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Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Erstes Vierteljahr.

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Die Unbeliebtheit der Generalkommissionen

politischen Anschauungen der Beteiligten halten oder vielmehr darüber stehen
müssen. Auch sind sie mit dienstlichen Geschäften so überladen, daß ihnen zur
Beschäftigung mit politischen Treibereien keine Muße bleibt. In einer Zeit,
wo die Pflege der Landwirtschaft die staatliche Fürsorge so sehr in Anspruch
nimmt, ist es wahrhaftig kaum zu begreifen, wie noch so viele Großgrund¬
besitzer die einzige lediglich mit landwirtschaftlichen Dingen beschäftigte Behörde
zum Gegenstande von Angriffen machen können. Das ist umso verwunder¬
licher, als keine neue Einrichtung auf dem Gebiete der Agrarreform eingeführt
wird, ohne daß den Generalkommissionen die Ausführung oder doch eine weit¬
gehende Mitwirkung dabei übertragen wird. Ich erinnere nur an die Renten¬
güter- und die Anerbengutsgesetze. Man muß immer wieder auf die General¬
kommissionen zurückgreifen, weil es eben an andern, auch nur annähernd so
geeigneten Behörden mangelt; und man kann sagen, hätte man die General-
kvmmissionen nicht, so wäre es gerade jetzt zur Durchführung einer gesunden
Agrarpolitik geboten, solche oder ähnliche Behörden zu schaffen. Es ist ein
erfreuliches Zeichen, daß sich diese Überzeugung in neuester Zeit auch in den
Kreisen der mit der Vertretung der Landwirtschaft betraute" Landwirtschasts-
kammern Eingang zu verschaffen anfängt. Das Zusammenwirken einiger öst¬
lichen Generalkommissionen mit den Landwirtschaftskammern läßt nichts zu
wünschen übrig und berechtigt zu der Erwartung, daß die Vorurteile gegen
die Generalkommissionen immer mehr schwinden werden.

Muß man hiernach entschieden gegen die -- allerdings nur vereinzelt --
geforderte Aufhebung oder wesentliche Umgestaltung der Genernlkommissionen
eintreten, so ist doch keineswegs zu verkennen, daß mancherlei Verbesserungen
in ihrer Einrichtung höchst wünschenswert, ja dringlich notwendig sind. Das
Ziel aller Änderungsbestrebungen kann aber nicht in einer Verbinonng mit
andern Staats- oder Selbstverwaltungsbehörden liegen, die zum großen Teil
an einem ganz andern Strange ziehen oder Kirchturmsinteressen verfolgen. Zur
Durchführung einer gesunden Agrarpolitik, besonders zur Leitung der durchaus
gebotnen innern Kolonisation sind unabhängige Behörden nötig, die ihre schweren
Aufgaben uneigennützig nach großen nationalen, volkswirtschaftlichen und sozial¬
politischen Rücksichten zu erfüllen suchen. Solche Behörden können nur da¬
durch geschaffen werden, daß die Einrichtung der Generalkommissionen im
wesentlichen beibehalten und eine geeignete, für die Begründung von Renten-
gütern schon angebahnte Verbindung mit den Laudwirtschaftskammern her¬
gestellt wird.




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Die Unbeliebtheit der Generalkommissionen

politischen Anschauungen der Beteiligten halten oder vielmehr darüber stehen
müssen. Auch sind sie mit dienstlichen Geschäften so überladen, daß ihnen zur
Beschäftigung mit politischen Treibereien keine Muße bleibt. In einer Zeit,
wo die Pflege der Landwirtschaft die staatliche Fürsorge so sehr in Anspruch
nimmt, ist es wahrhaftig kaum zu begreifen, wie noch so viele Großgrund¬
besitzer die einzige lediglich mit landwirtschaftlichen Dingen beschäftigte Behörde
zum Gegenstande von Angriffen machen können. Das ist umso verwunder¬
licher, als keine neue Einrichtung auf dem Gebiete der Agrarreform eingeführt
wird, ohne daß den Generalkommissionen die Ausführung oder doch eine weit¬
gehende Mitwirkung dabei übertragen wird. Ich erinnere nur an die Renten¬
güter- und die Anerbengutsgesetze. Man muß immer wieder auf die General¬
kommissionen zurückgreifen, weil es eben an andern, auch nur annähernd so
geeigneten Behörden mangelt; und man kann sagen, hätte man die General-
kvmmissionen nicht, so wäre es gerade jetzt zur Durchführung einer gesunden
Agrarpolitik geboten, solche oder ähnliche Behörden zu schaffen. Es ist ein
erfreuliches Zeichen, daß sich diese Überzeugung in neuester Zeit auch in den
Kreisen der mit der Vertretung der Landwirtschaft betraute» Landwirtschasts-
kammern Eingang zu verschaffen anfängt. Das Zusammenwirken einiger öst¬
lichen Generalkommissionen mit den Landwirtschaftskammern läßt nichts zu
wünschen übrig und berechtigt zu der Erwartung, daß die Vorurteile gegen
die Generalkommissionen immer mehr schwinden werden.

