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Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Drittes Vierteljahr.

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Italienische Volks- und Airchenfeste

gar tels Hanptschaustück, der von spärlichen hohen Lichtern nmgcbuc, in einem
gläsernen Sarge getragne lebensgroße nackte Leichnam Christi nahte, gerade
als wenn er beigesetzt werden sollte, dn hörte man überall tiefes Schluchzen,
und selbst Männer in den besten Jahren weinten vor innerer Ergriffenheit.
Niemand, der es unterlassen hätte, ein stilles Ave Maria zu beten! Niemand,
der es gewagt hätte, zu spotten, die Ordnung zu stören oder auch nnr den
Hut auf dem Kopfe zu behalten!


Z. Gstern und Fronleichnam in Rom

Zu Rom erschallen um diese Zeit in den Kirchen die Lamentationen und
das Miserere, am anziehendsten natürlich (nicht in musikalischer -- da gebührt der
Lateranskirche der Preis --, wohl aber in sonstiger Beziehung) in Sankt
Peter, der Hauptkirche der gesamten katholischen Christenheit. Hier beginnen
Nu Gründonnerstag um fünf Uhr in der prächtigen Clemcntinischeu Kapelle,
w der Papst Gregor der Große begraben liegt, die Lamentationen, ein Wechsel¬
gesang zwischen den Domherren und dem altberühmten, heute leider nicht mehr
^uf stolzer Höhe stehenden päpstlichen Sängerchor. Während ihrer Dauer
werden nach und nach alle Lichter ausgelöscht; ist das letzte an die Reihe ge-
kommen, so ist es auch im Freien finster geworden, sodaß kein Tageslicht
'Uehr zu den Fenstern hereinbringt, und in dieser völligen Dunkelheit ertönen
Äsbald die ergreifenden Weisen des Miserere. Sobald sie verhallt sind, setzt
^es die Geistlichkeit in Bewegung und zieht feierlich aus der Kapelle heraus
Anich dem Altar, einem Tische von weißem Marmor und bedeutendem Um-
^lig, der in der Mitte des Knppelraums unmittelbar über dem Grabe des
^Postelfürsten Petrus unter dem berühmten Tabernakel Berninis steht. Er
^ heute zur Erinnerung an die Kleiderberaubung und Entblößung Christi
alles Schmucks entkleidet und in dem gespenstischen Dnmmerschein, den ver-
^uzelte Kerzen verbreiten, allein klar erkennbar. Nun kommt die Prozession
Mutlos heran. Neichgekleidete Diener eröffnen sie, es folgen das Kreuz und
^ Priester, die die Messe gelesen haben, weiter die Seminaristen von Sankt
He'ter mit ihrem schönen Spitzenüberwurf über der langen Soutane, die Dom-
ren ur ihren weißen und grauen Pelzmänteln, mehrere gerade in Rom an¬
wende Bischöfe und ein besonders hoher Würdenträger, z. B. der Patriarch
on Konstantinopel. Sie tragen alle in der einen Hand einen großen weißen
wnchartigen Wedel,*) einige von ihnen in der andern eine brennende Kerze,
nachdem die zahlreiche Schar ihre Aufstellung vor dem Altar genommen hat,
ecnnnt die Waschung des Altars als Symbol der Einbalsamierung des Leibes
^Wi/^ Es wird eine Mischung von Öl und feinen Kräutern geweiht und




suo"" ^ Erinnerung an die Psopbündel, deren sich die alten Jsraeliten bei ihren heiligen
prengungen bedienten.
hebe ^.^.^ Deutung der zahlreichen heiligen Gebräuche, aus denen ich nur einige heraus-
' die Ansichten der katholischen Schriftsteller seil alters auseinander.
Italienische Volks- und Airchenfeste

gar tels Hanptschaustück, der von spärlichen hohen Lichtern nmgcbuc, in einem
gläsernen Sarge getragne lebensgroße nackte Leichnam Christi nahte, gerade
als wenn er beigesetzt werden sollte, dn hörte man überall tiefes Schluchzen,
und selbst Männer in den besten Jahren weinten vor innerer Ergriffenheit.
Niemand, der es unterlassen hätte, ein stilles Ave Maria zu beten! Niemand,
der es gewagt hätte, zu spotten, die Ordnung zu stören oder auch nnr den
Hut auf dem Kopfe zu behalten!


