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Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Erstes Vierteljahr.

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Einige Bedenken über die Politik der konservativen Partei

machte. Ich besitze aber einen Brief von ihm, worin es heißt: "Soeben bin
ich im Begriff, eiligst nach Varzin abzureisen, nachdem man mir gemeldet hat,
daß dort eine große Kiste Briefe gefunden worden ist." Aus alledem geht
hervor, daß Lothar Buchers Verdienst um das Zustandekommen des Bis-
marckschen Werkes nicht gering ist; ja man darf sagen, daß es ohne ihn über¬
haupt nicht möglich gewesen sein würde!*)

Der wichtigste Teil, der die Zeit vom Regierungsantritt des jetzigen
Kaisers bis zur Entlassung des Fürsten behandelt, wurde zuerst bearbeitet
und war schon im Herbst 1891 mit 1800 engbeschriebnen Bogen vollständig
druckreif. Bucher nannte mir gegenüber diese Arbeit "ein streng historisches,
in sich abgeschlossenes Werk," das die Geschichte jener zwei denkwürdigen Jahre
ausführlich behandelt. Er war nicht ohne Sorge über ihr Schicksal und
sprach wiederholt die Befürchtung aus, daß sich möglicherweise Einflüsse gegen
die Veröffentlichung geltend machen könnten, und dann würden ihm seine
letzten Lebensjahre leid thun, die er geopfert hätte. Weniger Bedeutung legte
er den jetzt schon erschienenen Erinnerungen bei; noch einige Wochen vor seinem
Tode erzählte er mir, daß die zuletzt in Angriff genommene Arbeit nur aus
lose aneinander gereihten und im Plauderton geschriebnen Kapiteln bestünde.
Ohne diese ganz vollenden zu können, hatte er im Frühjahr 1892 Fnedrichsruh
für immer verlassen, nachdem infolge übermäßiger Anstrengung in seinem
Zustand eine bedenkliche Wendung eingetreten war. Fürst Bismarck sagte
mir später einmal, mit Thränen im Auge: "Bucher macht es wie das Edel¬
wild, als er den Tod kommen fühlte, sonderte er sich ab vom Rudel."

(Schluß folgt)




Einige Bedenken über die Politik der konservativen
Partei im preußischen Landtage

er deutsche Reichstag und der preußische Landtag sind fast gleich¬
zeitig in neue Legislaturperioden eingetreten. Als seiner Zeit die
Reichstagswahlen und die Wahlen zum preußischen Abgeordneten¬
hause vor der Thür standen, wurden verschiednen Parteien von
verschiedenster Seite Wahlniederlagen oder doch wesentliche Ver¬
ringerung ihrer Mitglieder prophezeit. Beide gesetzgebende Körperschaften sind



") Über diese Angelegenheiten berichten auch die in kurzem erscheinenden Tagebuch¬
blätter von Moritz Busch-
Einige Bedenken über die Politik der konservativen Partei

machte. Ich besitze aber einen Brief von ihm, worin es heißt: „Soeben bin
ich im Begriff, eiligst nach Varzin abzureisen, nachdem man mir gemeldet hat,
daß dort eine große Kiste Briefe gefunden worden ist." Aus alledem geht
hervor, daß Lothar Buchers Verdienst um das Zustandekommen des Bis-
marckschen Werkes nicht gering ist; ja man darf sagen, daß es ohne ihn über¬
haupt nicht möglich gewesen sein würde!*)

Der wichtigste Teil, der die Zeit vom Regierungsantritt des jetzigen
Kaisers bis zur Entlassung des Fürsten behandelt, wurde zuerst bearbeitet
und war schon im Herbst 1891 mit 1800 engbeschriebnen Bogen vollständig
druckreif. Bucher nannte mir gegenüber diese Arbeit „ein streng historisches,
in sich abgeschlossenes Werk," das die Geschichte jener zwei denkwürdigen Jahre
ausführlich behandelt. Er war nicht ohne Sorge über ihr Schicksal und
sprach wiederholt die Befürchtung aus, daß sich möglicherweise Einflüsse gegen
die Veröffentlichung geltend machen könnten, und dann würden ihm seine
letzten Lebensjahre leid thun, die er geopfert hätte. Weniger Bedeutung legte
er den jetzt schon erschienenen Erinnerungen bei; noch einige Wochen vor seinem
Tode erzählte er mir, daß die zuletzt in Angriff genommene Arbeit nur aus
lose aneinander gereihten und im Plauderton geschriebnen Kapiteln bestünde.
Ohne diese ganz vollenden zu können, hatte er im Frühjahr 1892 Fnedrichsruh
für immer verlassen, nachdem infolge übermäßiger Anstrengung in seinem
Zustand eine bedenkliche Wendung eingetreten war. Fürst Bismarck sagte
mir später einmal, mit Thränen im Auge: „Bucher macht es wie das Edel¬
wild, als er den Tod kommen fühlte, sonderte er sich ab vom Rudel."

