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Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Erstes Vierteljahr.

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Zur Entstehung des deutsch-österreichischen Bündnisses von ^3?9

Was späterhin folgte: die angebliche grausame Niedermachung verwundeter
Derwische auf dem Schlachtfelde, die Plünderung Omdnrmans, das Unterlassen
einer energischen Verfolgung (die 21. Ulanen waren natürlich nicht mehr dazu
in gebrauchen), übergehn wir hier. Desgleichen auch, wie der Erfolg der
Schlacht anfänglich übertrieben dargestellt wurde. Es bedürfte noch ernster
Kämpfe, um Ghedaref und die Gebiete am Blauen Nil vom Feinde zu säubern;
der Kauf hat am Scherkelasee (Kordofan) wieder Leute um sich versammelt,
und des Sirdars Bruder, mit ein paar tausend Manu ausgeschickt, um ihn zu
fangen, ist nicht nur unverrichteter Dinge wieder heimgekommen, sondern der
Kauf ist sogar neuerdings angriffsweise vorgegangen, sodaß wohl ein neuer
Nilfeldzug nötig werden wird. In Faschoda sperrte Marchand den Weißen
Nil, und ohne gewaltige Rüstungen und Kriegsdrohungen Englands wäre
Frankreich nicht von dort fortgegangen. Erst die Überlegenheit der englischen
Kriegsflotte räumte dieses Hindernis aus dem Wege. Was Abessinien in Bezug
auf den obern Nil im Schilde führt, ist noch ungewiß.


Karl von Bruchhäuser


Zur Entstehung des deutsch-österreichischen Bündnisses
von ^8?9

ins der interessantesten Kapitel in Fürst Bismarcks "Gedanken
und Erinnerungen" ist das neunnndzwanzigstc über den "Drei¬
bund" zwischen Deutschland. Österreich und Italien. Es zieht
allerdings wie die meisten Teile des merkwürdigen Buches nur
die Grundlinien der Ereignisse und läßt für Ergänzungen und
Erklärungen reichlich Raum. Solche hat Horst Kohl in seinem soeben er¬
schienenen "Wegweiser durch Bismarcks Gedanken und Erinnerungen" (Leipzig,
Göschen, 1899) geboten; weit umfänglichere und interessantere lassen sich aus
den Schriftstücken gewinnen, die uns die vielangefochtne englische Ausgabe der
Tagebuchblätter von M. Busch im dritten Bande gebracht hat. Diese Stücke
selbst nach den Abschriften der deutschen Originale im vollen Wortlaute zu
veröffentlichen, halten wir uns jetzt noch nicht für berechtigt, aber es kaun
selbstverständlich niemandem verwehrt werden, das, was die englische Über¬
setzung allgemein zugänglich gemacht hat, für die historische Erkenntnis zu ver¬
werten. Wir thun dies umso lieber, je lebendiger uns daraus das Bild
Kaiser Wilhelms I. entgegentritt, in der einfach menschlichen Charaktergröße
des greisen Herrschers wie in der oft beinahe starren Selbständigkeit seines
Willens, die nur zu häufig unterschätzt worden sind und unterschätzt werden.


Zur Entstehung des deutsch-österreichischen Bündnisses von ^3?9

Was späterhin folgte: die angebliche grausame Niedermachung verwundeter
Derwische auf dem Schlachtfelde, die Plünderung Omdnrmans, das Unterlassen
einer energischen Verfolgung (die 21. Ulanen waren natürlich nicht mehr dazu
in gebrauchen), übergehn wir hier. Desgleichen auch, wie der Erfolg der
Schlacht anfänglich übertrieben dargestellt wurde. Es bedürfte noch ernster
Kämpfe, um Ghedaref und die Gebiete am Blauen Nil vom Feinde zu säubern;
der Kauf hat am Scherkelasee (Kordofan) wieder Leute um sich versammelt,
und des Sirdars Bruder, mit ein paar tausend Manu ausgeschickt, um ihn zu
fangen, ist nicht nur unverrichteter Dinge wieder heimgekommen, sondern der
Kauf ist sogar neuerdings angriffsweise vorgegangen, sodaß wohl ein neuer
Nilfeldzug nötig werden wird. In Faschoda sperrte Marchand den Weißen
Nil, und ohne gewaltige Rüstungen und Kriegsdrohungen Englands wäre
Frankreich nicht von dort fortgegangen. Erst die Überlegenheit der englischen
Kriegsflotte räumte dieses Hindernis aus dem Wege. Was Abessinien in Bezug
auf den obern Nil im Schilde führt, ist noch ungewiß.