Z. Gstern und Fronleichnam in Rom

Zu Rom erschallen um diese Zeit in den Kirchen die Lamentationen und
das Miserere, am anziehendsten natürlich (nicht in musikalischer — da gebührt der
Lateranskirche der Preis —, wohl aber in sonstiger Beziehung) in Sankt
Peter, der Hauptkirche der gesamten katholischen Christenheit. Hier beginnen
Nu Gründonnerstag um fünf Uhr in der prächtigen Clemcntinischeu Kapelle,
w der Papst Gregor der Große begraben liegt, die Lamentationen, ein Wechsel¬
gesang zwischen den Domherren und dem altberühmten, heute leider nicht mehr
^uf stolzer Höhe stehenden päpstlichen Sängerchor. Während ihrer Dauer
werden nach und nach alle Lichter ausgelöscht; ist das letzte an die Reihe ge-
kommen, so ist es auch im Freien finster geworden, sodaß kein Tageslicht
'Uehr zu den Fenstern hereinbringt, und in dieser völligen Dunkelheit ertönen
Äsbald die ergreifenden Weisen des Miserere. Sobald sie verhallt sind, setzt
^es die Geistlichkeit in Bewegung und zieht feierlich aus der Kapelle heraus
Anich dem Altar, einem Tische von weißem Marmor und bedeutendem Um-
^lig, der in der Mitte des Knppelraums unmittelbar über dem Grabe des
^Postelfürsten Petrus unter dem berühmten Tabernakel Berninis steht. Er
^ heute zur Erinnerung an die Kleiderberaubung und Entblößung Christi
alles Schmucks entkleidet und in dem gespenstischen Dnmmerschein, den ver-
^uzelte Kerzen verbreiten, allein klar erkennbar. Nun kommt die Prozession
Mutlos heran. Neichgekleidete Diener eröffnen sie, es folgen das Kreuz und
^ Priester, die die Messe gelesen haben, weiter die Seminaristen von Sankt
He'ter mit ihrem schönen Spitzenüberwurf über der langen Soutane, die Dom-
ren ur ihren weißen und grauen Pelzmänteln, mehrere gerade in Rom an¬
wende Bischöfe und ein besonders hoher Würdenträger, z. B. der Patriarch
on Konstantinopel. Sie tragen alle in der einen Hand einen großen weißen
wnchartigen Wedel,*) einige von ihnen in der andern eine brennende Kerze,
nachdem die zahlreiche Schar ihre Aufstellung vor dem Altar genommen hat,
ecnnnt die Waschung des Altars als Symbol der Einbalsamierung des Leibes
^Wi/^ Es wird eine Mischung von Öl und feinen Kräutern geweiht und




suo„» ^ Erinnerung an die Psopbündel, deren sich die alten Jsraeliten bei ihren heiligen
prengungen bedienten.
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' die Ansichten der katholischen Schriftsteller seil alters auseinander.
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[0189] Italienische Volks- und Airchenfeste gar tels Hanptschaustück, der von spärlichen hohen Lichtern nmgcbuc, in einem gläsernen Sarge getragne lebensgroße nackte Leichnam Christi nahte, gerade als wenn er beigesetzt werden sollte, dn hörte man überall tiefes Schluchzen, und selbst Männer in den besten Jahren weinten vor innerer Ergriffenheit. Niemand, der es unterlassen hätte, ein stilles Ave Maria zu beten! Niemand, der es gewagt hätte, zu spotten, die Ordnung zu stören oder auch nnr den Hut auf dem Kopfe zu behalten! Z. Gstern und Fronleichnam in Rom Zu Rom erschallen um diese Zeit in den Kirchen die Lamentationen und das Miserere, am anziehendsten natürlich (nicht in musikalischer — da gebührt der Lateranskirche der Preis —, wohl aber in sonstiger Beziehung) in Sankt Peter, der Hauptkirche der gesamten katholischen Christenheit. Hier beginnen Nu Gründonnerstag um fünf Uhr in der prächtigen Clemcntinischeu Kapelle, w der Papst Gregor der Große begraben liegt, die Lamentationen, ein Wechsel¬ gesang zwischen den Domherren und dem altberühmten, heute leider nicht mehr ^uf stolzer Höhe stehenden päpstlichen Sängerchor. Während ihrer Dauer werden nach und nach alle Lichter ausgelöscht; ist das letzte an die Reihe ge- kommen, so ist es auch im Freien finster geworden, sodaß kein Tageslicht 'Uehr zu den Fenstern hereinbringt, und in dieser völligen Dunkelheit ertönen Äsbald die ergreifenden Weisen des Miserere. Sobald sie verhallt sind, setzt ^es die Geistlichkeit in Bewegung und zieht feierlich aus der Kapelle heraus Anich dem Altar, einem Tische von weißem Marmor und bedeutendem Um- ^lig, der in der Mitte des Knppelraums unmittelbar über dem Grabe des ^Postelfürsten Petrus unter dem berühmten Tabernakel Berninis steht. Er ^ heute zur Erinnerung an die Kleiderberaubung und Entblößung Christi alles Schmucks entkleidet und in dem gespenstischen Dnmmerschein, den ver- ^uzelte Kerzen verbreiten, allein klar erkennbar. Nun kommt die Prozession Mutlos heran. Neichgekleidete Diener eröffnen sie, es folgen das Kreuz und ^ Priester, die die Messe gelesen haben, weiter die Seminaristen von Sankt He'ter mit ihrem schönen Spitzenüberwurf über der langen Soutane, die Dom- ren ur ihren weißen und grauen Pelzmänteln, mehrere gerade in Rom an¬ wende Bischöfe und ein besonders hoher Würdenträger, z. B. der Patriarch on Konstantinopel. Sie tragen alle in der einen Hand einen großen weißen wnchartigen Wedel,*) einige von ihnen in der andern eine brennende Kerze, nachdem die zahlreiche Schar ihre Aufstellung vor dem Altar genommen hat, ecnnnt die Waschung des Altars als Symbol der Einbalsamierung des Leibes ^Wi/^ Es wird eine Mischung von Öl und feinen Kräutern geweiht und suo„» ^ Erinnerung an die Psopbündel, deren sich die alten Jsraeliten bei ihren heiligen prengungen bedienten. hebe ^.^.^ Deutung der zahlreichen heiligen Gebräuche, aus denen ich nur einige heraus- ' die Ansichten der katholischen Schriftsteller seil alters auseinander.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341871_233233/189>, abgerufen am 03.05.2024.