Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Viertes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Dreyfus

noch, wenn der Khalif etwa aufwiese und die Expeditionstruppen ihm folgen
müßten. Die Kosten dürften trotz der Verwendung nur von schwarzen, ver¬
hältnismäßig bedürfnislosen Truppen eine außerordentliche Höhe erreichen.

Ist Kordofan unterworfen, so wird England-Ägypten, aber wahrscheinlich
erst nach Jahresfrist oder noch später, mit Dar Für abzurechnen haben.




Dreyfus

le den Fall Drehfus betreffenden Gerichtsverhandlungen und
sonstigen offiziellen Vorgänge legten es auch den Grenzboten
seit Jahr und Tag nahe, mit einer Meinungsäußerung darüber
hervorzutreten. Aber je weiter die Sache gedieh, um so mehr
mahnten sowohl die erwiesenen Thatsachen wie die beweislos
aufgestellten einander vielfach widersprechenden Behauptungen jeden, dem es
ernsthaft um die Wahrheit zu thun war, zur größten Vorsicht, ja sie zwangen
sogar zum äußersten Mißtrauen nach beiden Seiten. Auch nachdem die Auf¬
hebung des militärgerichtlichen Urteils von 1894 durch den Kassationshof
schwer gegen die Ankläger ins Gewicht gefallen war, war die Sache nichts
weniger als spruchreif. Erst das neue militärgerichtliche Verfahren sollte sie
dazu machen, es sollte und mußte vor Frankreich und der ganzen zivilisierten
Welt den Beweis der Schuld des Angeklagten bringen oder zu seiner Frei¬
sprechung führen.

Das am 9. September verkündete Urteil des Militärgerichts zu Nennes
lautete wörtlich wie folgt:

"Im Namen des französischen Volks! Heute am 9. September 1899
hielt das Kriegsgericht des 10. Armeekorps zu Rennes eine Sitzung mit Aus¬
schluß der Öffentlichkeit. Der Präsident hat folgende Frage gestellt: Ist Haupt¬
mann Alfred Drehfus vom 14. Artillerieregiment, kommandiert zum General¬
stab der Armee, schuldig, im Jahre 1894 Machenschaften angezettelt zu haben,
oder Beziehungen mit einer fremden Macht oder mit einem ihrer Agenten unter¬
halten zu haben, um sie zu veranlassen, Feindseligkeiten zu begehn oder Krieg
gegen Frankreich zu unternehmen, oder um ihr die Mittel dafür zu liefern,
indem er ihr die im Bordereau aufgezählten und im Urteil des Kassations¬
hofs vom 3. Juli 1899 erwähnten Schriftstücke überlieferte?

"Die Stimmen wurden gesondert eingesammelt, indem man beim untersten
Grade und bei dem Dicnstjüngsten jedes Grades begann. Der Präsident hat
seine Stimme als letzter abgegeben.

"Das Kriegsgericht erklärt und zwar mit einer Majorität von fünf gegen


Dreyfus

noch, wenn der Khalif etwa aufwiese und die Expeditionstruppen ihm folgen
müßten. Die Kosten dürften trotz der Verwendung nur von schwarzen, ver¬
hältnismäßig bedürfnislosen Truppen eine außerordentliche Höhe erreichen.

Ist Kordofan unterworfen, so wird England-Ägypten, aber wahrscheinlich
erst nach Jahresfrist oder noch später, mit Dar Für abzurechnen haben.




Dreyfus

le den Fall Drehfus betreffenden Gerichtsverhandlungen und
sonstigen offiziellen Vorgänge legten es auch den Grenzboten
seit Jahr und Tag nahe, mit einer Meinungsäußerung darüber
hervorzutreten. Aber je weiter die Sache gedieh, um so mehr
mahnten sowohl die erwiesenen Thatsachen wie die beweislos
aufgestellten einander vielfach widersprechenden Behauptungen jeden, dem es
ernsthaft um die Wahrheit zu thun war, zur größten Vorsicht, ja sie zwangen
sogar zum äußersten Mißtrauen nach beiden Seiten. Auch nachdem die Auf¬
hebung des militärgerichtlichen Urteils von 1894 durch den Kassationshof
schwer gegen die Ankläger ins Gewicht gefallen war, war die Sache nichts
weniger als spruchreif. Erst das neue militärgerichtliche Verfahren sollte sie
dazu machen, es sollte und mußte vor Frankreich und der ganzen zivilisierten
Welt den Beweis der Schuld des Angeklagten bringen oder zu seiner Frei¬
sprechung führen.

