Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Viertes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite


Grenzbotenromane

an soll sich nicht selbst loben, heißt es zwar, aber wer ein Licht hat,
darf es doch auch leuchten lassen vor den Leuten. Der Grenzboten-
, Verlag ist kein Versuchsfeld für angehende Belletristen und auch keine
Schaubühne für "die Moderne," wenn sie nichts weiter ist als modern.
Er pflegt das Alte und das Neue, es muß nur gut sein, und er
! kaun warten, bis ihm das Gute gebracht wird. So kommt denn
heute der Verlag mit nicht weniger als zehn Büchern in der bekannten feinen und
anspruchslosen äußern Ausstattung ans einmal zu seinem Leserkreis, großen Romanen,
Novellen und kürzern Erzählungen, dänischen und deutschen ans verschiednen Land¬
schaften. Sie bewegen sich in den verschiedensten Lebensverhältnissen, führen uns
in Stadt und Land, zu Bauern und Bürgern und in die höchsten Gesellschafts¬
kreise. Sie sind nicht nur unterhaltend, sondern auch gehaltreich, crust in der Auf¬
fassung, wichtigen Lebensfragen zugewandt. Kurz, sie sind gut, und weil darüber
die Grenzboten mit ihrem Verleger einer Meinung sind, so wollen sie sein Werk
nach Gebühr loben und empfehlen.

Unser nordischer Freund Svphns Bauditz erscheint diesesmal mit zwei
Büchern. Das erste enthält fünf Erzählungen, deren Schauplatz Jütland ist, nur
eine -- "Zur Weihnachtszeit" -- behandelt einen von Kopenhagen aus nach
Schweden uuternommnen Jagdausflug. Diese sowie die an den Anfang des
Buchs gestellte Haupterzählung "Spuren im Schnee" und die letzte "Weihnachten
im Forsthause" haben eine Stimmung mit einander gemeinsam, die Bauditz wie
kaum ein andrer seinen Lesern mitzuteilen versteht: wir fühlen die ganze Behag¬
lichkeit des nordischen Winters sür Leute eines mittlern, bescheidnen Wohlstandes.
"Spuren im Schnee" enthalten außerdem ein substnuzielleres Novellenmotiv, die
Jagd nach einer alten Handschrift, die dazu führt, daß ein Kopenhagner Leutnant
ein jüdisches Landmädchen gewinnt. schwermütig und einsam ist "Der Kapitän."
Am feinsten "Die Prinzessin und die beiden Freier," weltförmig, vornehm, dänisches
Rokoko, herzgewinnende Lösung eines mit vieler Anmut geschürzten Liebesknotens.

Das zweite Buch: "Geschichten aus dem Forsthause" (beide sind übersetzt von
Mathilde Mann), ist nach meinem Geschmack das beste von allem, was Bauditz, soweit
ich es kenne, geschrieben hat. Eine Poesie des Forsthauses hat man vielleicht in
Deutschland überhaupt uicht mehr, weil die Einsamkeit wesentlich als Unbequem¬
lichkeit empfunden wird, seit alles Leben in die Städte drängt und jegliche Lust
dort zu locken scheint. In Jütland und auf den dänischen Inseln, wo es weniger
Städte giebt, wird das noch etwas anders sein, wenngleich des Verfassers Schilderung
der Vergangenheit gilt und noch mehr geben mag, als die Wirklichkeit bietet.
Bauditz ist der berufne Dichter dieses stillen, schonen Reiches. Unser Buch ent¬
hält in der Form von eingerahmten Erzählungen die Erlebnisse eines Forsthauses




Grenzbotenromane

an soll sich nicht selbst loben, heißt es zwar, aber wer ein Licht hat,
darf es doch auch leuchten lassen vor den Leuten. Der Grenzboten-
, Verlag ist kein Versuchsfeld für angehende Belletristen und auch keine
Schaubühne für „die Moderne," wenn sie nichts weiter ist als modern.
Er pflegt das Alte und das Neue, es muß nur gut sein, und er
! kaun warten, bis ihm das Gute gebracht wird. So kommt denn
heute der Verlag mit nicht weniger als zehn Büchern in der bekannten feinen und
anspruchslosen äußern Ausstattung ans einmal zu seinem Leserkreis, großen Romanen,
Novellen und kürzern Erzählungen, dänischen und deutschen ans verschiednen Land¬
schaften. Sie bewegen sich in den verschiedensten Lebensverhältnissen, führen uns
in Stadt und Land, zu Bauern und Bürgern und in die höchsten Gesellschafts¬
kreise. Sie sind nicht nur unterhaltend, sondern auch gehaltreich, crust in der Auf¬
fassung, wichtigen Lebensfragen zugewandt. Kurz, sie sind gut, und weil darüber
die Grenzboten mit ihrem Verleger einer Meinung sind, so wollen sie sein Werk
nach Gebühr loben und empfehlen.

