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Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Drittes Vierteljahr.

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Ungedruckte Briefe von Robert Schumann

4
An C. Montag in Weimar

Carl Montag, geboren 1817 in Blcmkenhain bei Weimar, war Pianist,
Gesanglehrer am Seminar und Gymnasium, später Kirchenmusikdirektor in Weimar,
auch Mitarbeiter an Schumanns Zeitschrift von 1835 bis 1841. Schumann stand
bis 18S2 in freundschaftlichem Briefwechsel mit ihm, auch Clara schätzte den treff¬
lichen Künstler und liebenswürdigen Menschen hoch, was ihre Briefe an ihn in
schöner Weise aussprechen. Montag starb unverheiratet am 1. Oktober 1364.

Leipzig, den 20^" October 1837.*)

Herzlichen Dank für die Mittheilung, so traurig der Grund dazu war. Nun
noch die Bitte, ob Sie nicht selbst vielleicht einen (kurzen oder langen) Artikel
über Hummel schreiben wollen? Über sein Leben können Sie ja alles aus
der ersten Hand erfahren und haben ihn ja selbst in der Nahe gesehen und
gesprochen. Freilich wäre Eile von Nöthen und Sie schreiben mir jedenfalls
bald, ob Sie es selbst übernehmen wollen oder mir wenigstens einen guten
Biographen in Weimar angeben können.

Auch wegen der andern Aufsätze machen Sie mich mehr als neugierig.
Schicken Sie, was Sie haben. Liegt Ihnen an Honorar, so schreiben Sie.
Ich dringe hiermit förmlich auf die Aufsätze.

Erinnern Sie doch auch Lobe an sein Versprechen und grüßen Sie ihn;
es fehlt mir gerade im Augenblick an gutem Manuseript.

Einiges, was ich in einem merkwürdigen Sommer componirt (in diesem
nämlich), wird Ihnen gefallen; es sind 2 Hefte Phantasiestückc und 2 Hefte
Tänze: Todtentänze, Veitstänze, Grazien- und Koboldstänze :c.

Wen nennt man als Hummels Nachfolger? Mendelssohn ginge gewiß
gern hin, wäre er hier nicht gebunden. Eberwein? Chelard? --

Eben erhalte ich die neuen Etüden von Chopin; sie sind aber schon vor
langer Zeit componirt. Es ist traurig, daß er in den 7 Jahren, die er in
Paris lebt, fast gar nichts gemacht.

Vergessen Sie auch Bach nicht und schreiben Sie mir, wo ich Ihnen
irgend gefallen kann.


In herzlicher Freundschaft
Ihr R. Schumann.

Die Mitteilung Montags betraf den am 17. Oktober erfolgten Tod Hummels.
Den gewünschten biographischen Artikel über Hummel schrieb Montag gleich nachher.
Der "merkwürdige Sommer" war für Schumanns Herzensangelegenheit von Be¬
deutung. Im Januar 1836 hatte er sich mit Clara Wieck verlobt,**) wurde aber




") Dieser Brief ist schon in der Neuen Zeitschrift von 1891, aber mit einigen Unrichtig¬
keiten abgedruckt worden, weswegen ich ihn (wie auch Ur. 8, 10 und 1ö) hier noch einmal
wiedergebe.
"°°
) Diese schon in meinen Davidsbttndlern mitgeteilte Thatsache bestritt Wasielewski
("Schumnnnilma" S. 106V Meine Angabe über wurde bestätigt durch den ersten Brief Schu¬
manns an seine Verlobte vom 13. Februar 1836 ("Jugendbriefe" S. 207).
Ungedruckte Briefe von Robert Schumann

4
An C. Montag in Weimar

Carl Montag, geboren 1817 in Blcmkenhain bei Weimar, war Pianist,
Gesanglehrer am Seminar und Gymnasium, später Kirchenmusikdirektor in Weimar,
auch Mitarbeiter an Schumanns Zeitschrift von 1835 bis 1841. Schumann stand
bis 18S2 in freundschaftlichem Briefwechsel mit ihm, auch Clara schätzte den treff¬
lichen Künstler und liebenswürdigen Menschen hoch, was ihre Briefe an ihn in
schöner Weise aussprechen. Montag starb unverheiratet am 1. Oktober 1364.

Leipzig, den 20^» October 1837.*)

Herzlichen Dank für die Mittheilung, so traurig der Grund dazu war. Nun
noch die Bitte, ob Sie nicht selbst vielleicht einen (kurzen oder langen) Artikel
über Hummel schreiben wollen? Über sein Leben können Sie ja alles aus
der ersten Hand erfahren und haben ihn ja selbst in der Nahe gesehen und
gesprochen. Freilich wäre Eile von Nöthen und Sie schreiben mir jedenfalls
bald, ob Sie es selbst übernehmen wollen oder mir wenigstens einen guten
Biographen in Weimar angeben können.

Auch wegen der andern Aufsätze machen Sie mich mehr als neugierig.
Schicken Sie, was Sie haben. Liegt Ihnen an Honorar, so schreiben Sie.
Ich dringe hiermit förmlich auf die Aufsätze.

Erinnern Sie doch auch Lobe an sein Versprechen und grüßen Sie ihn;
es fehlt mir gerade im Augenblick an gutem Manuseript.

