. Diese in der Reserve stehenden Generäle beziehen neben ihrer Pension eine Pferderation; man hofft sie dadurch in der Übung des Reitens zu erhalten. Sie können jederzeit auf ihre Stellung in der Reserve verzichten und ihre Verabschiedung mit Pension (rstrg.it.6) erbitten. An Generälen a. D. zählt man in Frankreich jetzt einundfünfzig Divisions¬ v. W. und huudertneuuundzwanzig Brigadegeneräle. Eine Zwickauer Dramaturgie eit Silvio Pelileo mit elegischem Behagen und allzu weicher Stimmung seine Kerker geschildert, seit Fritz Reuters „Ut mine Festungstid" sehr unerquickliche Bilder mit dem Lichte des Humors vergoldet hat, sind Bücher aus dem Gefängnis nichts Seltnes mehr. Die Gefängniserinnerungen selbst bleiben nicht die einzigen Werke, die einer unfreiwilligen Zurückgezogenheit entstammen. So dürfen wir nicht erstaunen, daß auch ein vor kurzem in zwei Bänden er¬ schienenes Buch über Das Werden des neuen Dramas*) in der Ein¬ samkeit einer Gefängniszelle gediehen ist. Der Verfasser Edgar Steiger sagt im Vorwort: „In einer stillen Zelle des Zwickauer Landesgefängnisses, in der ich vier und einen halben Monat über deutsche Preßfreiheit nachdenken durfte, ist das vorliegende Werk entstanden. Sollte diese Zwickauer Dramaturgie den Beifall der Kenner und Körner finden, so hätten wieder einmal wider Willen Staatsanwalt und Landgericht Leipzig der deutschen Litteratur einen kleinen Dienst erwiesen." Wir leben, im Gegensatz zum Herrn Verfasser, der Überzeugung, daß Staatsanwalt und Landgericht, sofern es nur ihres Amts wäre, der deutschen Litteratur gern auch einen großen Dienst auf andern Wegen leisten würden, als daß sie einen Schriftsteller wegen Preßvergehens nach Numero Sicher *) Edgar Steiger. Das Werden des neuen Dramas. Zwei Teile. Berlin F. Fontane K Comp,, 1M8,

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_228301
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_228301/615
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_228301/615>, abgerufen am 29.04.2024.