Unser nordischer Freund Svphns Bauditz erscheint diesesmal mit zwei
Büchern. Das erste enthält fünf Erzählungen, deren Schauplatz Jütland ist, nur
eine — „Zur Weihnachtszeit" — behandelt einen von Kopenhagen aus nach
Schweden uuternommnen Jagdausflug. Diese sowie die an den Anfang des
Buchs gestellte Haupterzählung „Spuren im Schnee" und die letzte „Weihnachten
im Forsthause" haben eine Stimmung mit einander gemeinsam, die Bauditz wie
kaum ein andrer seinen Lesern mitzuteilen versteht: wir fühlen die ganze Behag¬
lichkeit des nordischen Winters sür Leute eines mittlern, bescheidnen Wohlstandes.
„Spuren im Schnee" enthalten außerdem ein substnuzielleres Novellenmotiv, die
Jagd nach einer alten Handschrift, die dazu führt, daß ein Kopenhagner Leutnant
ein jüdisches Landmädchen gewinnt. schwermütig und einsam ist „Der Kapitän."
Am feinsten „Die Prinzessin und die beiden Freier," weltförmig, vornehm, dänisches
Rokoko, herzgewinnende Lösung eines mit vieler Anmut geschürzten Liebesknotens.

Das zweite Buch: „Geschichten aus dem Forsthause" (beide sind übersetzt von
Mathilde Mann), ist nach meinem Geschmack das beste von allem, was Bauditz, soweit
ich es kenne, geschrieben hat. Eine Poesie des Forsthauses hat man vielleicht in
Deutschland überhaupt uicht mehr, weil die Einsamkeit wesentlich als Unbequem¬
lichkeit empfunden wird, seit alles Leben in die Städte drängt und jegliche Lust
dort zu locken scheint. In Jütland und auf den dänischen Inseln, wo es weniger
Städte giebt, wird das noch etwas anders sein, wenngleich des Verfassers Schilderung
der Vergangenheit gilt und noch mehr geben mag, als die Wirklichkeit bietet.
Bauditz ist der berufne Dichter dieses stillen, schonen Reiches. Unser Buch ent¬
hält in der Form von eingerahmten Erzählungen die Erlebnisse eines Forsthauses


