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Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Drittes Vierteljahr.

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Italienische Volks- und Rirchenfeste

Hirten, sie sollten die Kühe, die eben ins Wasser laufen wollten, rasch aus
dem Sande herausziehn. Aber alle behalten die bloßen Schwänze in der Hand,
nnr Muhammed zieht eine wirkliche Kuh hervor und ruft ärgerlich: "Habt ihr
gesehen, wie ich die Kuh herausgezogen habe? Ihr versteht das eben nicht!"
Das ist nun dem Herrn doch zu viel, er äußert seineu Unwillen und muß sich
nur einen Hautstreifen ausschneiden lassen. Oheim und Neffe aber, denen doch
der Boden unter den Füßen brennt, verkaufen die Herden und ziehn von
dannen. Nach manchen abenteuerlichen Fahrten trennen fie sich, und der Neffe
ruft seinem Oheim nach: "Nun mögest du in Frieden von hier wegziehn, ich
kenne dich nicht mehr, und du kennst mich nicht mehr. Die Gemeinschaft von
Wasser und Salz sei zwischen uns von jetzt an zu Ende."

Diese Proben werden genügen, zu zeigen, daß Professor stummes Arbeiten
von großem allgemeinem Juteresse siud. Schon ist eine neue Sammlung des
unermüdlichen Forschers, "Märchen der Berbern von Tmnazratt," in Vor¬
bereitung. Möge fie in weiten Kreisen unsers Publikums freundliche Aufnahme
und Beachtung finden!




Italienische Volks- und Kirchenfeste
von Hermann Lhrenberg
^. Allgemeines

inige Kenner Italiens versichern, daß der Geist des italienischen
Volkes in den letzten Jahrzehnten ernster geworden und die fröh¬
liche, ungebundne Heiterkeit, die sich früher so reizvoll auf zahl¬
lose" Festlichkeiten bekundet habe, vielfach verschwunden sei; nach
^.dem gewaltigen Aufschwung aller Kräfte, der zur Befreiung und
Einigung des Landes geführt habe, und nach den überschwünglichen Hoffnungen,
unt denen die gelungne That begrüßt sei, habe das inzwischen eingctretne
Locken von Handel und Wandel einen schweren Rückgang erzeugt, der mit
Wner bittern Not das Volksgemüt von Grund ans umgestaltet habe. In
^eher Behauptungen, die vornehmlich von klerikaler Seite verbreitet werden,
uegt ein Kern von Wahrheit. Ein allzugroßer Freudentaumel hatte die Be-
^Mng der österreichisch-bourbouisch-vatikanischen Mißwirtschaft begleitet, im
esttze der ^o übertu, hatte man geglaubt, alles leisten und jeden
chaden heilen zu können und einem goldnen Zeitalter entgegenzngchn. Als
^se Traumgebilde in ihr Nichts zerrannen, und sich manches mit frischem
"it und hohem Einsatz begonnene Unternehmen als verfehlt erwies und elend


Italienische Volks- und Rirchenfeste

Hirten, sie sollten die Kühe, die eben ins Wasser laufen wollten, rasch aus
dem Sande herausziehn. Aber alle behalten die bloßen Schwänze in der Hand,
nnr Muhammed zieht eine wirkliche Kuh hervor und ruft ärgerlich: „Habt ihr
gesehen, wie ich die Kuh herausgezogen habe? Ihr versteht das eben nicht!"
Das ist nun dem Herrn doch zu viel, er äußert seineu Unwillen und muß sich
nur einen Hautstreifen ausschneiden lassen. Oheim und Neffe aber, denen doch
der Boden unter den Füßen brennt, verkaufen die Herden und ziehn von
dannen. Nach manchen abenteuerlichen Fahrten trennen fie sich, und der Neffe
ruft seinem Oheim nach: „Nun mögest du in Frieden von hier wegziehn, ich
kenne dich nicht mehr, und du kennst mich nicht mehr. Die Gemeinschaft von
Wasser und Salz sei zwischen uns von jetzt an zu Ende."

Diese Proben werden genügen, zu zeigen, daß Professor stummes Arbeiten
von großem allgemeinem Juteresse siud. Schon ist eine neue Sammlung des
unermüdlichen Forschers, „Märchen der Berbern von Tmnazratt," in Vor¬
bereitung. Möge fie in weiten Kreisen unsers Publikums freundliche Aufnahme
und Beachtung finden!




