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Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Viertes Vierteljahr.

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Aus dem Heidedorf
Beate Borns-Zeep Skizzen von
2. Lange Lukas
(Schluß)

irmes kein heran. Es war eine sengende Hitze, schon den ganze"
Sommer. Die Ernte war eingebracht, aber es war kein leichtes
Arbeiten gewesen in der Sonnenglut. Das Gras auf der Dorfaue
war braun gebrannt, die Strohdächer waren ausgedörrt wie Zunder.
Kein Brunnen gab mehr Wasser. Für deu Haushalt und fürs Vieh
mußte schon seit Wochen das Wasser in Tonnen vom See heraus¬
gefahren werden. Der Druck lag auf aller Kreatur. Aber der Kuchen war ge¬
backen, und die Musik beseelt! -- getanzt mußte werden! Die Gäste kamen ge¬
fahren, familienweise, die Männer im langen Tuchrock, die Weiber in Wollkleidern
und den schweren Samtjacken, die ein für alle mal zum Festanzug gehörten, es
mochte frieren oder eine Hitze sein wie hente.

Lange Lukas hatte auch den Tuchrock an und ging mit seinen Gästen
zum Krug.

Die jüngern Leute tanzten und wischten sich die Stirn in dem großen
niedrigen Zimmer, das deu Namen Saal trug. Für die festliche Gelegenheit war
über jedem Fenster ein Tannenzweig angenagelt, der die grünen Ästchen spreizte,
wie eine dünnfingerige Hand.

In dem kleinen Zimmer daneben, wo das schwarze Wachstuchsofa stand, und
winzige weiße Gardinen an den kleinen Fensterchen waren, saßen die ältern
Männer um Tische herum, eng zusammengerückt, denn zur Kirmes ist der Platz
knapp- Kurze Lukas saß mit zwei andern bei den Karten; einer von ihnen war
der Schulze. Lange Lukas streifte den Tisch, während er sich nach einem Platz
in der Nähe der Fenster durchwinden mußte.

Sieh dich vor, Fernand, sprach er dabei zum Schulzen.

Vor was denn? rief der mit seiner gellenden Stimme und dem halben Lachen
über dem emporgerichteten Kinn.

Da kannst du leicht verspielen!

Wer sich nicht vorsieht, verliert sein Gut, da hast du Recht.

Unredlich Spiel macht den Wachsamen blind, rief Lange Lukas. Er hatte sich
mit seinen Begleitern zu dem entlegnen Platze durchgearbeitet.

Was sagt der, rief Kurze Lukns und drehte sich soweit nach hinten, als sein
schwerfälliger Körper es zuließ.

Kümmre dich nicht drum! war des Schulzen Zuruf. Hier, aufgepaßt! Wer
giebt?

Was sagst du? schrie Kurze Lukas noch heftiger hinüber. Er war jetzt auf¬
gestanden und hatte die Hand an der Stuhllehne.




Aus dem Heidedorf
Beate Borns-Zeep Skizzen von
2. Lange Lukas
(Schluß)

irmes kein heran. Es war eine sengende Hitze, schon den ganze»
Sommer. Die Ernte war eingebracht, aber es war kein leichtes
Arbeiten gewesen in der Sonnenglut. Das Gras auf der Dorfaue
war braun gebrannt, die Strohdächer waren ausgedörrt wie Zunder.
Kein Brunnen gab mehr Wasser. Für deu Haushalt und fürs Vieh
mußte schon seit Wochen das Wasser in Tonnen vom See heraus¬
gefahren werden. Der Druck lag auf aller Kreatur. Aber der Kuchen war ge¬
backen, und die Musik beseelt! — getanzt mußte werden! Die Gäste kamen ge¬
fahren, familienweise, die Männer im langen Tuchrock, die Weiber in Wollkleidern
und den schweren Samtjacken, die ein für alle mal zum Festanzug gehörten, es
mochte frieren oder eine Hitze sein wie hente.

Lange Lukas hatte auch den Tuchrock an und ging mit seinen Gästen
zum Krug.

Die jüngern Leute tanzten und wischten sich die Stirn in dem großen
niedrigen Zimmer, das deu Namen Saal trug. Für die festliche Gelegenheit war
über jedem Fenster ein Tannenzweig angenagelt, der die grünen Ästchen spreizte,
wie eine dünnfingerige Hand.

