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Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Viertes Vierteljahr.

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Allerhand Rüstzeug und Waffen des Strafrichters

Schuft," und der "Fortschritt der nationalen Kultur sei nur gesichert, wenn der
Stachel des Kampfes um die Existenz immer fühlbar bleibe." Dem gegenüber
will der Verfasser untersuchen, "wie sich denn diese Verhältnisse in Wirklichkeit
stellen, ob die Wirtschaftsweise mehr verschlechtert wird durch exzessiven Schuldeu-
druck oder durch absolute Schuldenfreiheit, ob ein gewisses Maß vou Ver¬
schuldung erforderlich ist, damit die Gutsbesitzer tüchtig wirtschaften, fleißig
und vorwärtsstrebend bleiben." Diese Aufgabe ist so ungeschickt wie möglich
gestellt, und ihre versuchte Lösung rennt natürlich nnr offne Thüren ein. Wer
den schädlichen Einfluß eines "exzessiven Schuldendrucks" auf die Wirtschaft
leugnet, ist ein Narr, und ihn durch "statistische Erhebungen," wie sie hier
geboten werden, widerlegen zu wollen, hat gar keinen Sinn. Es ist aber be¬
zeichnend, daß so etwas in den "Landwirtschaftlichen Jahrbüchern" gedruckt
wird: der ganze agrargouveruementale Feldzug zur Entschuldung der Land¬
wirtschaft, wie er jetzt im Gange ist, hat eben keinen Sinn. Dr. Brahe kann
sich selbst der Wahrheit, die wir in den Grenzboten wiederholt vertreten haben,
gar nicht entziehn. Er sagt am Schluß ausdrücklich: "Die Besitzungen sind
alle mehr oder weniger weit über ihren reellen Wert bezahlt worden. Die
Kaufpreise stehn vielfach in gar keinem Verhältnis zum wahren Ertragswert
des Gutes. Hierin erblicke ich das wesentlichste und schwerwiegendste Moment.
Der Landwirt rechnet mit fingierten Zahlen und soll Kapitalien verzinsen, die
als vergessen angesehen werden sollten." Er führt auch selbst an, "daß solche
Ankäufe in der neusten Zeit wiederkehren" -- und doch sollten die unsinnigen
Überzahlungen, zu denen die landwirtschaftliche Spekulation immer noch ge¬
neigt ist, einfach "vergessen" werden? Wer Schulden macht, muß sie bezahle",
nicht vergessen. Das gilt auch für den Landwirt. Leider denken aber sehr
viele beim Gntskauf und bei der Gutsübernahme daran fast gar nicht mehr.




Allerhand Rüstzeug und Waffen des Strafrichters
Gelo Hagen von (Schluß)

er Löwenanteil an der Thätigkeit des Strafrichters nimmt
natürlich der eigentliche Kampf mit dem Verbrecher in An¬
spruch, uralt, so lauge es überhaupt eine menschliche Gesell¬
schaft und ein Recht giebt. Die Mittel, mit denen dieser
Kampf geführt wird, ändern sich mit den Fortschritten des
Verkehrs und der gesellschaftlichen Gesittung und Gewöhnung genau ebenso,


Allerhand Rüstzeug und Waffen des Strafrichters

Schuft," und der „Fortschritt der nationalen Kultur sei nur gesichert, wenn der
Stachel des Kampfes um die Existenz immer fühlbar bleibe." Dem gegenüber
will der Verfasser untersuchen, „wie sich denn diese Verhältnisse in Wirklichkeit
stellen, ob die Wirtschaftsweise mehr verschlechtert wird durch exzessiven Schuldeu-
druck oder durch absolute Schuldenfreiheit, ob ein gewisses Maß vou Ver¬
schuldung erforderlich ist, damit die Gutsbesitzer tüchtig wirtschaften, fleißig
und vorwärtsstrebend bleiben." Diese Aufgabe ist so ungeschickt wie möglich
gestellt, und ihre versuchte Lösung rennt natürlich nnr offne Thüren ein. Wer
den schädlichen Einfluß eines „exzessiven Schuldendrucks" auf die Wirtschaft
leugnet, ist ein Narr, und ihn durch „statistische Erhebungen," wie sie hier
geboten werden, widerlegen zu wollen, hat gar keinen Sinn. Es ist aber be¬
zeichnend, daß so etwas in den „Landwirtschaftlichen Jahrbüchern" gedruckt
wird: der ganze agrargouveruementale Feldzug zur Entschuldung der Land¬
wirtschaft, wie er jetzt im Gange ist, hat eben keinen Sinn. Dr. Brahe kann
sich selbst der Wahrheit, die wir in den Grenzboten wiederholt vertreten haben,
gar nicht entziehn. Er sagt am Schluß ausdrücklich: „Die Besitzungen sind
alle mehr oder weniger weit über ihren reellen Wert bezahlt worden. Die
Kaufpreise stehn vielfach in gar keinem Verhältnis zum wahren Ertragswert
des Gutes. Hierin erblicke ich das wesentlichste und schwerwiegendste Moment.
Der Landwirt rechnet mit fingierten Zahlen und soll Kapitalien verzinsen, die
als vergessen angesehen werden sollten." Er führt auch selbst an, „daß solche
Ankäufe in der neusten Zeit wiederkehren" — und doch sollten die unsinnigen
Überzahlungen, zu denen die landwirtschaftliche Spekulation immer noch ge¬
neigt ist, einfach „vergessen" werden? Wer Schulden macht, muß sie bezahle»,
nicht vergessen. Das gilt auch für den Landwirt. Leider denken aber sehr
viele beim Gntskauf und bei der Gutsübernahme daran fast gar nicht mehr.