Italienische Volks- und Kirchenfeste
von Hermann Lhrenberg
^. Allgemeines

inige Kenner Italiens versichern, daß der Geist des italienischen
Volkes in den letzten Jahrzehnten ernster geworden und die fröh¬
liche, ungebundne Heiterkeit, die sich früher so reizvoll auf zahl¬
lose» Festlichkeiten bekundet habe, vielfach verschwunden sei; nach
^.dem gewaltigen Aufschwung aller Kräfte, der zur Befreiung und
Einigung des Landes geführt habe, und nach den überschwünglichen Hoffnungen,
unt denen die gelungne That begrüßt sei, habe das inzwischen eingctretne
Locken von Handel und Wandel einen schweren Rückgang erzeugt, der mit
Wner bittern Not das Volksgemüt von Grund ans umgestaltet habe. In
^eher Behauptungen, die vornehmlich von klerikaler Seite verbreitet werden,
uegt ein Kern von Wahrheit. Ein allzugroßer Freudentaumel hatte die Be-
^Mng der österreichisch-bourbouisch-vatikanischen Mißwirtschaft begleitet, im
esttze der ^o übertu, hatte man geglaubt, alles leisten und jeden
chaden heilen zu können und einem goldnen Zeitalter entgegenzngchn. Als
^se Traumgebilde in ihr Nichts zerrannen, und sich manches mit frischem
"it und hohem Einsatz begonnene Unternehmen als verfehlt erwies und elend


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[0181] Italienische Volks- und Rirchenfeste Hirten, sie sollten die Kühe, die eben ins Wasser laufen wollten, rasch aus dem Sande herausziehn. Aber alle behalten die bloßen Schwänze in der Hand, nnr Muhammed zieht eine wirkliche Kuh hervor und ruft ärgerlich: „Habt ihr gesehen, wie ich die Kuh herausgezogen habe? Ihr versteht das eben nicht!" Das ist nun dem Herrn doch zu viel, er äußert seineu Unwillen und muß sich nur einen Hautstreifen ausschneiden lassen. Oheim und Neffe aber, denen doch der Boden unter den Füßen brennt, verkaufen die Herden und ziehn von dannen. Nach manchen abenteuerlichen Fahrten trennen fie sich, und der Neffe ruft seinem Oheim nach: „Nun mögest du in Frieden von hier wegziehn, ich kenne dich nicht mehr, und du kennst mich nicht mehr. Die Gemeinschaft von Wasser und Salz sei zwischen uns von jetzt an zu Ende." Diese Proben werden genügen, zu zeigen, daß Professor stummes Arbeiten von großem allgemeinem Juteresse siud. Schon ist eine neue Sammlung des unermüdlichen Forschers, „Märchen der Berbern von Tmnazratt," in Vor¬ bereitung. Möge fie in weiten Kreisen unsers Publikums freundliche Aufnahme und Beachtung finden! Italienische Volks- und Kirchenfeste von Hermann Lhrenberg ^. Allgemeines inige Kenner Italiens versichern, daß der Geist des italienischen Volkes in den letzten Jahrzehnten ernster geworden und die fröh¬ liche, ungebundne Heiterkeit, die sich früher so reizvoll auf zahl¬ lose» Festlichkeiten bekundet habe, vielfach verschwunden sei; nach ^.dem gewaltigen Aufschwung aller Kräfte, der zur Befreiung und Einigung des Landes geführt habe, und nach den überschwünglichen Hoffnungen, unt denen die gelungne That begrüßt sei, habe das inzwischen eingctretne Locken von Handel und Wandel einen schweren Rückgang erzeugt, der mit Wner bittern Not das Volksgemüt von Grund ans umgestaltet habe. In ^eher Behauptungen, die vornehmlich von klerikaler Seite verbreitet werden, uegt ein Kern von Wahrheit. Ein allzugroßer Freudentaumel hatte die Be- ^Mng der österreichisch-bourbouisch-vatikanischen Mißwirtschaft begleitet, im esttze der ^o übertu, hatte man geglaubt, alles leisten und jeden chaden heilen zu können und einem goldnen Zeitalter entgegenzngchn. Als ^se Traumgebilde in ihr Nichts zerrannen, und sich manches mit frischem "it und hohem Einsatz begonnene Unternehmen als verfehlt erwies und elend

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341871_233233/181>, abgerufen am 02.05.2024.