In dem kleinen Zimmer daneben, wo das schwarze Wachstuchsofa stand, und
winzige weiße Gardinen an den kleinen Fensterchen waren, saßen die ältern
Männer um Tische herum, eng zusammengerückt, denn zur Kirmes ist der Platz
knapp- Kurze Lukas saß mit zwei andern bei den Karten; einer von ihnen war
der Schulze. Lange Lukas streifte den Tisch, während er sich nach einem Platz
in der Nähe der Fenster durchwinden mußte.

Sieh dich vor, Fernand, sprach er dabei zum Schulzen.

Vor was denn? rief der mit seiner gellenden Stimme und dem halben Lachen
über dem emporgerichteten Kinn.

Da kannst du leicht verspielen!

Wer sich nicht vorsieht, verliert sein Gut, da hast du Recht.

Unredlich Spiel macht den Wachsamen blind, rief Lange Lukas. Er hatte sich
mit seinen Begleitern zu dem entlegnen Platze durchgearbeitet.

Was sagt der, rief Kurze Lukns und drehte sich soweit nach hinten, als sein
schwerfälliger Körper es zuließ.

Kümmre dich nicht drum! war des Schulzen Zuruf. Hier, aufgepaßt! Wer
giebt?

Was sagst du? schrie Kurze Lukas noch heftiger hinüber. Er war jetzt auf¬
gestanden und hatte die Hand an der Stuhllehne.


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[0168] [Abbildung] Aus dem Heidedorf Beate Borns-Zeep Skizzen von 2. Lange Lukas (Schluß) irmes kein heran. Es war eine sengende Hitze, schon den ganze» Sommer. Die Ernte war eingebracht, aber es war kein leichtes Arbeiten gewesen in der Sonnenglut. Das Gras auf der Dorfaue war braun gebrannt, die Strohdächer waren ausgedörrt wie Zunder. Kein Brunnen gab mehr Wasser. Für deu Haushalt und fürs Vieh mußte schon seit Wochen das Wasser in Tonnen vom See heraus¬ gefahren werden. Der Druck lag auf aller Kreatur. Aber der Kuchen war ge¬ backen, und die Musik beseelt! — getanzt mußte werden! Die Gäste kamen ge¬ fahren, familienweise, die Männer im langen Tuchrock, die Weiber in Wollkleidern und den schweren Samtjacken, die ein für alle mal zum Festanzug gehörten, es mochte frieren oder eine Hitze sein wie hente. Lange Lukas hatte auch den Tuchrock an und ging mit seinen Gästen zum Krug. Die jüngern Leute tanzten und wischten sich die Stirn in dem großen niedrigen Zimmer, das deu Namen Saal trug. Für die festliche Gelegenheit war über jedem Fenster ein Tannenzweig angenagelt, der die grünen Ästchen spreizte, wie eine dünnfingerige Hand. In dem kleinen Zimmer daneben, wo das schwarze Wachstuchsofa stand, und winzige weiße Gardinen an den kleinen Fensterchen waren, saßen die ältern Männer um Tische herum, eng zusammengerückt, denn zur Kirmes ist der Platz knapp- Kurze Lukas saß mit zwei andern bei den Karten; einer von ihnen war der Schulze. Lange Lukas streifte den Tisch, während er sich nach einem Platz in der Nähe der Fenster durchwinden mußte. Sieh dich vor, Fernand, sprach er dabei zum Schulzen. Vor was denn? rief der mit seiner gellenden Stimme und dem halben Lachen über dem emporgerichteten Kinn. Da kannst du leicht verspielen! Wer sich nicht vorsieht, verliert sein Gut, da hast du Recht. Unredlich Spiel macht den Wachsamen blind, rief Lange Lukas. Er hatte sich mit seinen Begleitern zu dem entlegnen Platze durchgearbeitet. Was sagt der, rief Kurze Lukns und drehte sich soweit nach hinten, als sein schwerfälliger Körper es zuließ. Kümmre dich nicht drum! war des Schulzen Zuruf. Hier, aufgepaßt! Wer giebt? Was sagst du? schrie Kurze Lukas noch heftiger hinüber. Er war jetzt auf¬ gestanden und hatte die Hand an der Stuhllehne.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341869_231811/168>, abgerufen am 07.05.2024.