Das am 9. September verkündete Urteil des Militärgerichts zu Nennes
lautete wörtlich wie folgt:

„Im Namen des französischen Volks! Heute am 9. September 1899
hielt das Kriegsgericht des 10. Armeekorps zu Rennes eine Sitzung mit Aus¬
schluß der Öffentlichkeit. Der Präsident hat folgende Frage gestellt: Ist Haupt¬
mann Alfred Drehfus vom 14. Artillerieregiment, kommandiert zum General¬
stab der Armee, schuldig, im Jahre 1894 Machenschaften angezettelt zu haben,
oder Beziehungen mit einer fremden Macht oder mit einem ihrer Agenten unter¬
halten zu haben, um sie zu veranlassen, Feindseligkeiten zu begehn oder Krieg
gegen Frankreich zu unternehmen, oder um ihr die Mittel dafür zu liefern,
indem er ihr die im Bordereau aufgezählten und im Urteil des Kassations¬
hofs vom 3. Juli 1899 erwähnten Schriftstücke überlieferte?

„Die Stimmen wurden gesondert eingesammelt, indem man beim untersten
Grade und bei dem Dicnstjüngsten jedes Grades begann. Der Präsident hat
seine Stimme als letzter abgegeben.

„Das Kriegsgericht erklärt und zwar mit einer Majorität von fünf gegen


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0137" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/231949"/>
          <fw type="header" place="top"> Dreyfus</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_535" prev="#ID_534"> noch, wenn der Khalif etwa aufwiese und die Expeditionstruppen ihm folgen<lb/>
müßten. Die Kosten dürften trotz der Verwendung nur von schwarzen, ver¬<lb/>
hältnismäßig bedürfnislosen Truppen eine außerordentliche Höhe erreichen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_536"> Ist Kordofan unterworfen, so wird England-Ägypten, aber wahrscheinlich<lb/>
erst nach Jahresfrist oder noch später, mit Dar Für abzurechnen haben.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Dreyfus</head><lb/>
          <p xml:id="ID_537"> le den Fall Drehfus betreffenden Gerichtsverhandlungen und<lb/>
sonstigen offiziellen Vorgänge legten es auch den Grenzboten<lb/>
seit Jahr und Tag nahe, mit einer Meinungsäußerung darüber<lb/>
hervorzutreten. Aber je weiter die Sache gedieh, um so mehr<lb/>
mahnten sowohl die erwiesenen Thatsachen wie die beweislos<lb/>
aufgestellten einander vielfach widersprechenden Behauptungen jeden, dem es<lb/>
ernsthaft um die Wahrheit zu thun war, zur größten Vorsicht, ja sie zwangen<lb/>
sogar zum äußersten Mißtrauen nach beiden Seiten. Auch nachdem die Auf¬<lb/>
hebung des militärgerichtlichen Urteils von 1894 durch den Kassationshof<lb/>
schwer gegen die Ankläger ins Gewicht gefallen war, war die Sache nichts<lb/>
weniger als spruchreif. Erst das neue militärgerichtliche Verfahren sollte sie<lb/>
dazu machen, es sollte und mußte vor Frankreich und der ganzen zivilisierten<lb/>
Welt den Beweis der Schuld des Angeklagten bringen oder zu seiner Frei¬<lb/>
sprechung führen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_538"> Das am 9. September verkündete Urteil des Militärgerichts zu Nennes<lb/>
lautete wörtlich wie folgt:</p><lb/>
          <p xml:id="ID_539"> &#x201E;Im Namen des französischen Volks! Heute am 9. September 1899<lb/>
hielt das Kriegsgericht des 10. Armeekorps zu Rennes eine Sitzung mit Aus¬<lb/>
schluß der Öffentlichkeit. Der Präsident hat folgende Frage gestellt: Ist Haupt¬<lb/>
mann Alfred Drehfus vom 14. Artillerieregiment, kommandiert zum General¬<lb/>
stab der Armee, schuldig, im Jahre 1894 Machenschaften angezettelt zu haben,<lb/>
