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Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Viertes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

es ja jeder, Mnun für Mann, daß mir die Pacht sollte wern angerechnet, und daß
ich es sollte kriegen, wenn er würde fort werden.

Und da willst du mit den Zeugen vor Gericht?

Ja, das will ich.

Na, ich zum Beispiel, ich komme nicht hin, sagte der Schmied aufgeregt.
Wo kann ich denn wissen, was du mit Bauer Lukas hast abgeschlossen? Ich bin
so beigekommen, wie ihr habt geredet -- aber weiß ich denn auch, ob der alte
Lukas seinen Verstand noch hat gehabt . . .

Du wirst schon müssen hinkommen, rief Lange Lukas drohend. Er hatte die
Pfeife aus dein Munde genommen und erhob die Hand, mit der er sie hielt, gegen
den Schmied. Da wird nicht lange gefragt! Ich weiß es von Paketen Frida.
Geld oder Haft -- für umsonst ist das nicht, wer sich thut weigern!

Lange Lukas verließ die Schmiede und kehrte um. Er wollte zum Rechts¬
nnwalt, sagte er zu seinem Weibe, gleich morgen vor Tage. Denn der Weg war
weit, zwei Meilen Hinweg und zwei Meilen Rückweg. Er legte den Tuchrock
nicht fort, putzte aber die Stiefeln sorgfältig. Früh vor fünf Uhr brach er auf.
Als er am Abend heimkehrte, waren sie schmutzig und bestaubt. Er zog sie aus,
ehe er über die Stnbenschwelle trat, aber mit ihnen ließ er die Hoffnung draußen.
Der Rechtsanwalt hatte ihm gesagt, daß alle Zeugen der Welt ihm nichts helfen
könnten, wenn er über den Vertrag mit Bauer Lukas nichts Schriftliches habe.

Es geschah noch einiges in der Sache, aber in Erinnerung des Lauge Lukas
nahm es leinen Raum ein -- die Anfrage beim Besitzer, ob er ihn als Pächter
ans Lukas Gut belassen würde, nachdem im Oktober die Pachtzeit abgelaufen war,
und die abschlägige Antwort. Selbst die Versteigerung war ihm nnr wie das
Leichenbegräbnis seiner Lebenshoffnung.

Die Mehrzahl der Besitzer im Dorfe sah zu, ein Stück Wiese oder Ackerland,
wie es bei seinem Plan gelegen war, an sich zu bringen. Das alte Lukasgnt
ging in mehr als zehn Parzellen in andern Besitz über. Der Möschengarten aber,
um den Lange Lukas (sein bevorzugter Plan) vergeblich kämpfte, wurde dem Schmied
zugeschlagen, den sie zum Unterschied von Lange Lukas von da an Kurze Lukas
nannten.

(Fortsetzung folgt)




Maßgebliches und Unmaßgebliches
Die Frau muß der Familie zurückgegeben werden

-- unter dieser
Losung veraustaltet der Herr Minister für Handel und Gewerbe eine Statistik über
die Beschäftigung verheirateter Arbeiterinnen in Fabriken. Man will damit Material
sammeln, um festzustellen, ob es angängig sei, die Beschäftigung verheirateter Ar¬
beiterinnen in Fabriken überhaupt zu untersagen.

Ich habe min in der lithographischen Anstalt, die ich leite, eine peinlich
genaue Statistik aufgenommen, die nachstehende Resultate ergeben hat. Es sei dabei
noch vorausgeschickt, daß die allgemeine Arbeitszeit in der Fabrik im Sommer von


Grenzboten IV 189S 7
Maßgebliches und Unmaßgebliches

es ja jeder, Mnun für Mann, daß mir die Pacht sollte wern angerechnet, und daß
ich es sollte kriegen, wenn er würde fort werden.

Und da willst du mit den Zeugen vor Gericht?

Ja, das will ich.

Na, ich zum Beispiel, ich komme nicht hin, sagte der Schmied aufgeregt.
Wo kann ich denn wissen, was du mit Bauer Lukas hast abgeschlossen? Ich bin
so beigekommen, wie ihr habt geredet — aber weiß ich denn auch, ob der alte
Lukas seinen Verstand noch hat gehabt . . .

Du wirst schon müssen hinkommen, rief Lange Lukas drohend. Er hatte die
Pfeife aus dein Munde genommen und erhob die Hand, mit der er sie hielt, gegen
den Schmied. Da wird nicht lange gefragt! Ich weiß es von Paketen Frida.
Geld oder Haft — für umsonst ist das nicht, wer sich thut weigern!

Lange Lukas verließ die Schmiede und kehrte um. Er wollte zum Rechts¬
nnwalt, sagte er zu seinem Weibe, gleich morgen vor Tage. Denn der Weg war
weit, zwei Meilen Hinweg und zwei Meilen Rückweg. Er legte den Tuchrock
nicht fort, putzte aber die Stiefeln sorgfältig. Früh vor fünf Uhr brach er auf.
Als er am Abend heimkehrte, waren sie schmutzig und bestaubt. Er zog sie aus,
ehe er über die Stnbenschwelle trat, aber mit ihnen ließ er die Hoffnung draußen.
Der Rechtsanwalt hatte ihm gesagt, daß alle Zeugen der Welt ihm nichts helfen
könnten, wenn er über den Vertrag mit Bauer Lukas nichts Schriftliches habe.