(Schluß folgt)




Einige Bedenken über die Politik der konservativen
Partei im preußischen Landtage

er deutsche Reichstag und der preußische Landtag sind fast gleich¬
zeitig in neue Legislaturperioden eingetreten. Als seiner Zeit die
Reichstagswahlen und die Wahlen zum preußischen Abgeordneten¬
hause vor der Thür standen, wurden verschiednen Parteien von
verschiedenster Seite Wahlniederlagen oder doch wesentliche Ver¬
ringerung ihrer Mitglieder prophezeit. Beide gesetzgebende Körperschaften sind



") Über diese Angelegenheiten berichten auch die in kurzem erscheinenden Tagebuch¬
blätter von Moritz Busch-
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[0474] Einige Bedenken über die Politik der konservativen Partei machte. Ich besitze aber einen Brief von ihm, worin es heißt: „Soeben bin ich im Begriff, eiligst nach Varzin abzureisen, nachdem man mir gemeldet hat, daß dort eine große Kiste Briefe gefunden worden ist." Aus alledem geht hervor, daß Lothar Buchers Verdienst um das Zustandekommen des Bis- marckschen Werkes nicht gering ist; ja man darf sagen, daß es ohne ihn über¬ haupt nicht möglich gewesen sein würde!*) Der wichtigste Teil, der die Zeit vom Regierungsantritt des jetzigen Kaisers bis zur Entlassung des Fürsten behandelt, wurde zuerst bearbeitet und war schon im Herbst 1891 mit 1800 engbeschriebnen Bogen vollständig druckreif. Bucher nannte mir gegenüber diese Arbeit „ein streng historisches, in sich abgeschlossenes Werk," das die Geschichte jener zwei denkwürdigen Jahre ausführlich behandelt. Er war nicht ohne Sorge über ihr Schicksal und sprach wiederholt die Befürchtung aus, daß sich möglicherweise Einflüsse gegen die Veröffentlichung geltend machen könnten, und dann würden ihm seine letzten Lebensjahre leid thun, die er geopfert hätte. Weniger Bedeutung legte er den jetzt schon erschienenen Erinnerungen bei; noch einige Wochen vor seinem Tode erzählte er mir, daß die zuletzt in Angriff genommene Arbeit nur aus lose aneinander gereihten und im Plauderton geschriebnen Kapiteln bestünde. Ohne diese ganz vollenden zu können, hatte er im Frühjahr 1892 Fnedrichsruh für immer verlassen, nachdem infolge übermäßiger Anstrengung in seinem Zustand eine bedenkliche Wendung eingetreten war. Fürst Bismarck sagte mir später einmal, mit Thränen im Auge: „Bucher macht es wie das Edel¬ wild, als er den Tod kommen fühlte, sonderte er sich ab vom Rudel." (Schluß folgt) Einige Bedenken über die Politik der konservativen Partei im preußischen Landtage er deutsche Reichstag und der preußische Landtag sind fast gleich¬ zeitig in neue Legislaturperioden eingetreten. Als seiner Zeit die Reichstagswahlen und die Wahlen zum preußischen Abgeordneten¬ hause vor der Thür standen, wurden verschiednen Parteien von verschiedenster Seite Wahlniederlagen oder doch wesentliche Ver¬ ringerung ihrer Mitglieder prophezeit. Beide gesetzgebende Körperschaften sind ") Über diese Angelegenheiten berichten auch die in kurzem erscheinenden Tagebuch¬ blätter von Moritz Busch-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341869_229685/474>, abgerufen am 07.05.2024.