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Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Drittes Vierteljahr.

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Militärische Randglossen zum Lnrenkriege

englische Oberstleutnant sie wie Ballast über Bord, unbekümmert, was aus
den schon halbverhungerter armen Teufeln wird -- denn daß die Buren, deren
Endziel die Bezwingung der Stadt gerade durch Hunger war, diesen Ausbruch
uicht dulden würden, lag doch auf der Hand. So kam es denn auch, und
Baden-Powell mußte Wohl oder übel den -- Rest wieder aufnehmen. Aber
es waren ihrer doch weniger geworden -- und daheim, im geflissentlich menschen¬
freundlichen England, war man außer sich über solch grausames Beginnen?
Nein; man fand alles ganz in der Ordnung. Die That aber schreit uach
Vergeltung.

Zum Teil stellte sie sich in Gestalt böser Hungertage auch ein. Statt
der mit Zuversicht erwarteten Hilfe kam anfang April, nachdem die Behörden
Kapstadts schon Ende März einen Feiertag für die vermeintlich unmittelbar
bevorstehende Befreiung angeordnet hatten, eine Botschaft von Lord Roberts an,
worin er "befiehlt," daß sich Mafeting bis zum 18. Mai zu halten habe.
Was sollte der gute Lord mich anders thun, als "befehlen," nachdem ihm
-- Quelle: die I^ivvrxool 1)als ?v8t -- seine Königin kategorisch "befohlen"
hatte, Mafeting zu befreien? Die bösen Buren erwiesen sich den Robertsschen
Befehlen gegenüber ganz unzugänglich und ließen Lord Methuen, der mit einer
Truppenabteilung vom entsetzten Kimberley aus nordwärts gezogen war, wieder
einmal nicht über einen Fluß, diesesmal den Vaal. In drei Monaten vermochte
Methuen den Übergang bei Warreuton nicht zu erzwingen, und erst als in den
ersten Tagen des Mai eine von Natal herbeigeholte Division (Hunter) in
dieser Gegend eingriff, gewannen die Dinge ein andres Gesicht. Einer weit
nach Westen ausgreifenden Kolonne Berittener von etwa 3000 Mann gelang
es nach tapfrer Gegenwehr seitens der schwachen Bnrenkominandos, die sieben
Monate eingeschlossen gewesene Stadt zu entsetzen. Der kurz zuvor von
Krügers Enkel Sarel Eloff unternommne Sturmangriff scheiterte, weil die
nachrückenden Abteilungen fehlten, die in solche" Fällen das Gewonnene zu
sichern haben. Am 17. Mai wurde die militärisch ganz wertlose Stadt befreit;
da Roberts aber den 18. als Erlösnngstag vorhergesagt hatte, blieb die
englische Legende dabei, die Berechnungen des großen Strategen -- selbstver¬
ständlich kann von solchen gar uicht die Rede sein -- zu preisen und am 18.
festzuhalten. In London neues Dilirinm; Oberst Baden-Powell wurde mit
Überspringnng von 190 Vorderleuteu zum Generalmajor befördert. Nicht
immer ist "der Finger Gottes in der Weltgeschichte" erkennbar.

(Schluß folgt)




Militärische Randglossen zum Lnrenkriege

englische Oberstleutnant sie wie Ballast über Bord, unbekümmert, was aus
den schon halbverhungerter armen Teufeln wird — denn daß die Buren, deren
Endziel die Bezwingung der Stadt gerade durch Hunger war, diesen Ausbruch
uicht dulden würden, lag doch auf der Hand. So kam es denn auch, und
Baden-Powell mußte Wohl oder übel den — Rest wieder aufnehmen. Aber
es waren ihrer doch weniger geworden — und daheim, im geflissentlich menschen¬
freundlichen England, war man außer sich über solch grausames Beginnen?
Nein; man fand alles ganz in der Ordnung. Die That aber schreit uach
Vergeltung.

Zum Teil stellte sie sich in Gestalt böser Hungertage auch ein. Statt
der mit Zuversicht erwarteten Hilfe kam anfang April, nachdem die Behörden
Kapstadts schon Ende März einen Feiertag für die vermeintlich unmittelbar
bevorstehende Befreiung angeordnet hatten, eine Botschaft von Lord Roberts an,
worin er „befiehlt," daß sich Mafeting bis zum 18. Mai zu halten habe.
Was sollte der gute Lord mich anders thun, als „befehlen," nachdem ihm
— Quelle: die I^ivvrxool 1)als ?v8t — seine Königin kategorisch „befohlen"
hatte, Mafeting zu befreien? Die bösen Buren erwiesen sich den Robertsschen
Befehlen gegenüber ganz unzugänglich und ließen Lord Methuen, der mit einer
Truppenabteilung vom entsetzten Kimberley aus nordwärts gezogen war, wieder
einmal nicht über einen Fluß, diesesmal den Vaal. In drei Monaten vermochte
Methuen den Übergang bei Warreuton nicht zu erzwingen, und erst als in den
ersten Tagen des Mai eine von Natal herbeigeholte Division (Hunter) in
dieser Gegend eingriff, gewannen die Dinge ein andres Gesicht. Einer weit
nach Westen ausgreifenden Kolonne Berittener von etwa 3000 Mann gelang
es nach tapfrer Gegenwehr seitens der schwachen Bnrenkominandos, die sieben
Monate eingeschlossen gewesene Stadt zu entsetzen. Der kurz zuvor von
Krügers Enkel Sarel Eloff unternommne Sturmangriff scheiterte, weil die
nachrückenden Abteilungen fehlten, die in solche» Fällen das Gewonnene zu
sichern haben. Am 17. Mai wurde die militärisch ganz wertlose Stadt befreit;
da Roberts aber den 18. als Erlösnngstag vorhergesagt hatte, blieb die
englische Legende dabei, die Berechnungen des großen Strategen — selbstver¬
ständlich kann von solchen gar uicht die Rede sein — zu preisen und am 18.
festzuhalten. In London neues Dilirinm; Oberst Baden-Powell wurde mit
Überspringnng von 190 Vorderleuteu zum Generalmajor befördert. Nicht
immer ist „der Finger Gottes in der Weltgeschichte" erkennbar.

(Schluß folgt)




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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341871_233233/82>, abgerufen am 19.05.2024.