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0430" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/232242"/>
          <figure facs="http://media.dwds.de/dta/images/grenzboten_341869_231811/figures/grenzboten_341869_231811_232242_000.jpg"/><lb/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Grenzbotenromane</head><lb/>
          <p xml:id="ID_1509"> an soll sich nicht selbst loben, heißt es zwar, aber wer ein Licht hat,<lb/>
darf es doch auch leuchten lassen vor den Leuten. Der Grenzboten-<lb/>
, Verlag ist kein Versuchsfeld für angehende Belletristen und auch keine<lb/>
Schaubühne für &#x201E;die Moderne," wenn sie nichts weiter ist als modern.<lb/>
Er pflegt das Alte und das Neue, es muß nur gut sein, und er<lb/>
! kaun warten, bis ihm das Gute gebracht wird. So kommt denn<lb/>
heute der Verlag mit nicht weniger als zehn Büchern in der bekannten feinen und<lb/>
anspruchslosen äußern Ausstattung ans einmal zu seinem Leserkreis, großen Romanen,<lb/>
Novellen und kürzern Erzählungen, dänischen und deutschen ans verschiednen Land¬<lb/>
schaften. Sie bewegen sich in den verschiedensten Lebensverhältnissen, führen uns<lb/>
in Stadt und Land, zu Bauern und Bürgern und in die höchsten Gesellschafts¬<lb/>
kreise. Sie sind nicht nur unterhaltend, sondern auch gehaltreich, crust in der Auf¬<lb/>
fassung, wichtigen Lebensfragen zugewandt. Kurz, sie sind gut, und weil darüber<lb/>
die Grenzboten mit ihrem Verleger einer Meinung sind, so wollen sie sein Werk<lb/>
nach Gebühr loben und empfehlen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1510"> Unser nordischer Freund Svphns Bauditz erscheint diesesmal mit zwei<lb/>
Büchern. Das erste enthält fünf Erzählungen, deren Schauplatz Jütland ist, nur<lb/>
eine &#x2014; &#x201E;Zur Weihnachtszeit" &#x2014; behandelt einen von Kopenhagen aus nach<lb/>
Schweden uuternommnen Jagdausflug. Diese sowie die an den Anfang des<lb/>
Buchs gestellte Haupterzählung &#x201E;Spuren im Schnee" und die letzte &#x201E;Weihnachten<lb/>
im Forsthause" haben eine Stimmung mit einander gemeinsam, die Bauditz wie<lb/>
kaum ein andrer seinen Lesern mitzuteilen versteht: wir fühlen die ganze Behag¬<lb/>
lichkeit des nordischen Winters sür Leute eines mittlern, bescheidnen Wohlstandes.<lb/>
&#x201E;Spuren im Schnee" enthalten außerdem ein substnuzielleres Novellenmotiv, die<lb/>
Jagd nach einer alten Handschrift, die dazu führt, daß ein Kopenhagner Leutnant<lb/>
ein jüdisches Landmädchen gewinnt. schwermütig und einsam ist &#x201E;Der Kapitän."<lb/>
Am feinsten &#x201E;Die Prinzessin und die beiden Freier," weltförmig, vornehm, dänisches<lb/>
Rokoko, herzgewinnende Lösung eines mit vieler Anmut geschürzten Liebesknotens.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1511" next="#ID_1512"> Das zweite Buch: &#x201E;Geschichten aus dem Forsthause" (beide sind übersetzt von<lb/>
Mathilde Mann), ist nach meinem Geschmack das beste von allem, was Bauditz, soweit<lb/>
ich es kenne, geschrieben hat. Eine Poesie des Forsthauses hat man vielleicht in<lb/>
Deutschland überhaupt uicht mehr, weil die Einsamkeit wesentlich als Unbequem¬<lb/>
lichkeit empfunden wird, seit alles Leben in die Städte drängt und jegliche Lust<lb/>
dort zu locken scheint. In Jütland und auf den dänischen Inseln, wo es weniger<lb/>
Städte giebt, wird das noch etwas anders sein, wenngleich des Verfassers Schilderung<lb/>
der Vergangenheit gilt und noch mehr geben mag, als die Wirklichkeit bietet.<lb/>
Bauditz ist der berufne Dichter dieses stillen, schonen Reiches. Unser Buch ent¬<lb/>
hält in der Form von eingerahmten Erzählungen die Erlebnisse eines Forsthauses</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0430] [Abbildung] Grenzbotenromane an soll sich nicht selbst loben, heißt es zwar, aber wer ein Licht hat, darf es doch auch leuchten lassen vor den Leuten. Der Grenzboten- , Verlag ist kein Versuchsfeld für angehende Belletristen und auch keine Schaubühne für „die Moderne," wenn sie nichts weiter ist als modern. Er pflegt das Alte und das Neue, es muß nur gut sein, und er ! kaun warten, bis ihm das Gute gebracht wird. So kommt denn heute der Verlag mit nicht weniger als zehn Büchern in der bekannten feinen und anspruchslosen äußern Ausstattung ans einmal zu seinem Leserkreis, großen Romanen, Novellen und kürzern Erzählungen, dänischen und deutschen ans verschiednen Land¬ schaften. Sie bewegen sich in den verschiedensten Lebensverhältnissen, führen uns in Stadt und Land, zu Bauern und Bürgern und in die höchsten Gesellschafts¬ kreise. Sie sind nicht nur unterhaltend, sondern auch gehaltreich, crust in der Auf¬ fassung, wichtigen Lebensfragen zugewandt. Kurz, sie sind gut, und weil darüber die Grenzboten mit ihrem Verleger einer Meinung sind, so wollen sie sein Werk nach Gebühr loben und empfehlen. Unser nordischer Freund Svphns Bauditz erscheint diesesmal mit zwei Büchern. Das erste enthält fünf Erzählungen, deren Schauplatz Jütland ist, nur eine — „Zur Weihnachtszeit" — behandelt einen von Kopenhagen aus nach Schweden uuternommnen Jagdausflug. Diese sowie die an den Anfang des Buchs gestellte Haupterzählung „Spuren im Schnee" und die letzte „Weihnachten im Forsthause" haben eine Stimmung mit einander gemeinsam, die Bauditz wie kaum ein andrer seinen Lesern mitzuteilen versteht: wir fühlen die ganze Behag¬ lichkeit des nordischen Winters sür Leute eines mittlern, bescheidnen Wohlstandes. „Spuren im Schnee" enthalten außerdem ein substnuzielleres Novellenmotiv, die Jagd nach einer alten Handschrift, die dazu führt, daß ein Kopenhagner Leutnant ein jüdisches Landmädchen gewinnt. schwermütig und einsam ist „Der Kapitän." Am feinsten „Die Prinzessin und die beiden Freier," weltförmig, vornehm, dänisches Rokoko, herzgewinnende Lösung eines mit vieler Anmut geschürzten Liebesknotens. Das zweite Buch: „Geschichten aus dem Forsthause" (beide sind übersetzt von Mathilde Mann), ist nach meinem Geschmack das beste von allem, was Bauditz, soweit ich es kenne, geschrieben hat. Eine Poesie des Forsthauses hat man vielleicht in Deutschland überhaupt uicht mehr, weil die Einsamkeit wesentlich als Unbequem¬ lichkeit empfunden wird, seit alles Leben in die Städte drängt und jegliche Lust dort zu locken scheint. In Jütland und auf den dänischen Inseln, wo es weniger Städte giebt, wird das noch etwas anders sein, wenngleich des Verfassers Schilderung der Vergangenheit gilt und noch mehr geben mag, als die Wirklichkeit bietet. Bauditz ist der berufne Dichter dieses stillen, schonen Reiches. Unser Buch ent¬ hält in der Form von eingerahmten Erzählungen die Erlebnisse eines Forsthauses

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341869_231811
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341869_231811/430
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341869_231811/430>, abgerufen am 07.05.2024.