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Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Erstes Vierteljahr.

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Die deutsche Geldreform

Währung eingeschmolzen, der Silberumlauf wurde für die Bedürfnisse des
Verkehrs, wie anderthalb Jahrhunderte zuvor in England, zu knapp, und die
Silbermünzen wurden mit Aufgeld gegeben und genommen. Es gelang also
dem bimetallistischen System in Frankreich und den Vereinigten Staaten so
wenig wie vorher in England, einen ausreichenden Silberumlauf zu sichern
und die Gleichwertigkeit der Gold- und Silbermünzen aufrecht zu erhalten."
Als der steigende Goldbedarf die Geschäftswelt mehr und mehr dem Golde
geneigt machte,*) stieß sie auf den mächtigen Widerstand der Bank von Frank¬
reich. Durch die gesetzliche Doppelwährung berechtigt, ihre Noten mit Silber
einzulösen, konnte sie sich von solchen, die durchaus Gold wollten, eine Prämie
zahlen lassen, zog also Gewinn aus der Doppelwährung; unterstützt wurde
sie durch das ebenfalls silberfreundliche Haus Rothschild. Natürlich, bemerkt
Helfferich, wurde diese Prämienpolitik nur dadurch ermöglicht, daß Frankreich
die einzige bimetallistische und zugleich geldreiche Macht war. Wäre der Bi¬
metallismus die Weltwährung, würden also überall in der Welt beide Metalle
gleich gewertet, so würde eben kein Metall vor dem andern bevorzugt, und es
würde keine Nachfrage bestehen, die bereit wäre, für das bevorzugte eine
Prämie zu zahlen. Die 1865 abgeschlossene lateinische Münzkonvention regte
den Gedanken einer Weltmünzeinigung an, und dieser wurde bei Gelegenheit
der Pariser Weltausstellung 1867 auf einer internationalen Münzkonferenz
erörtert, deren einziges Ergebnis war, daß sich die Vertreter der zwanzig
Regierungen, die die Konferenz beschickt hatten, über die Währungsfrage aus-
sprachen. Alle Staaten mit einziger Ausnahme der Niederlande erkannten an,
daß, wenn eine Weltmünzeinheit zustande kommen solle, sie weder auf der
Grundlage der Silberwährung noch auf der der Doppelwährung, sondern nur
auf der Grundlage der reinen Goldwährung erreicht werden könne. "Wenn
nun die Bestrebungen nach einer Münzeinheit sich als unerreichbar heraus¬
stellten, so konnte darin kein Grund liegen, auch die Bemühungen um eine
Währungsgleichheit zwischen den handelspolitisch wichtigsten Staaten auszu¬
geben; für Deutschland insbesondre wurden damit diese Bemühungen nur auf
ihre ursprüngliche Begrenzung zurückgeführt. Die Währungsgleichheit verhielt
sich eben zur Münzeinheit nicht wie das Mittel zum Zweck, fondern wie die
teilweise Erreichung zur gänzlichen Erfüllung des Zwecks. Und das Votum
der Pariser Konferenz, daß die Münzeinheit nur auf Grundlage der Gold¬
währung erreichbar sei, besagte gleichzeitig, daß auch eine Währnngsgleichheit
für die wichtigsten Handelsvölker nur auf Grundlage der Goldwährung gedacht
werden könne." In Frankreich drängten die Handelskammern und die General-
steuereinnehmer mehr und mehr auf Einführung der Goldwährung; der Ver¬
legenheit, zwischen ihnen und der Bank von Frankreich entscheiden zu sollen,



Man muß vor vor Münzreform bei Zahlungsterminen, z, B, infolge einer Sub-
hastation, gesehen bilden, wie die Leute an ihren Geldsäcke" zu schleppen hatten, um zu be
greifen, wie lebhaft sich damals die Geschäftswelt nach Gold sehnte,
Die deutsche Geldreform

Währung eingeschmolzen, der Silberumlauf wurde für die Bedürfnisse des
Verkehrs, wie anderthalb Jahrhunderte zuvor in England, zu knapp, und die
Silbermünzen wurden mit Aufgeld gegeben und genommen. Es gelang also
dem bimetallistischen System in Frankreich und den Vereinigten Staaten so
wenig wie vorher in England, einen ausreichenden Silberumlauf zu sichern
und die Gleichwertigkeit der Gold- und Silbermünzen aufrecht zu erhalten."
Als der steigende Goldbedarf die Geschäftswelt mehr und mehr dem Golde
geneigt machte,*) stieß sie auf den mächtigen Widerstand der Bank von Frank¬
reich. Durch die gesetzliche Doppelwährung berechtigt, ihre Noten mit Silber
einzulösen, konnte sie sich von solchen, die durchaus Gold wollten, eine Prämie
zahlen lassen, zog also Gewinn aus der Doppelwährung; unterstützt wurde
sie durch das ebenfalls silberfreundliche Haus Rothschild. Natürlich, bemerkt
Helfferich, wurde diese Prämienpolitik nur dadurch ermöglicht, daß Frankreich
die einzige bimetallistische und zugleich geldreiche Macht war. Wäre der Bi¬
metallismus die Weltwährung, würden also überall in der Welt beide Metalle
gleich gewertet, so würde eben kein Metall vor dem andern bevorzugt, und es
würde keine Nachfrage bestehen, die bereit wäre, für das bevorzugte eine
Prämie zu zahlen. Die 1865 abgeschlossene lateinische Münzkonvention regte
den Gedanken einer Weltmünzeinigung an, und dieser wurde bei Gelegenheit
der Pariser Weltausstellung 1867 auf einer internationalen Münzkonferenz
erörtert, deren einziges Ergebnis war, daß sich die Vertreter der zwanzig
Regierungen, die die Konferenz beschickt hatten, über die Währungsfrage aus-
sprachen. Alle Staaten mit einziger Ausnahme der Niederlande erkannten an,
daß, wenn eine Weltmünzeinheit zustande kommen solle, sie weder auf der
Grundlage der Silberwährung noch auf der der Doppelwährung, sondern nur
auf der Grundlage der reinen Goldwährung erreicht werden könne. „Wenn
nun die Bestrebungen nach einer Münzeinheit sich als unerreichbar heraus¬
stellten, so konnte darin kein Grund liegen, auch die Bemühungen um eine
Währungsgleichheit zwischen den handelspolitisch wichtigsten Staaten auszu¬
geben; für Deutschland insbesondre wurden damit diese Bemühungen nur auf
ihre ursprüngliche Begrenzung zurückgeführt. Die Währungsgleichheit verhielt
sich eben zur Münzeinheit nicht wie das Mittel zum Zweck, fondern wie die
teilweise Erreichung zur gänzlichen Erfüllung des Zwecks. Und das Votum
der Pariser Konferenz, daß die Münzeinheit nur auf Grundlage der Gold¬
währung erreichbar sei, besagte gleichzeitig, daß auch eine Währnngsgleichheit
für die wichtigsten Handelsvölker nur auf Grundlage der Goldwährung gedacht
werden könne." In Frankreich drängten die Handelskammern und die General-
steuereinnehmer mehr und mehr auf Einführung der Goldwährung; der Ver¬
legenheit, zwischen ihnen und der Bank von Frankreich entscheiden zu sollen,



