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Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Viertes Vierteljahr.

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Noch einige ungedruckte Briefe von Robert Schumann

2

Verehrtester Freund,

Vielen Dank für Ihre Einladung und meine besten Glückwünsche zugleich
zum neuen Wirkungskreise. Leider muß ich vor der Hand noch gänzlich feiern
mit allem Arbeiten; ein böses Nervenleiden, das nicht wanken und weichen
will, verbietet mir jede größere Anstrengung. Viel hoffe ich vom Seebad, in
das ich nächstens zu reisen gedenke. Vielleicht, daß dann die alten Kräfte
wieder kommen und ich von Zeit zu Zeit auch einmal mitsprechen kann.
Gegen Manches wäre loszuwettern. Kunst und Modegeist, Meister und Gesell
werden in der musikalischen Kritik noch viel zu wenig geschieden. Doch das
sind Julina, über die vielleicht bald einmal mündlich.

Einstweilen seien Sie freundlich gegrüßt als Vorkämpfer für die gute
Sache der Musik und halten Sich meiner herzlichsten Teilnahme versichert.


Ihrfreundschaftlich ergebener
R. Schumann.

den 4^°" Juli 1846.

Herrn Professor Lobe
Redakteur der allgemeinen musikalischen Zeitung
in Leipzig.


3

Verehrter Freund,

Es ist mir erst heute eingefallen, daß Sie meine neulich im Flug und
in etwas Concertaufregung gesprochenen Worte etwa mißdeuten könnten. Ich
sende Ihnen daher die Partitur, aber nicht dem Redakteur, sondern dem
Musiker, dem befreundeten Kunstgenossen. Mißdeuten Sie auch dieses nicht!
Aber lese ich in kritischen Journalen redactionelle Erklärungen, wie "der Ver¬
fasser hat die Partitur uns mitzuteilen die Güte gehabt" -- so hat mir dieses
immer etwas den Künstler Verdächtigendes, als wollte er sich die besondre
Gunst des Kritikers damit erwerben. Aendern Sie also, wenn Sie schon über
unser Concert berichtet, kein Wort von Ihrer Ansicht -- werfen aber jetzt
einen theilnehmenden Blick in mein Werk; von manchen Schmerzen und
Freuden wird es Ihnen erzählen, auch sonst vielleicht in seinem musikalischen
Gefüge hier und da nicht ohne Interesse sein -- und schreiben mir dann
privatim ein Wort -- so danke ich Ihnen, dem älteren und erfahreneren
Künstler von Herzen.

Leider reise ich schon morgen um 10 Uhr ab -- ist es Ihnen bis dahin
möglich, die Symphonie durchzulesen? Wo nicht, so theile ich Ihnen später
das Manuscript vielleicht noch einmal mit.


Noch einige ungedruckte Briefe von Robert Schumann

2

Verehrtester Freund,

Vielen Dank für Ihre Einladung und meine besten Glückwünsche zugleich
zum neuen Wirkungskreise. Leider muß ich vor der Hand noch gänzlich feiern
mit allem Arbeiten; ein böses Nervenleiden, das nicht wanken und weichen
will, verbietet mir jede größere Anstrengung. Viel hoffe ich vom Seebad, in
das ich nächstens zu reisen gedenke. Vielleicht, daß dann die alten Kräfte
wieder kommen und ich von Zeit zu Zeit auch einmal mitsprechen kann.
Gegen Manches wäre loszuwettern. Kunst und Modegeist, Meister und Gesell
werden in der musikalischen Kritik noch viel zu wenig geschieden. Doch das
sind Julina, über die vielleicht bald einmal mündlich.

Einstweilen seien Sie freundlich gegrüßt als Vorkämpfer für die gute
Sache der Musik und halten Sich meiner herzlichsten Teilnahme versichert.


Ihrfreundschaftlich ergebener
R. Schumann.

den 4^°" Juli 1846.

Herrn Professor Lobe
Redakteur der allgemeinen musikalischen Zeitung
in Leipzig.


