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Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Erstes Vierteljahr.

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und Bescheidenheit zu traktieren." Vorsätze, die bekanntlich leichter gefaßt als
durchgeführt sind, wenn das Naturell einmal nach andrer Richtung hinweist. Auch
mein Freund Oppermann mußte noch schwere Erfahrungen bestehn, bevor er lernte,
die kindliche Gutmütigkeit seiner Natur wenigstens soweit zu besiegen, als sie nicht --
unbesieglich war.

Eines aber ward bald nach der italienische" Reise entschieden, deren Nachgcnnß
ihm manches Jahr durch glänzte. Er entschloß sich, seine juristischen Prüfungen
in Sachsen und nicht in Bayern zu bestehen. Sein älterer Bruder Heinrich, der
Theolog, war nach harten innern Kämpfen in die Welt hinausgegangen, und das
Geschick hatte ihn schließlich mit der von England gewordnen deutschen Legion unter
General Stutterheim nach Kaffraria hinausgeführt. An die Schwestern und deren
Kiuder, an den berühmten Schwager, die alle in Dresden lebten, war er jetzt fester
geknüpft, als an die entfernter" Verwandten, die alten Freunde in seiner Familie
in Bayer". U"d das Lebe", wie er es erlernte, den guten Tag rasch erfassend,
vielseitig, immer von geistigen Interessen getragen, immer zum Höher" strebe"d,
ließ sich mich auf dem neue" Heimatboden leben. Er bezog "och einmal die
Leipziger Universität, er bereitete sich dann, während eines längern Aufenthalts
in Dresden, für die Prüfungen vor und bestand sie vortrefflich. Er arbeitete als
Nechtskandidat bei einem Dresdner Anwalt, trat in den juristischen Staatsdienst
und wurde endlich nach etlichen kleinern Verwendungen, die ihn in Dresden
selbst und in der Nähe von Dresden festhielten, als Assessor zum Gerichtsnmt
Zittau versetzt. Als er dort eintraf, sprühte er von Jugend und Leben. Über
die innern Kämpfe, die seinem Entschluß vvraugegauge" Ware", äußerte er sich
selten und ungern, nnr einmal gestand er mir ein, daß er drauf und dran ge¬
wesen sei, durch Vermittlung einer seiner Bekanntschafte" von der italienischen
Reise her als Offizier in ein österreichisches Reiterregiment einzutreten. Jeden¬
falls ahnte er, als er nach der Lausitzer Provinzstadt kam, "icht, daß er damit
die Stätte seiner dauernden Wirksamkeit und seines fernern Lebens betrat.

(Schluß folgt)




Der goldne Engel
Luise Glaß <LrzK'hin"g von
(Fortsetzung)
11

er Hochzeitstag war erfüllt von Sonnenlicht und Rosenduft. Frau
Grunert beklagte das Fehlen jeglichen Wölkchens von wegen dem in
den Kranz regnen, aber das junge Paar einPfand nur wohlig die
Übereinstimmung der Welt draußen mit der Welt in seinein Herzen.

Sie schritte" "eben einander hin dnrch die enge Schmiedehaus¬
flur, schritte" ans der Schnhgasse hinaus, unter den Knstamenschatte"
hinter der Stadtmauer, schritte" die gute dicke Mauer entlang, an der Apotheken¬
seite vorbei, über das obere Marktende hin und i" das weitoffne Thor der alten


Der goldne Lngel

und Bescheidenheit zu traktieren." Vorsätze, die bekanntlich leichter gefaßt als
durchgeführt sind, wenn das Naturell einmal nach andrer Richtung hinweist. Auch
mein Freund Oppermann mußte noch schwere Erfahrungen bestehn, bevor er lernte,
die kindliche Gutmütigkeit seiner Natur wenigstens soweit zu besiegen, als sie nicht —
unbesieglich war.

Eines aber ward bald nach der italienische» Reise entschieden, deren Nachgcnnß
ihm manches Jahr durch glänzte. Er entschloß sich, seine juristischen Prüfungen
in Sachsen und nicht in Bayern zu bestehen. Sein älterer Bruder Heinrich, der
Theolog, war nach harten innern Kämpfen in die Welt hinausgegangen, und das
Geschick hatte ihn schließlich mit der von England gewordnen deutschen Legion unter
General Stutterheim nach Kaffraria hinausgeführt. An die Schwestern und deren
Kiuder, an den berühmten Schwager, die alle in Dresden lebten, war er jetzt fester
geknüpft, als an die entfernter» Verwandten, die alten Freunde in seiner Familie
in Bayer». U»d das Lebe«, wie er es erlernte, den guten Tag rasch erfassend,
vielseitig, immer von geistigen Interessen getragen, immer zum Höher» strebe»d,
ließ sich mich auf dem neue» Heimatboden leben. Er bezog »och einmal die
Leipziger Universität, er bereitete sich dann, während eines längern Aufenthalts
in Dresden, für die Prüfungen vor und bestand sie vortrefflich. Er arbeitete als
Nechtskandidat bei einem Dresdner Anwalt, trat in den juristischen Staatsdienst
und wurde endlich nach etlichen kleinern Verwendungen, die ihn in Dresden
selbst und in der Nähe von Dresden festhielten, als Assessor zum Gerichtsnmt
Zittau versetzt. Als er dort eintraf, sprühte er von Jugend und Leben. Über
die innern Kämpfe, die seinem Entschluß vvraugegauge» Ware», äußerte er sich
selten und ungern, nnr einmal gestand er mir ein, daß er drauf und dran ge¬
wesen sei, durch Vermittlung einer seiner Bekanntschafte» von der italienischen
Reise her als Offizier in ein österreichisches Reiterregiment einzutreten. Jeden¬
falls ahnte er, als er nach der Lausitzer Provinzstadt kam, »icht, daß er damit
die Stätte seiner dauernden Wirksamkeit und seines fernern Lebens betrat.