Karl von Bruchhäuser


Zur Entstehung des deutsch-österreichischen Bündnisses
von ^8?9

ins der interessantesten Kapitel in Fürst Bismarcks „Gedanken
und Erinnerungen" ist das neunnndzwanzigstc über den „Drei¬
bund" zwischen Deutschland. Österreich und Italien. Es zieht
allerdings wie die meisten Teile des merkwürdigen Buches nur
die Grundlinien der Ereignisse und läßt für Ergänzungen und
Erklärungen reichlich Raum. Solche hat Horst Kohl in seinem soeben er¬
schienenen „Wegweiser durch Bismarcks Gedanken und Erinnerungen" (Leipzig,
Göschen, 1899) geboten; weit umfänglichere und interessantere lassen sich aus
den Schriftstücken gewinnen, die uns die vielangefochtne englische Ausgabe der
Tagebuchblätter von M. Busch im dritten Bande gebracht hat. Diese Stücke
selbst nach den Abschriften der deutschen Originale im vollen Wortlaute zu
veröffentlichen, halten wir uns jetzt noch nicht für berechtigt, aber es kaun
selbstverständlich niemandem verwehrt werden, das, was die englische Über¬
setzung allgemein zugänglich gemacht hat, für die historische Erkenntnis zu ver¬
werten. Wir thun dies umso lieber, je lebendiger uns daraus das Bild
Kaiser Wilhelms I. entgegentritt, in der einfach menschlichen Charaktergröße
des greisen Herrschers wie in der oft beinahe starren Selbständigkeit seines
Willens, die nur zu häufig unterschätzt worden sind und unterschätzt werden.


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[0586] Zur Entstehung des deutsch-österreichischen Bündnisses von ^3?9 Was späterhin folgte: die angebliche grausame Niedermachung verwundeter Derwische auf dem Schlachtfelde, die Plünderung Omdnrmans, das Unterlassen einer energischen Verfolgung (die 21. Ulanen waren natürlich nicht mehr dazu in gebrauchen), übergehn wir hier. Desgleichen auch, wie der Erfolg der Schlacht anfänglich übertrieben dargestellt wurde. Es bedürfte noch ernster Kämpfe, um Ghedaref und die Gebiete am Blauen Nil vom Feinde zu säubern; der Kauf hat am Scherkelasee (Kordofan) wieder Leute um sich versammelt, und des Sirdars Bruder, mit ein paar tausend Manu ausgeschickt, um ihn zu fangen, ist nicht nur unverrichteter Dinge wieder heimgekommen, sondern der Kauf ist sogar neuerdings angriffsweise vorgegangen, sodaß wohl ein neuer Nilfeldzug nötig werden wird. In Faschoda sperrte Marchand den Weißen Nil, und ohne gewaltige Rüstungen und Kriegsdrohungen Englands wäre Frankreich nicht von dort fortgegangen. Erst die Überlegenheit der englischen Kriegsflotte räumte dieses Hindernis aus dem Wege. Was Abessinien in Bezug auf den obern Nil im Schilde führt, ist noch ungewiß. Karl von Bruchhäuser Zur Entstehung des deutsch-österreichischen Bündnisses von ^8?9 ins der interessantesten Kapitel in Fürst Bismarcks „Gedanken und Erinnerungen" ist das neunnndzwanzigstc über den „Drei¬ bund" zwischen Deutschland. Österreich und Italien. Es zieht allerdings wie die meisten Teile des merkwürdigen Buches nur die Grundlinien der Ereignisse und läßt für Ergänzungen und Erklärungen reichlich Raum. Solche hat Horst Kohl in seinem soeben er¬ schienenen „Wegweiser durch Bismarcks Gedanken und Erinnerungen" (Leipzig, Göschen, 1899) geboten; weit umfänglichere und interessantere lassen sich aus den Schriftstücken gewinnen, die uns die vielangefochtne englische Ausgabe der Tagebuchblätter von M. Busch im dritten Bande gebracht hat. Diese Stücke selbst nach den Abschriften der deutschen Originale im vollen Wortlaute zu veröffentlichen, halten wir uns jetzt noch nicht für berechtigt, aber es kaun selbstverständlich niemandem verwehrt werden, das, was die englische Über¬ setzung allgemein zugänglich gemacht hat, für die historische Erkenntnis zu ver¬ werten. Wir thun dies umso lieber, je lebendiger uns daraus das Bild Kaiser Wilhelms I. entgegentritt, in der einfach menschlichen Charaktergröße des greisen Herrschers wie in der oft beinahe starren Selbständigkeit seines Willens, die nur zu häufig unterschätzt worden sind und unterschätzt werden.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341869_229685/586>, abgerufen am 06.05.2024.