oder Beziehungen mit einer fremden Macht oder mit einem ihrer Agenten unter¬<lb/>
halten zu haben, um sie zu veranlassen, Feindseligkeiten zu begehn oder Krieg<lb/>
gegen Frankreich zu unternehmen, oder um ihr die Mittel dafür zu liefern,<lb/>
indem er ihr die im Bordereau aufgezählten und im Urteil des Kassations¬<lb/>
hofs vom 3. Juli 1899 erwähnten Schriftstücke überlieferte?</p><lb/>
          <p xml:id="ID_540"> &#x201E;Die Stimmen wurden gesondert eingesammelt, indem man beim untersten<lb/>
Grade und bei dem Dicnstjüngsten jedes Grades begann. Der Präsident hat<lb/>
seine Stimme als letzter abgegeben.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_541" next="#ID_542"> &#x201E;Das Kriegsgericht erklärt und zwar mit einer Majorität von fünf gegen</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0137] Dreyfus noch, wenn der Khalif etwa aufwiese und die Expeditionstruppen ihm folgen müßten. Die Kosten dürften trotz der Verwendung nur von schwarzen, ver¬ hältnismäßig bedürfnislosen Truppen eine außerordentliche Höhe erreichen. Ist Kordofan unterworfen, so wird England-Ägypten, aber wahrscheinlich erst nach Jahresfrist oder noch später, mit Dar Für abzurechnen haben. Dreyfus le den Fall Drehfus betreffenden Gerichtsverhandlungen und sonstigen offiziellen Vorgänge legten es auch den Grenzboten seit Jahr und Tag nahe, mit einer Meinungsäußerung darüber hervorzutreten. Aber je weiter die Sache gedieh, um so mehr mahnten sowohl die erwiesenen Thatsachen wie die beweislos aufgestellten einander vielfach widersprechenden Behauptungen jeden, dem es ernsthaft um die Wahrheit zu thun war, zur größten Vorsicht, ja sie zwangen sogar zum äußersten Mißtrauen nach beiden Seiten. Auch nachdem die Auf¬ hebung des militärgerichtlichen Urteils von 1894 durch den Kassationshof schwer gegen die Ankläger ins Gewicht gefallen war, war die Sache nichts weniger als spruchreif. Erst das neue militärgerichtliche Verfahren sollte sie dazu machen, es sollte und mußte vor Frankreich und der ganzen zivilisierten Welt den Beweis der Schuld des Angeklagten bringen oder zu seiner Frei¬ sprechung führen. Das am 9. September verkündete Urteil des Militärgerichts zu Nennes lautete wörtlich wie folgt: „Im Namen des französischen Volks! Heute am 9. September 1899 hielt das Kriegsgericht des 10. Armeekorps zu Rennes eine Sitzung mit Aus¬ schluß der Öffentlichkeit. Der Präsident hat folgende Frage gestellt: Ist Haupt¬ mann Alfred Drehfus vom 14. Artillerieregiment, kommandiert zum General¬ stab der Armee, schuldig, im Jahre 1894 Machenschaften angezettelt zu haben, oder Beziehungen mit einer fremden Macht oder mit einem ihrer Agenten unter¬ halten zu haben, um sie zu veranlassen, Feindseligkeiten zu begehn oder Krieg gegen Frankreich zu unternehmen, oder um ihr die Mittel dafür zu liefern, indem er ihr die im Bordereau aufgezählten und im Urteil des Kassations¬ hofs vom 3. Juli 1899 erwähnten Schriftstücke überlieferte? „Die Stimmen wurden gesondert eingesammelt, indem man beim untersten Grade und bei dem Dicnstjüngsten jedes Grades begann. Der Präsident hat seine Stimme als letzter abgegeben. „Das Kriegsgericht erklärt und zwar mit einer Majorität von fünf gegen

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341869_231811
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341869_231811/137
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341869_231811/137>, abgerufen am 07.05.2024.