(Schluß folgt)




Der goldne Engel
Luise Glaß <LrzK'hin»g von
(Fortsetzung)
11

er Hochzeitstag war erfüllt von Sonnenlicht und Rosenduft. Frau
Grunert beklagte das Fehlen jeglichen Wölkchens von wegen dem in
den Kranz regnen, aber das junge Paar einPfand nur wohlig die
Übereinstimmung der Welt draußen mit der Welt in seinein Herzen.

Sie schritte» »eben einander hin dnrch die enge Schmiedehaus¬
flur, schritte» ans der Schnhgasse hinaus, unter den Knstamenschatte»
hinter der Stadtmauer, schritte» die gute dicke Mauer entlang, an der Apotheken¬
seite vorbei, über das obere Marktende hin und i» das weitoffne Thor der alten


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[0675] Der goldne Lngel und Bescheidenheit zu traktieren." Vorsätze, die bekanntlich leichter gefaßt als durchgeführt sind, wenn das Naturell einmal nach andrer Richtung hinweist. Auch mein Freund Oppermann mußte noch schwere Erfahrungen bestehn, bevor er lernte, die kindliche Gutmütigkeit seiner Natur wenigstens soweit zu besiegen, als sie nicht — unbesieglich war. Eines aber ward bald nach der italienische» Reise entschieden, deren Nachgcnnß ihm manches Jahr durch glänzte. Er entschloß sich, seine juristischen Prüfungen in Sachsen und nicht in Bayern zu bestehen. Sein älterer Bruder Heinrich, der Theolog, war nach harten innern Kämpfen in die Welt hinausgegangen, und das Geschick hatte ihn schließlich mit der von England gewordnen deutschen Legion unter General Stutterheim nach Kaffraria hinausgeführt. An die Schwestern und deren Kiuder, an den berühmten Schwager, die alle in Dresden lebten, war er jetzt fester geknüpft, als an die entfernter» Verwandten, die alten Freunde in seiner Familie in Bayer». U»d das Lebe«, wie er es erlernte, den guten Tag rasch erfassend, vielseitig, immer von geistigen Interessen getragen, immer zum Höher» strebe»d, ließ sich mich auf dem neue» Heimatboden leben. Er bezog »och einmal die Leipziger Universität, er bereitete sich dann, während eines längern Aufenthalts in Dresden, für die Prüfungen vor und bestand sie vortrefflich. Er arbeitete als Nechtskandidat bei einem Dresdner Anwalt, trat in den juristischen Staatsdienst und wurde endlich nach etlichen kleinern Verwendungen, die ihn in Dresden selbst und in der Nähe von Dresden festhielten, als Assessor zum Gerichtsnmt Zittau versetzt. Als er dort eintraf, sprühte er von Jugend und Leben. Über die innern Kämpfe, die seinem Entschluß vvraugegauge» Ware», äußerte er sich selten und ungern, nnr einmal gestand er mir ein, daß er drauf und dran ge¬ wesen sei, durch Vermittlung einer seiner Bekanntschafte» von der italienischen Reise her als Offizier in ein österreichisches Reiterregiment einzutreten. Jeden¬ falls ahnte er, als er nach der Lausitzer Provinzstadt kam, »icht, daß er damit die Stätte seiner dauernden Wirksamkeit und seines fernern Lebens betrat. (Schluß folgt) Der goldne Engel Luise Glaß <LrzK'hin»g von (Fortsetzung) 11 er Hochzeitstag war erfüllt von Sonnenlicht und Rosenduft. Frau Grunert beklagte das Fehlen jeglichen Wölkchens von wegen dem in den Kranz regnen, aber das junge Paar einPfand nur wohlig die Übereinstimmung der Welt draußen mit der Welt in seinein Herzen. Sie schritte» »eben einander hin dnrch die enge Schmiedehaus¬ flur, schritte» ans der Schnhgasse hinaus, unter den Knstamenschatte» hinter der Stadtmauer, schritte» die gute dicke Mauer entlang, an der Apotheken¬ seite vorbei, über das obere Marktende hin und i» das weitoffne Thor der alten

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341869_229685/675>, abgerufen am 07.05.2024.