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Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Erstes Vierteljahr.

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Die deutsche Geldreform
(Schluß)

is man gleich nach der Gründung des Reichs notgedrungen an
die Ordnung des Geldwesens ging, erschien zunächst die Be¬
seitigung oder Einschränkung und Regelung des Papiernmlaufs
den meisten als ein die Münzfrage nicht unmittelbar berührender
Zweig der Bankgesetzgebung. Erst allmählich brach sich die Er¬
kenntnis Bahn, daß die Notenbanken nicht bloß zur Befriedigung privater
Kreditbedürfinsse dienten, daß eine Zentralbank notwendig sei, die den gesamten
Geldverkehr und die Beziehungen des inländischen Geldumlaufs zum aus¬
ländischen zu überwachen und zu regeln habe, und daß diese Zentralbank gerade
bei der geplanten Neuordnung des Geldwesens wichtige Aufgaben zu erfüllen
haben werde. Man faßte also vorläufig das Ziel der deutschen Münzeinheit
ohne Rücksicht auf das Bankwesen ins Auge. Vorgearbeitet hatten namentlich
der Kongreß deutscher Volkswirte und der deutsche Handelstag, die, von
Soetbeer belehrt, die englische Goldwähruugstheorie angenommen hatten. In
England hatte zuerst Locke erkannt, daß es nur einen Wertmesser geben könne,
Doppelwährung also unmöglich sei, und Lord Liverpool hatte dann weiter
als Ergebnis der Erfahrung den Satz aufgestellt, daß die Völker bei fort¬
schreitender Kultur vom weniger wertvollen zum wertvollern Münzmetall über¬
gehn. Dieser Satz bedarf freilich, wie Helfferich bemerkt, der Korrektur, da
gerade die ältesten Münzen Goldmünzen sind. Aber abgesehen von dieser
allerültesten Zeit, wo das Geld noch weit mehr bloß Ware als wirkliches Geld
war, ist man in der That bei fortschreitender Kultur immer von wohlfeilern
zu teurem Münzmetallen übergegangen, und ein solcher Übergang findet heute
noch statt. Der volkswirtschaftliche Kongreß hat von 1359 an, der deutsche
Handelstag von seiner Begründung im Jahre 1861 an die Münzfrage auf die
Tagesordnung gesetzt. Beide sprachen sich für die Goldwährung aus, erklärten
aber die Münzeinheit für das nächste und dringendste. Bei der Frage nach
der zu wählenden Münzeinheit hatte der Drittelthaler, die Mark, die Mehrheit
für sich, obwohl die Süddeutschen eifrig den Gulden, deu Zweidrittelthaler,
empfahlen, nur des Namens wegen, denn der süddeutsche Gulden, der in kein
vernünftiges Münzsystem gepaßt hätte, war das ja nicht. Diese nüchternen




Die deutsche Geldreform
(Schluß)