Einiges, was ich in einem merkwürdigen Sommer componirt (in diesem
nämlich), wird Ihnen gefallen; es sind 2 Hefte Phantasiestückc und 2 Hefte
Tänze: Todtentänze, Veitstänze, Grazien- und Koboldstänze :c.

Wen nennt man als Hummels Nachfolger? Mendelssohn ginge gewiß
gern hin, wäre er hier nicht gebunden. Eberwein? Chelard? —

Eben erhalte ich die neuen Etüden von Chopin; sie sind aber schon vor
langer Zeit componirt. Es ist traurig, daß er in den 7 Jahren, die er in
Paris lebt, fast gar nichts gemacht.

Vergessen Sie auch Bach nicht und schreiben Sie mir, wo ich Ihnen
irgend gefallen kann.


In herzlicher Freundschaft
Ihr R. Schumann.

Die Mitteilung Montags betraf den am 17. Oktober erfolgten Tod Hummels.
Den gewünschten biographischen Artikel über Hummel schrieb Montag gleich nachher.
Der „merkwürdige Sommer" war für Schumanns Herzensangelegenheit von Be¬
deutung. Im Januar 1836 hatte er sich mit Clara Wieck verlobt,**) wurde aber




") Dieser Brief ist schon in der Neuen Zeitschrift von 1891, aber mit einigen Unrichtig¬
keiten abgedruckt worden, weswegen ich ihn (wie auch Ur. 8, 10 und 1ö) hier noch einmal
wiedergebe.
"°°
) Diese schon in meinen Davidsbttndlern mitgeteilte Thatsache bestritt Wasielewski
(„Schumnnnilma" S. 106V Meine Angabe über wurde bestätigt durch den ersten Brief Schu¬
manns an seine Verlobte vom 13. Februar 1836 („Jugendbriefe" S. 207).
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[0083] Ungedruckte Briefe von Robert Schumann 4 An C. Montag in Weimar Carl Montag, geboren 1817 in Blcmkenhain bei Weimar, war Pianist, Gesanglehrer am Seminar und Gymnasium, später Kirchenmusikdirektor in Weimar, auch Mitarbeiter an Schumanns Zeitschrift von 1835 bis 1841. Schumann stand bis 18S2 in freundschaftlichem Briefwechsel mit ihm, auch Clara schätzte den treff¬ lichen Künstler und liebenswürdigen Menschen hoch, was ihre Briefe an ihn in schöner Weise aussprechen. Montag starb unverheiratet am 1. Oktober 1364. Leipzig, den 20^» October 1837.*) Herzlichen Dank für die Mittheilung, so traurig der Grund dazu war. Nun noch die Bitte, ob Sie nicht selbst vielleicht einen (kurzen oder langen) Artikel über Hummel schreiben wollen? Über sein Leben können Sie ja alles aus der ersten Hand erfahren und haben ihn ja selbst in der Nahe gesehen und gesprochen. Freilich wäre Eile von Nöthen und Sie schreiben mir jedenfalls bald, ob Sie es selbst übernehmen wollen oder mir wenigstens einen guten Biographen in Weimar angeben können. Auch wegen der andern Aufsätze machen Sie mich mehr als neugierig. Schicken Sie, was Sie haben. Liegt Ihnen an Honorar, so schreiben Sie. Ich dringe hiermit förmlich auf die Aufsätze. Erinnern Sie doch auch Lobe an sein Versprechen und grüßen Sie ihn; es fehlt mir gerade im Augenblick an gutem Manuseript. Einiges, was ich in einem merkwürdigen Sommer componirt (in diesem nämlich), wird Ihnen gefallen; es sind 2 Hefte Phantasiestückc und 2 Hefte Tänze: Todtentänze, Veitstänze, Grazien- und Koboldstänze :c. Wen nennt man als Hummels Nachfolger? Mendelssohn ginge gewiß gern hin, wäre er hier nicht gebunden. Eberwein? Chelard? — Eben erhalte ich die neuen Etüden von Chopin; sie sind aber schon vor langer Zeit componirt. Es ist traurig, daß er in den 7 Jahren, die er in Paris lebt, fast gar nichts gemacht. Vergessen Sie auch Bach nicht und schreiben Sie mir, wo ich Ihnen irgend gefallen kann. In herzlicher Freundschaft Ihr R. Schumann. Die Mitteilung Montags betraf den am 17. Oktober erfolgten Tod Hummels. Den gewünschten biographischen Artikel über Hummel schrieb Montag gleich nachher. Der „merkwürdige Sommer" war für Schumanns Herzensangelegenheit von Be¬ deutung. Im Januar 1836 hatte er sich mit Clara Wieck verlobt,**) wurde aber ") Dieser Brief ist schon in der Neuen Zeitschrift von 1891, aber mit einigen Unrichtig¬ keiten abgedruckt worden, weswegen ich ihn (wie auch Ur. 8, 10 und 1ö) hier noch einmal wiedergebe. "°° ) Diese schon in meinen Davidsbttndlern mitgeteilte Thatsache bestritt Wasielewski („Schumnnnilma" S. 106V Meine Angabe über wurde bestätigt durch den ersten Brief Schu¬ manns an seine Verlobte vom 13. Februar 1836 („Jugendbriefe" S. 207).

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_228301/83>, abgerufen am 29.04.2024.