Allerhand Rüstzeug und Waffen des Strafrichters
Gelo Hagen von (Schluß)

er Löwenanteil an der Thätigkeit des Strafrichters nimmt
natürlich der eigentliche Kampf mit dem Verbrecher in An¬
spruch, uralt, so lauge es überhaupt eine menschliche Gesell¬
schaft und ein Recht giebt. Die Mittel, mit denen dieser
Kampf geführt wird, ändern sich mit den Fortschritten des
Verkehrs und der gesellschaftlichen Gesittung und Gewöhnung genau ebenso,


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[0246] Allerhand Rüstzeug und Waffen des Strafrichters Schuft," und der „Fortschritt der nationalen Kultur sei nur gesichert, wenn der Stachel des Kampfes um die Existenz immer fühlbar bleibe." Dem gegenüber will der Verfasser untersuchen, „wie sich denn diese Verhältnisse in Wirklichkeit stellen, ob die Wirtschaftsweise mehr verschlechtert wird durch exzessiven Schuldeu- druck oder durch absolute Schuldenfreiheit, ob ein gewisses Maß vou Ver¬ schuldung erforderlich ist, damit die Gutsbesitzer tüchtig wirtschaften, fleißig und vorwärtsstrebend bleiben." Diese Aufgabe ist so ungeschickt wie möglich gestellt, und ihre versuchte Lösung rennt natürlich nnr offne Thüren ein. Wer den schädlichen Einfluß eines „exzessiven Schuldendrucks" auf die Wirtschaft leugnet, ist ein Narr, und ihn durch „statistische Erhebungen," wie sie hier geboten werden, widerlegen zu wollen, hat gar keinen Sinn. Es ist aber be¬ zeichnend, daß so etwas in den „Landwirtschaftlichen Jahrbüchern" gedruckt wird: der ganze agrargouveruementale Feldzug zur Entschuldung der Land¬ wirtschaft, wie er jetzt im Gange ist, hat eben keinen Sinn. Dr. Brahe kann sich selbst der Wahrheit, die wir in den Grenzboten wiederholt vertreten haben, gar nicht entziehn. Er sagt am Schluß ausdrücklich: „Die Besitzungen sind alle mehr oder weniger weit über ihren reellen Wert bezahlt worden. Die Kaufpreise stehn vielfach in gar keinem Verhältnis zum wahren Ertragswert des Gutes. Hierin erblicke ich das wesentlichste und schwerwiegendste Moment. Der Landwirt rechnet mit fingierten Zahlen und soll Kapitalien verzinsen, die als vergessen angesehen werden sollten." Er führt auch selbst an, „daß solche Ankäufe in der neusten Zeit wiederkehren" — und doch sollten die unsinnigen Überzahlungen, zu denen die landwirtschaftliche Spekulation immer noch ge¬ neigt ist, einfach „vergessen" werden? Wer Schulden macht, muß sie bezahle», nicht vergessen. Das gilt auch für den Landwirt. Leider denken aber sehr viele beim Gntskauf und bei der Gutsübernahme daran fast gar nicht mehr. Allerhand Rüstzeug und Waffen des Strafrichters Gelo Hagen von (Schluß) er Löwenanteil an der Thätigkeit des Strafrichters nimmt natürlich der eigentliche Kampf mit dem Verbrecher in An¬ spruch, uralt, so lauge es überhaupt eine menschliche Gesell¬ schaft und ein Recht giebt. Die Mittel, mit denen dieser Kampf geführt wird, ändern sich mit den Fortschritten des Verkehrs und der gesellschaftlichen Gesittung und Gewöhnung genau ebenso,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341869_231811/246>, abgerufen am 07.05.2024.