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Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Erstes Vierteljahr.

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Die imperialistische Bewegung in England

wurde die Regierung durch den Ausbruch des Krieges mit Deutschland
überhoben.

In Deutschland wurden, wie im Mittelalter, so bis in unser Jahrhundert
hinein Silber- und Goldmünzen neben einander gebraucht, doch herrschte das
Silber vor. Je mehr sich die Münzverhältnisse befestigten, desto deutlicher
zeigte es sich, daß die vermeintliche Parallelwnhrung die reine Silberwührung
war; das Silber gab allein den Wertmaßstab ab, das Gold bekam ein Auf¬
geld nach schwankendem Kurs. Gold blieb in gewissen Verhältnissen, z. B.
bei den Kollegienhonoraren der Mediziner üblich. Natürlich konnte der Gold¬
forderung auch in Silber genügt werden; zehn Thaler in Gold bedeuteten
dann elf Thaler zehn Silbergroschen. Eine Münze aber, deren Wert schwankt,
wird von Leuten, die nicht täglich den Kurszettel lesen, nicht gern genommen;
dem immer stärker werdenden Goldbedarf ließ sich daher auf der Grundlage
der Silberwährung nicht abhelfen. Die im Wiener Münzvertrage beschlossene
Handelsmünze kam nicht in Umlauf. Brauchte man Gold für den inter¬
nationalen Zahlungsausgleich, so war es schwer zu beschaffen, denn die ein¬
heimischen Goldmünzen wurden eingeschmolzen oder ins Ausland verkauft.
Silbergeld kann man wohl bei Goldwährung im Lande behalten -- durch
unterwertige Ausprägung, aber dieses Mittel läßt sich natürlich nicht dazu
verwenden, Goldmünzen bei Silberwährung festzuhalten,*) da ja Gold zu inter¬
nationalen Zahlungen dient, unterwertige Münzen aber im Auslande nicht
angenommen werden.

(Schluß folgt)




Die imperialistische Bewegung in England
Wilhelm Wetz vonin

er bei lungern Aufenthalt in England das wichtigste Hilfsmittel
für die Kenntnis englischer Zustände: Zeitungen, Wochen- und
Monatsschriften fleißig benutzt, wird bald mit einer gewissen
Verwunderung eine Eigentümlichkeit des Sprachgebrauchs wahr¬
nehmen. In zahlreichen Blättern wird der deutsche Kaiser nur
rd<z Xg-issr, der russische ?1is ?sar genannt, während für den alten Kaiser



Nicht um Festhaltung der individuellen Münzen handelt es sich, sondern um Auf¬
rechterhaltung des Goldbestandes, um einen Zustand, wo das ausströmende Gold durch ein¬
strömendes ersetzt wird, um eine internationale Zirkulation, bei der dem Lande sein Goldschatz
erhalten bleibt.
Die imperialistische Bewegung in England

wurde die Regierung durch den Ausbruch des Krieges mit Deutschland
überhoben.

In Deutschland wurden, wie im Mittelalter, so bis in unser Jahrhundert
hinein Silber- und Goldmünzen neben einander gebraucht, doch herrschte das
Silber vor. Je mehr sich die Münzverhältnisse befestigten, desto deutlicher
zeigte es sich, daß die vermeintliche Parallelwnhrung die reine Silberwührung
war; das Silber gab allein den Wertmaßstab ab, das Gold bekam ein Auf¬
geld nach schwankendem Kurs. Gold blieb in gewissen Verhältnissen, z. B.
bei den Kollegienhonoraren der Mediziner üblich. Natürlich konnte der Gold¬
forderung auch in Silber genügt werden; zehn Thaler in Gold bedeuteten
dann elf Thaler zehn Silbergroschen. Eine Münze aber, deren Wert schwankt,
wird von Leuten, die nicht täglich den Kurszettel lesen, nicht gern genommen;
dem immer stärker werdenden Goldbedarf ließ sich daher auf der Grundlage
der Silberwährung nicht abhelfen. Die im Wiener Münzvertrage beschlossene
Handelsmünze kam nicht in Umlauf. Brauchte man Gold für den inter¬
nationalen Zahlungsausgleich, so war es schwer zu beschaffen, denn die ein¬
heimischen Goldmünzen wurden eingeschmolzen oder ins Ausland verkauft.
Silbergeld kann man wohl bei Goldwährung im Lande behalten — durch
unterwertige Ausprägung, aber dieses Mittel läßt sich natürlich nicht dazu
verwenden, Goldmünzen bei Silberwährung festzuhalten,*) da ja Gold zu inter¬
nationalen Zahlungen dient, unterwertige Münzen aber im Auslande nicht
angenommen werden.