is man gleich nach der Gründung des Reichs notgedrungen an
die Ordnung des Geldwesens ging, erschien zunächst die Be¬
seitigung oder Einschränkung und Regelung des Papiernmlaufs
den meisten als ein die Münzfrage nicht unmittelbar berührender
Zweig der Bankgesetzgebung. Erst allmählich brach sich die Er¬
kenntnis Bahn, daß die Notenbanken nicht bloß zur Befriedigung privater
Kreditbedürfinsse dienten, daß eine Zentralbank notwendig sei, die den gesamten
Geldverkehr und die Beziehungen des inländischen Geldumlaufs zum aus¬
ländischen zu überwachen und zu regeln habe, und daß diese Zentralbank gerade
bei der geplanten Neuordnung des Geldwesens wichtige Aufgaben zu erfüllen
haben werde. Man faßte also vorläufig das Ziel der deutschen Münzeinheit
ohne Rücksicht auf das Bankwesen ins Auge. Vorgearbeitet hatten namentlich
der Kongreß deutscher Volkswirte und der deutsche Handelstag, die, von
Soetbeer belehrt, die englische Goldwähruugstheorie angenommen hatten. In
England hatte zuerst Locke erkannt, daß es nur einen Wertmesser geben könne,
Doppelwährung also unmöglich sei, und Lord Liverpool hatte dann weiter
als Ergebnis der Erfahrung den Satz aufgestellt, daß die Völker bei fort¬
schreitender Kultur vom weniger wertvollen zum wertvollern Münzmetall über¬
gehn. Dieser Satz bedarf freilich, wie Helfferich bemerkt, der Korrektur, da
gerade die ältesten Münzen Goldmünzen sind. Aber abgesehen von dieser
allerültesten Zeit, wo das Geld noch weit mehr bloß Ware als wirkliches Geld
war, ist man in der That bei fortschreitender Kultur immer von wohlfeilern
zu teurem Münzmetallen übergegangen, und ein solcher Übergang findet heute
noch statt. Der volkswirtschaftliche Kongreß hat von 1359 an, der deutsche
Handelstag von seiner Begründung im Jahre 1861 an die Münzfrage auf die
Tagesordnung gesetzt. Beide sprachen sich für die Goldwährung aus, erklärten
aber die Münzeinheit für das nächste und dringendste. Bei der Frage nach
der zu wählenden Münzeinheit hatte der Drittelthaler, die Mark, die Mehrheit
für sich, obwohl die Süddeutschen eifrig den Gulden, deu Zweidrittelthaler,
empfahlen, nur des Namens wegen, denn der süddeutsche Gulden, der in kein
vernünftiges Münzsystem gepaßt hätte, war das ja nicht. Diese nüchternen


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[0146] [Abbildung] Die deutsche Geldreform (Schluß) is man gleich nach der Gründung des Reichs notgedrungen an die Ordnung des Geldwesens ging, erschien zunächst die Be¬ seitigung oder Einschränkung und Regelung des Papiernmlaufs den meisten als ein die Münzfrage nicht unmittelbar berührender Zweig der Bankgesetzgebung. Erst allmählich brach sich die Er¬ kenntnis Bahn, daß die Notenbanken nicht bloß zur Befriedigung privater Kreditbedürfinsse dienten, daß eine Zentralbank notwendig sei, die den gesamten Geldverkehr und die Beziehungen des inländischen Geldumlaufs zum aus¬ ländischen zu überwachen und zu regeln habe, und daß diese Zentralbank gerade bei der geplanten Neuordnung des Geldwesens wichtige Aufgaben zu erfüllen haben werde. Man faßte also vorläufig das Ziel der deutschen Münzeinheit ohne Rücksicht auf das Bankwesen ins Auge. Vorgearbeitet hatten namentlich der Kongreß deutscher Volkswirte und der deutsche Handelstag, die, von Soetbeer belehrt, die englische Goldwähruugstheorie angenommen hatten. In England hatte zuerst Locke erkannt, daß es nur einen Wertmesser geben könne, Doppelwährung also unmöglich sei, und Lord Liverpool hatte dann weiter als Ergebnis der Erfahrung den Satz aufgestellt, daß die Völker bei fort¬ schreitender Kultur vom weniger wertvollen zum wertvollern Münzmetall über¬ gehn. Dieser Satz bedarf freilich, wie Helfferich bemerkt, der Korrektur, da gerade die ältesten Münzen Goldmünzen sind. Aber abgesehen von dieser allerültesten Zeit, wo das Geld noch weit mehr bloß Ware als wirkliches Geld war, ist man in der That bei fortschreitender Kultur immer von wohlfeilern zu teurem Münzmetallen übergegangen, und ein solcher Übergang findet heute noch statt. Der volkswirtschaftliche Kongreß hat von 1359 an, der deutsche Handelstag von seiner Begründung im Jahre 1861 an die Münzfrage auf die Tagesordnung gesetzt. Beide sprachen sich für die Goldwährung aus, erklärten aber die Münzeinheit für das nächste und dringendste. Bei der Frage nach der zu wählenden Münzeinheit hatte der Drittelthaler, die Mark, die Mehrheit für sich, obwohl die Süddeutschen eifrig den Gulden, deu Zweidrittelthaler, empfahlen, nur des Namens wegen, denn der süddeutsche Gulden, der in kein vernünftiges Münzsystem gepaßt hätte, war das ja nicht. Diese nüchternen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341869_229685/146>, abgerufen am 06.05.2024.