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Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Erstes Vierteljahr.

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Die Schlacht bei Uhartum

Führung, noch in der Haltung der englischen und ägyptischen Truppen. Das
war kein Kampf mit ebenbürtigen Waffen, sondern nur ein gefechtsmäßiges
Abteilungsschießen nach lebenden Zielen. Wie würden des Gegners Feuer¬
waffen in der englischen Aufstellung, Schulter an Schulter, die ausgeschiednen
Reservekompaguien und die Neservebrignde dicht dahinter, aufgeräumt haben,
wenn sie das Ziel hätten erreichen können. Der ganze Vorgang erinnert leb¬
haft an Deweys leichten Sieg vor Manila. Der englische Erfolg bei Khartum
ist der Triumph der modernen Wasfentechnik über Barbarenhorden und bietet
als solcher nichts überraschendes. Es konnte gar nicht anders kommen. Wenn
irgendwo, dann ist hier der viel mißbrauchte Vers am Platze: "Nicht eine
Schlacht, ein Schlachten wars zu nennen." Das erhellt ohne weiteres aus
den Verlusten auf beiden Seiten: Es verlor die englische Division: 3 Offiziere,
25 Mann als Tote, 11 Offiziere, 136 Mann als Verwundete. Die ägyptische
Division 1 Offizier, 20 Mann tot, 5 englische und 8 eingeborne Offiziere,
1 englischer Unteroffizier und 221 Mann verwundet. Summa Summarum:
431 Kopfe. Dagegen wird der Verlust der Derwische -- ungerechnet ein Paar
tausend Gefangner -- auf mehr als 27000 Mann angegeben, darunter allein
10800 Tote auf dem Schlachtfelde. Das ergiebt für die Engländer 1,8 Prozent
Verlust, für die Derwische dagegen 50 Prozent! Zum Vergleich diene, daß
die deutschen Verluste bei Mars la Tour-Vionville 23,9 Prozent, die Ver¬
luste der Deutschen sowohl wie der Franzosen bei Gravelotte-Se. Privat aber
nur 10,3 Prozent betrugen. Da hatte der Tag am Atbara (8. April) von
den damals nur 13000 Mann starken Anglocigyptern doch schwerere Opfer
gefordert: 507 an Toten und Verwundeten, also 3,8 auf Hundert.

Auf die Verluste bei Omdnrman fällt noch ein besondres Streiflicht,
wenn man die Truppenteile, die nennenswerte Verluste erlitten, vorweg in
Abzug bringt, und zwar die ägyptische Reiterei und das Kamelkorps mit
70, die 21. Laueers mit 71 und die Brigade Macdonald mit 168 Köpfen.
Das sind zusammen 309, sodaß sich für alle übrigen Truppenteile die Verluste
nur auf 122 Köpfe belaufen. Obendrein noch wären auch diese fast ganz ver¬
mieden worden, hätten nicht die Engländer der Zeriba wegen, die selbst¬
verständlich keine Deckung bot, stehend feuern müssen. So boten sie dem
Gegner die ganze Figur als Trefffläche. Das erste Bataillon der Grenadier-
guards, bei der Heimkehr als Sieger von Khartnm überschwänglich gefeiert,
verlor einen Offizier und vier Verwundete; das erste Bataillon Northnmberland-
füsiliere hatte zwei Verwundete, die gesamte Artillerie, die doch dem Gegner die
schwersten Verluste beigebracht hatte, verlor nicht einen Mann! Diese Thatsachen
sprechen Bände und überheben uns der Mühe, noch weiter nachzuweisen, daß
die berühmte Schlacht bei Khartum, was die Anforderungen an die Gefechts¬
kraft der Truppen betrifft, doch nur eine Spielerei war. Billige afrikanische
Lorbeern.


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Die Schlacht bei Uhartum

Führung, noch in der Haltung der englischen und ägyptischen Truppen. Das
war kein Kampf mit ebenbürtigen Waffen, sondern nur ein gefechtsmäßiges
Abteilungsschießen nach lebenden Zielen. Wie würden des Gegners Feuer¬
waffen in der englischen Aufstellung, Schulter an Schulter, die ausgeschiednen
Reservekompaguien und die Neservebrignde dicht dahinter, aufgeräumt haben,
wenn sie das Ziel hätten erreichen können. Der ganze Vorgang erinnert leb¬
haft an Deweys leichten Sieg vor Manila. Der englische Erfolg bei Khartum
ist der Triumph der modernen Wasfentechnik über Barbarenhorden und bietet
als solcher nichts überraschendes. Es konnte gar nicht anders kommen. Wenn
irgendwo, dann ist hier der viel mißbrauchte Vers am Platze: „Nicht eine
Schlacht, ein Schlachten wars zu nennen." Das erhellt ohne weiteres aus
den Verlusten auf beiden Seiten: Es verlor die englische Division: 3 Offiziere,
25 Mann als Tote, 11 Offiziere, 136 Mann als Verwundete. Die ägyptische
Division 1 Offizier, 20 Mann tot, 5 englische und 8 eingeborne Offiziere,
1 englischer Unteroffizier und 221 Mann verwundet. Summa Summarum:
431 Kopfe. Dagegen wird der Verlust der Derwische — ungerechnet ein Paar
tausend Gefangner — auf mehr als 27000 Mann angegeben, darunter allein
10800 Tote auf dem Schlachtfelde. Das ergiebt für die Engländer 1,8 Prozent
Verlust, für die Derwische dagegen 50 Prozent! Zum Vergleich diene, daß
die deutschen Verluste bei Mars la Tour-Vionville 23,9 Prozent, die Ver¬
luste der Deutschen sowohl wie der Franzosen bei Gravelotte-Se. Privat aber
nur 10,3 Prozent betrugen. Da hatte der Tag am Atbara (8. April) von
den damals nur 13000 Mann starken Anglocigyptern doch schwerere Opfer
gefordert: 507 an Toten und Verwundeten, also 3,8 auf Hundert.

Auf die Verluste bei Omdnrman fällt noch ein besondres Streiflicht,
wenn man die Truppenteile, die nennenswerte Verluste erlitten, vorweg in
Abzug bringt, und zwar die ägyptische Reiterei und das Kamelkorps mit
70, die 21. Laueers mit 71 und die Brigade Macdonald mit 168 Köpfen.
Das sind zusammen 309, sodaß sich für alle übrigen Truppenteile die Verluste
nur auf 122 Köpfe belaufen. Obendrein noch wären auch diese fast ganz ver¬
mieden worden, hätten nicht die Engländer der Zeriba wegen, die selbst¬
verständlich keine Deckung bot, stehend feuern müssen. So boten sie dem
Gegner die ganze Figur als Trefffläche. Das erste Bataillon der Grenadier-
guards, bei der Heimkehr als Sieger von Khartnm überschwänglich gefeiert,
verlor einen Offizier und vier Verwundete; das erste Bataillon Northnmberland-
füsiliere hatte zwei Verwundete, die gesamte Artillerie, die doch dem Gegner die
schwersten Verluste beigebracht hatte, verlor nicht einen Mann! Diese Thatsachen
sprechen Bände und überheben uns der Mühe, noch weiter nachzuweisen, daß
die berühmte Schlacht bei Khartum, was die Anforderungen an die Gefechts¬
kraft der Truppen betrifft, doch nur eine Spielerei war. Billige afrikanische
Lorbeern.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341869_229685/585>, abgerufen am 19.05.2024.