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Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Zweites Vierteljahr.

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Heil, Wieck

Besitzverteilung und den sicher nicht zurückgegcmgnen Betriebsvcrhältnissen in Posen
der Stand von 12,6(i Männern neben der zur Verfügung stehenden, mit der Zahl
5,39 mich nicht annähernd erfaßten Anzahl der Frauen ein noch nicht gerade un¬
günstiger ist. Den niedrigsten Stand an Männern zeigt 1895 Mecklenburg-Strelitz,
aber doch keine Abnahme seit 1832. Dabei ist die Frauenzahl hier ganz klein.
Die zweitniedrigste Männerzahl -- bei minimaler Abnahme -- hat Schleswig-
Holstein, zugleich die niedrigste Frauenzahl, die überhaupt vorkommt. Weit über
dem Durchschnitt Preußens und selbst über dem des Reichs steht dagegen Schlesien
sowohl in Bezug auf die Männer, wie namentlich hinsichtlich der Frauen. Hier
könnten die Zahlen eher auf einen Überfluß als auf einen Mangel an Arbeits¬
kräften schließen lassen. Erst recht würde das natürlich für Rheinland, Württem¬
berg und Baden zu gelten haben, ja auch für Bayern, das mit mehr Männern
und kaum weniger Frauen arbeitet als Schlesien, ferner für Hessen-Nassau und
Hohenzollern mit ihren hohen Männerzahlen.

Aber wir müssen die Zahlen schließlich für sich selbst sprechen lassen. Es
würde hier viel zu weit führen, näher auf die örtlichen Verhältnisse einzugehn und
die Gründe für die Verschiedenheiten weiter zu verfolgen. Wir wollten nur die
Thatsachen, soweit sie die amtliche Statistik erkennen läßt, vor Augen führen; die
Masse von Fragen und Betrachtungen, zu denen sie anregen, liegt außerhalb unsers
/? Rahmens.




Hein Menk Timm Rröger Line Stall- und Scheunengeschichte von
(Fortsetzung)
5

achthimmel.

Über dem Waldgehege stand eine düstre, frostige Wetterwand.
Zersägte Räder, erst von Goldglanz betupft, dann von wachsender
Strnhlengloriole umflossen. Und tapfer arbeitete sich der lachende
Mond heraus und schwamm in dem inselarmen Luftmeer, strahlend,
unternehmend, feist, von Selbstvertrauen gesättigt, er, der nnbestrittne
Held der Nacht. Weltenferne kleine funkelnde Sterne vergrub er in seinem Glänze
und überschüttete das träumende Dorf mit seiner trügerischen Gunst.

Seine gute Laune war gerechtfertigt. Denn damals stand er noch in An¬
sehen, Mvndschcinstimmung rief noch tiefe, falbe Gefühle hervor, der Glaube an
sanfte Mondscheingespenster mit weißen Nebellockeu weckte noch die anheimelnde
wohlthätige Empfindung des Schauders.

Der Wächter und Dachdecker Jasper Wieck war ein Mensch von diesem alten
Stil. Er war zwar nicht von Engeln durchs Leben getragen worden, aber im
Mondschein vergeistigte sich aller Drang und Druck. Wenn es im Mondschein wie
nebelhaftes Gespenstergesindel um Scheunen und Strohdiemen huschte, so halste er
ihm den schwersten Sorgensack auf die schemenhaften Schultern. Dann wandelte
ihn das Gefühl an, als ob Erdenlust und Erdenlast im Grunde nicht der Rede wert


Heil, Wieck

Besitzverteilung und den sicher nicht zurückgegcmgnen Betriebsvcrhältnissen in Posen
der Stand von 12,6(i Männern neben der zur Verfügung stehenden, mit der Zahl
5,39 mich nicht annähernd erfaßten Anzahl der Frauen ein noch nicht gerade un¬
günstiger ist. Den niedrigsten Stand an Männern zeigt 1895 Mecklenburg-Strelitz,
aber doch keine Abnahme seit 1832. Dabei ist die Frauenzahl hier ganz klein.
Die zweitniedrigste Männerzahl — bei minimaler Abnahme — hat Schleswig-
Holstein, zugleich die niedrigste Frauenzahl, die überhaupt vorkommt. Weit über
dem Durchschnitt Preußens und selbst über dem des Reichs steht dagegen Schlesien
sowohl in Bezug auf die Männer, wie namentlich hinsichtlich der Frauen. Hier
könnten die Zahlen eher auf einen Überfluß als auf einen Mangel an Arbeits¬
kräften schließen lassen. Erst recht würde das natürlich für Rheinland, Württem¬
berg und Baden zu gelten haben, ja auch für Bayern, das mit mehr Männern
und kaum weniger Frauen arbeitet als Schlesien, ferner für Hessen-Nassau und
Hohenzollern mit ihren hohen Männerzahlen.

Aber wir müssen die Zahlen schließlich für sich selbst sprechen lassen. Es
würde hier viel zu weit führen, näher auf die örtlichen Verhältnisse einzugehn und
die Gründe für die Verschiedenheiten weiter zu verfolgen. Wir wollten nur die
Thatsachen, soweit sie die amtliche Statistik erkennen läßt, vor Augen führen; die
Masse von Fragen und Betrachtungen, zu denen sie anregen, liegt außerhalb unsers
/? Rahmens.




Hein Menk Timm Rröger Line Stall- und Scheunengeschichte von
(Fortsetzung)
5

achthimmel.

Über dem Waldgehege stand eine düstre, frostige Wetterwand.
Zersägte Räder, erst von Goldglanz betupft, dann von wachsender
Strnhlengloriole umflossen. Und tapfer arbeitete sich der lachende
Mond heraus und schwamm in dem inselarmen Luftmeer, strahlend,
unternehmend, feist, von Selbstvertrauen gesättigt, er, der nnbestrittne
Held der Nacht. Weltenferne kleine funkelnde Sterne vergrub er in seinem Glänze
und überschüttete das träumende Dorf mit seiner trügerischen Gunst.

Seine gute Laune war gerechtfertigt. Denn damals stand er noch in An¬
sehen, Mvndschcinstimmung rief noch tiefe, falbe Gefühle hervor, der Glaube an
sanfte Mondscheingespenster mit weißen Nebellockeu weckte noch die anheimelnde
wohlthätige Empfindung des Schauders.

Der Wächter und Dachdecker Jasper Wieck war ein Mensch von diesem alten
Stil. Er war zwar nicht von Engeln durchs Leben getragen worden, aber im
Mondschein vergeistigte sich aller Drang und Druck. Wenn es im Mondschein wie
nebelhaftes Gespenstergesindel um Scheunen und Strohdiemen huschte, so halste er
ihm den schwersten Sorgensack auf die schemenhaften Schultern. Dann wandelte
ihn das Gefühl an, als ob Erdenlust und Erdenlast im Grunde nicht der Rede wert


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341869_230431/386>, abgerufen am 30.04.2024.