Es geschah noch einiges in der Sache, aber in Erinnerung des Lauge Lukas
nahm es leinen Raum ein — die Anfrage beim Besitzer, ob er ihn als Pächter
ans Lukas Gut belassen würde, nachdem im Oktober die Pachtzeit abgelaufen war,
und die abschlägige Antwort. Selbst die Versteigerung war ihm nnr wie das
Leichenbegräbnis seiner Lebenshoffnung.

Die Mehrzahl der Besitzer im Dorfe sah zu, ein Stück Wiese oder Ackerland,
wie es bei seinem Plan gelegen war, an sich zu bringen. Das alte Lukasgnt
ging in mehr als zehn Parzellen in andern Besitz über. Der Möschengarten aber,
um den Lange Lukas (sein bevorzugter Plan) vergeblich kämpfte, wurde dem Schmied
zugeschlagen, den sie zum Unterschied von Lange Lukas von da an Kurze Lukas
nannten.

(Fortsetzung folgt)




Maßgebliches und Unmaßgebliches
Die Frau muß der Familie zurückgegeben werden

— unter dieser
Losung veraustaltet der Herr Minister für Handel und Gewerbe eine Statistik über
die Beschäftigung verheirateter Arbeiterinnen in Fabriken. Man will damit Material
sammeln, um festzustellen, ob es angängig sei, die Beschäftigung verheirateter Ar¬
beiterinnen in Fabriken überhaupt zu untersagen.

Ich habe min in der lithographischen Anstalt, die ich leite, eine peinlich
genaue Statistik aufgenommen, die nachstehende Resultate ergeben hat. Es sei dabei
noch vorausgeschickt, daß die allgemeine Arbeitszeit in der Fabrik im Sommer von


Grenzboten IV 189S 7
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[0061] Maßgebliches und Unmaßgebliches es ja jeder, Mnun für Mann, daß mir die Pacht sollte wern angerechnet, und daß ich es sollte kriegen, wenn er würde fort werden. Und da willst du mit den Zeugen vor Gericht? Ja, das will ich. Na, ich zum Beispiel, ich komme nicht hin, sagte der Schmied aufgeregt. Wo kann ich denn wissen, was du mit Bauer Lukas hast abgeschlossen? Ich bin so beigekommen, wie ihr habt geredet — aber weiß ich denn auch, ob der alte Lukas seinen Verstand noch hat gehabt . . . Du wirst schon müssen hinkommen, rief Lange Lukas drohend. Er hatte die Pfeife aus dein Munde genommen und erhob die Hand, mit der er sie hielt, gegen den Schmied. Da wird nicht lange gefragt! Ich weiß es von Paketen Frida. Geld oder Haft — für umsonst ist das nicht, wer sich thut weigern! Lange Lukas verließ die Schmiede und kehrte um. Er wollte zum Rechts¬ nnwalt, sagte er zu seinem Weibe, gleich morgen vor Tage. Denn der Weg war weit, zwei Meilen Hinweg und zwei Meilen Rückweg. Er legte den Tuchrock nicht fort, putzte aber die Stiefeln sorgfältig. Früh vor fünf Uhr brach er auf. Als er am Abend heimkehrte, waren sie schmutzig und bestaubt. Er zog sie aus, ehe er über die Stnbenschwelle trat, aber mit ihnen ließ er die Hoffnung draußen. Der Rechtsanwalt hatte ihm gesagt, daß alle Zeugen der Welt ihm nichts helfen könnten, wenn er über den Vertrag mit Bauer Lukas nichts Schriftliches habe. Es geschah noch einiges in der Sache, aber in Erinnerung des Lauge Lukas nahm es leinen Raum ein — die Anfrage beim Besitzer, ob er ihn als Pächter ans Lukas Gut belassen würde, nachdem im Oktober die Pachtzeit abgelaufen war, und die abschlägige Antwort. Selbst die Versteigerung war ihm nnr wie das Leichenbegräbnis seiner Lebenshoffnung. Die Mehrzahl der Besitzer im Dorfe sah zu, ein Stück Wiese oder Ackerland, wie es bei seinem Plan gelegen war, an sich zu bringen. Das alte Lukasgnt ging in mehr als zehn Parzellen in andern Besitz über. Der Möschengarten aber, um den Lange Lukas (sein bevorzugter Plan) vergeblich kämpfte, wurde dem Schmied zugeschlagen, den sie zum Unterschied von Lange Lukas von da an Kurze Lukas nannten. (Fortsetzung folgt) Maßgebliches und Unmaßgebliches Die Frau muß der Familie zurückgegeben werden — unter dieser Losung veraustaltet der Herr Minister für Handel und Gewerbe eine Statistik über die Beschäftigung verheirateter Arbeiterinnen in Fabriken. Man will damit Material sammeln, um festzustellen, ob es angängig sei, die Beschäftigung verheirateter Ar¬ beiterinnen in Fabriken überhaupt zu untersagen. Ich habe min in der lithographischen Anstalt, die ich leite, eine peinlich genaue Statistik aufgenommen, die nachstehende Resultate ergeben hat. Es sei dabei noch vorausgeschickt, daß die allgemeine Arbeitszeit in der Fabrik im Sommer von Grenzboten IV 189S 7

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341869_231811/61>, abgerufen am 07.05.2024.