(Schluß folgt)




Die imperialistische Bewegung in England
Wilhelm Wetz vonin

er bei lungern Aufenthalt in England das wichtigste Hilfsmittel
für die Kenntnis englischer Zustände: Zeitungen, Wochen- und
Monatsschriften fleißig benutzt, wird bald mit einer gewissen
Verwunderung eine Eigentümlichkeit des Sprachgebrauchs wahr¬
nehmen. In zahlreichen Blättern wird der deutsche Kaiser nur
rd<z Xg-issr, der russische ?1is ?sar genannt, während für den alten Kaiser



Nicht um Festhaltung der individuellen Münzen handelt es sich, sondern um Auf¬
rechterhaltung des Goldbestandes, um einen Zustand, wo das ausströmende Gold durch ein¬
strömendes ersetzt wird, um eine internationale Zirkulation, bei der dem Lande sein Goldschatz
erhalten bleibt.
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[0022] Die imperialistische Bewegung in England wurde die Regierung durch den Ausbruch des Krieges mit Deutschland überhoben. In Deutschland wurden, wie im Mittelalter, so bis in unser Jahrhundert hinein Silber- und Goldmünzen neben einander gebraucht, doch herrschte das Silber vor. Je mehr sich die Münzverhältnisse befestigten, desto deutlicher zeigte es sich, daß die vermeintliche Parallelwnhrung die reine Silberwührung war; das Silber gab allein den Wertmaßstab ab, das Gold bekam ein Auf¬ geld nach schwankendem Kurs. Gold blieb in gewissen Verhältnissen, z. B. bei den Kollegienhonoraren der Mediziner üblich. Natürlich konnte der Gold¬ forderung auch in Silber genügt werden; zehn Thaler in Gold bedeuteten dann elf Thaler zehn Silbergroschen. Eine Münze aber, deren Wert schwankt, wird von Leuten, die nicht täglich den Kurszettel lesen, nicht gern genommen; dem immer stärker werdenden Goldbedarf ließ sich daher auf der Grundlage der Silberwährung nicht abhelfen. Die im Wiener Münzvertrage beschlossene Handelsmünze kam nicht in Umlauf. Brauchte man Gold für den inter¬ nationalen Zahlungsausgleich, so war es schwer zu beschaffen, denn die ein¬ heimischen Goldmünzen wurden eingeschmolzen oder ins Ausland verkauft. Silbergeld kann man wohl bei Goldwährung im Lande behalten — durch unterwertige Ausprägung, aber dieses Mittel läßt sich natürlich nicht dazu verwenden, Goldmünzen bei Silberwährung festzuhalten,*) da ja Gold zu inter¬ nationalen Zahlungen dient, unterwertige Münzen aber im Auslande nicht angenommen werden. (Schluß folgt) Die imperialistische Bewegung in England Wilhelm Wetz vonin er bei lungern Aufenthalt in England das wichtigste Hilfsmittel für die Kenntnis englischer Zustände: Zeitungen, Wochen- und Monatsschriften fleißig benutzt, wird bald mit einer gewissen Verwunderung eine Eigentümlichkeit des Sprachgebrauchs wahr¬ nehmen. In zahlreichen Blättern wird der deutsche Kaiser nur rd<z Xg-issr, der russische ?1is ?sar genannt, während für den alten Kaiser Nicht um Festhaltung der individuellen Münzen handelt es sich, sondern um Auf¬ rechterhaltung des Goldbestandes, um einen Zustand, wo das ausströmende Gold durch ein¬ strömendes ersetzt wird, um eine internationale Zirkulation, bei der dem Lande sein Goldschatz erhalten bleibt.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341869_229685/22>, abgerufen am 06.05.2024.