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Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Drittes Vierteljahr.

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L?aarlem, eine Sommerfrische
von A. p. (Schluß)

laarlem hatte einst im spanische" Kriege furchtbar gelitte". Nach
langer Belagerung im Jahre 1573 erobert und verwüstet, wurde
es bald darauf "och durch einen großen Brand Heiingesucht, in
dein auch köstliche Werke einer ältern Malerei -- von Dirck
lBonts, Aelbert Ouwajer "ut Gecrtgen van sind Jans -- zu
Grunde gegangen sind, I" dem neuen Jahrhundert blühte die Stadt schnell
wieder auf, 1022 hatte sie schon 40000 Einwohner, also zwei Drittel ihrer
heutigen Zahl, Das neue Leben führte eine neue Kunst mit sich, die nicht
an die frühere Heiligeumalerei anknüpfte, sondern ganz in den Anregungen der
Gegenwart stand. Die Landschafter und die Maler kleiner Figuren haben
wir schon kennen gelernt. Aber eS giebt noch eine Großmalerei, die mehr be¬
deutet, ihr wichtigster Vertreter ist Frans Hals, der 1580 oder 1581 in Ant¬
werpen, wohin seine Eltern aus Haarlem geflüchtet waren, geboren, als Zwanzig¬
jähriger in seine Heimat zurückkehrte und hier bis an seinen Tod 10<><> lebte.
Er hat nichts gemalt als Köpfe und Körper, Porträts, wie die systematisierende
Knnstbetrachtuug sagt, aber er hat diese Gattung auf eine Höhe gebracht, die ihm
seinen Nang neben den größten Malern überhaupt gegeben hat. Wenn man
seine Bildnisse in Galerie", wo er gut vertreten ist, z. B. in Kassel oder auch
in Berlin kennen gelernt hat, so hat man doch nnr einen unvollkommnen Be¬
griff von ihm, solange nun noch nicht das Haarlemer Museum gesehen hat.
Sind wir in diese bescheidnen, aber gut gehaltnen Räume in dem Rathaus
am Großen Markt eingetreten, so umfängt uns eine historische Stimmung; der
Geist der Vergangenheit lebt hier. Wenig Städte haben ein solches Archiv
von lebendigen llrknnden ihrer Vorzeit, und wie anders wirke" sie hier a"
ihrem Ursprnngsort, als wen" Nur sie uns in einer großen Galerie aus vielem
ähnlichen heraussuchen müßten! Ein freundlicher nider Aufseher mit einem
großen Brillanten in der Krawatte (jeder Holländer, der etwas vorstellt, hat
wenigstens einen Diamanten an sich) sitzt hinter seinem Büchertisch und läßt
uns diskret gewähren. Solche Äußerlichkeiten sind nicht gleichgültig für den
Eindruck. In dem herrlichen alten Brügge ist beispielsweise das sogenannte
Museum in einem schämenswerte" Zustande, und in den, weltberühmten Johmmis-
spitnl dort läuft ein imbeciller alter Fex herum, eleudet uus mit seinen teller¬
großen Vergrößerungsgläsern und schneidet Gesichter, wenn man ihm nicht




L?aarlem, eine Sommerfrische
von A. p. (Schluß)

laarlem hatte einst im spanische» Kriege furchtbar gelitte». Nach
langer Belagerung im Jahre 1573 erobert und verwüstet, wurde
es bald darauf »och durch einen großen Brand Heiingesucht, in
dein auch köstliche Werke einer ältern Malerei — von Dirck
lBonts, Aelbert Ouwajer »ut Gecrtgen van sind Jans — zu
Grunde gegangen sind, I» dem neuen Jahrhundert blühte die Stadt schnell
wieder auf, 1022 hatte sie schon 40000 Einwohner, also zwei Drittel ihrer
heutigen Zahl, Das neue Leben führte eine neue Kunst mit sich, die nicht
an die frühere Heiligeumalerei anknüpfte, sondern ganz in den Anregungen der
Gegenwart stand. Die Landschafter und die Maler kleiner Figuren haben
wir schon kennen gelernt. Aber eS giebt noch eine Großmalerei, die mehr be¬
deutet, ihr wichtigster Vertreter ist Frans Hals, der 1580 oder 1581 in Ant¬
werpen, wohin seine Eltern aus Haarlem geflüchtet waren, geboren, als Zwanzig¬
jähriger in seine Heimat zurückkehrte und hier bis an seinen Tod 10<><> lebte.
Er hat nichts gemalt als Köpfe und Körper, Porträts, wie die systematisierende
Knnstbetrachtuug sagt, aber er hat diese Gattung auf eine Höhe gebracht, die ihm
seinen Nang neben den größten Malern überhaupt gegeben hat. Wenn man
seine Bildnisse in Galerie», wo er gut vertreten ist, z. B. in Kassel oder auch
in Berlin kennen gelernt hat, so hat man doch nnr einen unvollkommnen Be¬
griff von ihm, solange nun noch nicht das Haarlemer Museum gesehen hat.
Sind wir in diese bescheidnen, aber gut gehaltnen Räume in dem Rathaus
am Großen Markt eingetreten, so umfängt uns eine historische Stimmung; der
Geist der Vergangenheit lebt hier. Wenig Städte haben ein solches Archiv
von lebendigen llrknnden ihrer Vorzeit, und wie anders wirke» sie hier a»
ihrem Ursprnngsort, als wen» Nur sie uns in einer großen Galerie aus vielem
ähnlichen heraussuchen müßten! Ein freundlicher nider Aufseher mit einem
großen Brillanten in der Krawatte (jeder Holländer, der etwas vorstellt, hat
wenigstens einen Diamanten an sich) sitzt hinter seinem Büchertisch und läßt
uns diskret gewähren. Solche Äußerlichkeiten sind nicht gleichgültig für den
Eindruck. In dem herrlichen alten Brügge ist beispielsweise das sogenannte
Museum in einem schämenswerte» Zustande, und in den, weltberühmten Johmmis-
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341871_233233/83>, abgerufen am 02.05.2024.