Muß man hiernach entschieden gegen die — allerdings nur vereinzelt —
geforderte Aufhebung oder wesentliche Umgestaltung der Genernlkommissionen
eintreten, so ist doch keineswegs zu verkennen, daß mancherlei Verbesserungen
in ihrer Einrichtung höchst wünschenswert, ja dringlich notwendig sind. Das
Ziel aller Änderungsbestrebungen kann aber nicht in einer Verbinonng mit
andern Staats- oder Selbstverwaltungsbehörden liegen, die zum großen Teil
an einem ganz andern Strange ziehen oder Kirchturmsinteressen verfolgen. Zur
Durchführung einer gesunden Agrarpolitik, besonders zur Leitung der durchaus
gebotnen innern Kolonisation sind unabhängige Behörden nötig, die ihre schweren
Aufgaben uneigennützig nach großen nationalen, volkswirtschaftlichen und sozial¬
politischen Rücksichten zu erfüllen suchen. Solche Behörden können nur da¬
durch geschaffen werden, daß die Einrichtung der Generalkommissionen im
wesentlichen beibehalten und eine geeignete, für die Begründung von Renten-
gütern schon angebahnte Verbindung mit den Laudwirtschaftskammern her¬
gestellt wird.




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[0145] Die Unbeliebtheit der Generalkommissionen politischen Anschauungen der Beteiligten halten oder vielmehr darüber stehen müssen. Auch sind sie mit dienstlichen Geschäften so überladen, daß ihnen zur Beschäftigung mit politischen Treibereien keine Muße bleibt. In einer Zeit, wo die Pflege der Landwirtschaft die staatliche Fürsorge so sehr in Anspruch nimmt, ist es wahrhaftig kaum zu begreifen, wie noch so viele Großgrund¬ besitzer die einzige lediglich mit landwirtschaftlichen Dingen beschäftigte Behörde zum Gegenstande von Angriffen machen können. Das ist umso verwunder¬ licher, als keine neue Einrichtung auf dem Gebiete der Agrarreform eingeführt wird, ohne daß den Generalkommissionen die Ausführung oder doch eine weit¬ gehende Mitwirkung dabei übertragen wird. Ich erinnere nur an die Renten¬ güter- und die Anerbengutsgesetze. Man muß immer wieder auf die General¬ kommissionen zurückgreifen, weil es eben an andern, auch nur annähernd so geeigneten Behörden mangelt; und man kann sagen, hätte man die General- kvmmissionen nicht, so wäre es gerade jetzt zur Durchführung einer gesunden Agrarpolitik geboten, solche oder ähnliche Behörden zu schaffen. Es ist ein erfreuliches Zeichen, daß sich diese Überzeugung in neuester Zeit auch in den Kreisen der mit der Vertretung der Landwirtschaft betraute» Landwirtschasts- kammern Eingang zu verschaffen anfängt. Das Zusammenwirken einiger öst¬ lichen Generalkommissionen mit den Landwirtschaftskammern läßt nichts zu wünschen übrig und berechtigt zu der Erwartung, daß die Vorurteile gegen die Generalkommissionen immer mehr schwinden werden. Muß man hiernach entschieden gegen die — allerdings nur vereinzelt — geforderte Aufhebung oder wesentliche Umgestaltung der Genernlkommissionen eintreten, so ist doch keineswegs zu verkennen, daß mancherlei Verbesserungen in ihrer Einrichtung höchst wünschenswert, ja dringlich notwendig sind. Das Ziel aller Änderungsbestrebungen kann aber nicht in einer Verbinonng mit andern Staats- oder Selbstverwaltungsbehörden liegen, die zum großen Teil an einem ganz andern Strange ziehen oder Kirchturmsinteressen verfolgen. Zur Durchführung einer gesunden Agrarpolitik, besonders zur Leitung der durchaus gebotnen innern Kolonisation sind unabhängige Behörden nötig, die ihre schweren Aufgaben uneigennützig nach großen nationalen, volkswirtschaftlichen und sozial¬ politischen Rücksichten zu erfüllen suchen. Solche Behörden können nur da¬ durch geschaffen werden, daß die Einrichtung der Generalkommissionen im wesentlichen beibehalten und eine geeignete, für die Begründung von Renten- gütern schon angebahnte Verbindung mit den Laudwirtschaftskammern her¬ gestellt wird. Grenzboten I 18W>«

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341869_229685/145>, abgerufen am 19.05.2024.