Man muß vor vor Münzreform bei Zahlungsterminen, z, B, infolge einer Sub-
hastation, gesehen bilden, wie die Leute an ihren Geldsäcke» zu schleppen hatten, um zu be
greifen, wie lebhaft sich damals die Geschäftswelt nach Gold sehnte,
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[0021] Die deutsche Geldreform Währung eingeschmolzen, der Silberumlauf wurde für die Bedürfnisse des Verkehrs, wie anderthalb Jahrhunderte zuvor in England, zu knapp, und die Silbermünzen wurden mit Aufgeld gegeben und genommen. Es gelang also dem bimetallistischen System in Frankreich und den Vereinigten Staaten so wenig wie vorher in England, einen ausreichenden Silberumlauf zu sichern und die Gleichwertigkeit der Gold- und Silbermünzen aufrecht zu erhalten." Als der steigende Goldbedarf die Geschäftswelt mehr und mehr dem Golde geneigt machte,*) stieß sie auf den mächtigen Widerstand der Bank von Frank¬ reich. Durch die gesetzliche Doppelwährung berechtigt, ihre Noten mit Silber einzulösen, konnte sie sich von solchen, die durchaus Gold wollten, eine Prämie zahlen lassen, zog also Gewinn aus der Doppelwährung; unterstützt wurde sie durch das ebenfalls silberfreundliche Haus Rothschild. Natürlich, bemerkt Helfferich, wurde diese Prämienpolitik nur dadurch ermöglicht, daß Frankreich die einzige bimetallistische und zugleich geldreiche Macht war. Wäre der Bi¬ metallismus die Weltwährung, würden also überall in der Welt beide Metalle gleich gewertet, so würde eben kein Metall vor dem andern bevorzugt, und es würde keine Nachfrage bestehen, die bereit wäre, für das bevorzugte eine Prämie zu zahlen. Die 1865 abgeschlossene lateinische Münzkonvention regte den Gedanken einer Weltmünzeinigung an, und dieser wurde bei Gelegenheit der Pariser Weltausstellung 1867 auf einer internationalen Münzkonferenz erörtert, deren einziges Ergebnis war, daß sich die Vertreter der zwanzig Regierungen, die die Konferenz beschickt hatten, über die Währungsfrage aus- sprachen. Alle Staaten mit einziger Ausnahme der Niederlande erkannten an, daß, wenn eine Weltmünzeinheit zustande kommen solle, sie weder auf der Grundlage der Silberwährung noch auf der der Doppelwährung, sondern nur auf der Grundlage der reinen Goldwährung erreicht werden könne. „Wenn nun die Bestrebungen nach einer Münzeinheit sich als unerreichbar heraus¬ stellten, so konnte darin kein Grund liegen, auch die Bemühungen um eine Währungsgleichheit zwischen den handelspolitisch wichtigsten Staaten auszu¬ geben; für Deutschland insbesondre wurden damit diese Bemühungen nur auf ihre ursprüngliche Begrenzung zurückgeführt. Die Währungsgleichheit verhielt sich eben zur Münzeinheit nicht wie das Mittel zum Zweck, fondern wie die teilweise Erreichung zur gänzlichen Erfüllung des Zwecks. Und das Votum der Pariser Konferenz, daß die Münzeinheit nur auf Grundlage der Gold¬ währung erreichbar sei, besagte gleichzeitig, daß auch eine Währnngsgleichheit für die wichtigsten Handelsvölker nur auf Grundlage der Goldwährung gedacht werden könne." In Frankreich drängten die Handelskammern und die General- steuereinnehmer mehr und mehr auf Einführung der Goldwährung; der Ver¬ legenheit, zwischen ihnen und der Bank von Frankreich entscheiden zu sollen, Man muß vor vor Münzreform bei Zahlungsterminen, z, B, infolge einer Sub- hastation, gesehen bilden, wie die Leute an ihren Geldsäcke» zu schleppen hatten, um zu be greifen, wie lebhaft sich damals die Geschäftswelt nach Gold sehnte,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341869_229685/21>, abgerufen am 19.05.2024.