3

Verehrter Freund,

Es ist mir erst heute eingefallen, daß Sie meine neulich im Flug und
in etwas Concertaufregung gesprochenen Worte etwa mißdeuten könnten. Ich
sende Ihnen daher die Partitur, aber nicht dem Redakteur, sondern dem
Musiker, dem befreundeten Kunstgenossen. Mißdeuten Sie auch dieses nicht!
Aber lese ich in kritischen Journalen redactionelle Erklärungen, wie „der Ver¬
fasser hat die Partitur uns mitzuteilen die Güte gehabt" — so hat mir dieses
immer etwas den Künstler Verdächtigendes, als wollte er sich die besondre
Gunst des Kritikers damit erwerben. Aendern Sie also, wenn Sie schon über
unser Concert berichtet, kein Wort von Ihrer Ansicht — werfen aber jetzt
einen theilnehmenden Blick in mein Werk; von manchen Schmerzen und
Freuden wird es Ihnen erzählen, auch sonst vielleicht in seinem musikalischen
Gefüge hier und da nicht ohne Interesse sein — und schreiben mir dann
privatim ein Wort — so danke ich Ihnen, dem älteren und erfahreneren
Künstler von Herzen.

Leider reise ich schon morgen um 10 Uhr ab — ist es Ihnen bis dahin
möglich, die Symphonie durchzulesen? Wo nicht, so theile ich Ihnen später
das Manuscript vielleicht noch einmal mit.


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[0158] Noch einige ungedruckte Briefe von Robert Schumann 2 Verehrtester Freund, Vielen Dank für Ihre Einladung und meine besten Glückwünsche zugleich zum neuen Wirkungskreise. Leider muß ich vor der Hand noch gänzlich feiern mit allem Arbeiten; ein böses Nervenleiden, das nicht wanken und weichen will, verbietet mir jede größere Anstrengung. Viel hoffe ich vom Seebad, in das ich nächstens zu reisen gedenke. Vielleicht, daß dann die alten Kräfte wieder kommen und ich von Zeit zu Zeit auch einmal mitsprechen kann. Gegen Manches wäre loszuwettern. Kunst und Modegeist, Meister und Gesell werden in der musikalischen Kritik noch viel zu wenig geschieden. Doch das sind Julina, über die vielleicht bald einmal mündlich. Einstweilen seien Sie freundlich gegrüßt als Vorkämpfer für die gute Sache der Musik und halten Sich meiner herzlichsten Teilnahme versichert. Ihrfreundschaftlich ergebener R. Schumann. den 4^°" Juli 1846. Herrn Professor Lobe Redakteur der allgemeinen musikalischen Zeitung in Leipzig. 3 Verehrter Freund, Es ist mir erst heute eingefallen, daß Sie meine neulich im Flug und in etwas Concertaufregung gesprochenen Worte etwa mißdeuten könnten. Ich sende Ihnen daher die Partitur, aber nicht dem Redakteur, sondern dem Musiker, dem befreundeten Kunstgenossen. Mißdeuten Sie auch dieses nicht! Aber lese ich in kritischen Journalen redactionelle Erklärungen, wie „der Ver¬ fasser hat die Partitur uns mitzuteilen die Güte gehabt" — so hat mir dieses immer etwas den Künstler Verdächtigendes, als wollte er sich die besondre Gunst des Kritikers damit erwerben. Aendern Sie also, wenn Sie schon über unser Concert berichtet, kein Wort von Ihrer Ansicht — werfen aber jetzt einen theilnehmenden Blick in mein Werk; von manchen Schmerzen und Freuden wird es Ihnen erzählen, auch sonst vielleicht in seinem musikalischen Gefüge hier und da nicht ohne Interesse sein — und schreiben mir dann privatim ein Wort — so danke ich Ihnen, dem älteren und erfahreneren Künstler von Herzen. Leider reise ich schon morgen um 10 Uhr ab — ist es Ihnen bis dahin möglich, die Symphonie durchzulesen? Wo nicht, so theile ich Ihnen später das Manuscript vielleicht noch einmal mit.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_228947/158>, abgerufen am 01.05.2024.