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Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Zweites Vierteljahr.

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Wohnungs- und Bodenpolitik

uns selbst zu arbeite", damit sich die Kluft, wemi es eine gäbe, je eher je
lieber schlösse?

Mit selbstbewußtem in den Tag hinein tadeln wird nichts gefördert; sich
mit allen Kräften an den Karren stemmen, an dem der Kaiser -- von ihm
kann man es wohl sagen -- zieht, das ist echt staatsbürgerliche und patrio¬
tisch G, Se, e Gesinnung und Handlungsweise,




Wohnungs- und Bodenpolitik

in 19. März haben die preußischen Minister des Innern, des
Kultus und des Handels an die Regierungspräsidenten einen
Erlaß über die Wohnungsfrage gerichtet, den man vielleicht als
die Einleitung zu einer neuen Ära preußischer Wohnnngs- und
Bodenpolitik betrachten darf.

In vielen Teilen des Staatsgebiets, so beginnt der Erlaß, in fast allen
größern und zahlreichen mittlern und kleinern Städten und namentlich in den
Industriebezirken herrschten zum Teil Mißstände im Wohnungswesen der minder
bemittelten Vevölkerungsklassen, deren Beseitigung sowohl im Interesse der
Gesundheit wie besonders im sozialen und sittlichen Interesse dringend ge¬
boten erscheine. Wenn sich auch ein durchgreifender Erfolg nach Lage der
Verhältnisse nnr durch ein umfassendes gesetzliches Vorgehn auf den verschiednen
Verwaltnngszweigen erreichen lassen würde, so erscheine es doch wünschens¬
wert, daß schon vor den "in Vorbereitung befindlichen Änderungen der Gesetz¬
gebung" im Verwaltungswege alle Maßnahmen getroffen würden, die schon
nach dem gegenwärtigen Stande der Gesetzgebung in befriedigender Weise
durchgeführt werden könnten und geeignet erschienen, den bestehenden Wohnungs¬
mißständen wenigstens zum Teil abzuhelfen.
'

Wenn nunauch bis jetzt weder über die grundsätzliche Richtung, in der
sich die Vorbereitung des in Aussicht genommnen umfassenden gesetzlichen Vor¬
gehens bewegt, noch über die Mittel und Wege, die dabei für praktikabel ge¬
halten werden, etwas bekannt geworden ist. so ist doch schon die in dieser
Form gemachte Aulüudiqung einer gesetzgeberischen Aktion großen Stils auf
einem so überaus wichtige" und schwierigen Gebiet von großer Bedeutung.
und sie ist geeignet die in der öffentlichen Meinung schon seit wahren sehr
eifrig betriebne Diskussion über Wohn- und Bodenreform zu noch größerer
Lebhaftigkeit anzufachen. Hoffentlich wird der Gedanke, daß nun kalt mit
solchen Reformen Ernst gemacht werden soll, dazu beitragen, daß die Reform-
ideen ihrer theoretischen und hypothetischen Überschwenglichst und Unklarheit


Wohnungs- und Bodenpolitik

uns selbst zu arbeite», damit sich die Kluft, wemi es eine gäbe, je eher je
lieber schlösse?

Mit selbstbewußtem in den Tag hinein tadeln wird nichts gefördert; sich
mit allen Kräften an den Karren stemmen, an dem der Kaiser — von ihm
kann man es wohl sagen — zieht, das ist echt staatsbürgerliche und patrio¬
tisch G, Se, e Gesinnung und Handlungsweise,




Wohnungs- und Bodenpolitik

in 19. März haben die preußischen Minister des Innern, des
Kultus und des Handels an die Regierungspräsidenten einen
Erlaß über die Wohnungsfrage gerichtet, den man vielleicht als
die Einleitung zu einer neuen Ära preußischer Wohnnngs- und
Bodenpolitik betrachten darf.

In vielen Teilen des Staatsgebiets, so beginnt der Erlaß, in fast allen
größern und zahlreichen mittlern und kleinern Städten und namentlich in den
Industriebezirken herrschten zum Teil Mißstände im Wohnungswesen der minder
bemittelten Vevölkerungsklassen, deren Beseitigung sowohl im Interesse der
Gesundheit wie besonders im sozialen und sittlichen Interesse dringend ge¬
boten erscheine. Wenn sich auch ein durchgreifender Erfolg nach Lage der
Verhältnisse nnr durch ein umfassendes gesetzliches Vorgehn auf den verschiednen
Verwaltnngszweigen erreichen lassen würde, so erscheine es doch wünschens¬
wert, daß schon vor den „in Vorbereitung befindlichen Änderungen der Gesetz¬
gebung" im Verwaltungswege alle Maßnahmen getroffen würden, die schon
nach dem gegenwärtigen Stande der Gesetzgebung in befriedigender Weise
durchgeführt werden könnten und geeignet erschienen, den bestehenden Wohnungs¬
mißständen wenigstens zum Teil abzuhelfen.
'

Wenn nunauch bis jetzt weder über die grundsätzliche Richtung, in der
sich die Vorbereitung des in Aussicht genommnen umfassenden gesetzlichen Vor¬
gehens bewegt, noch über die Mittel und Wege, die dabei für praktikabel ge¬
halten werden, etwas bekannt geworden ist. so ist doch schon die in dieser
Form gemachte Aulüudiqung einer gesetzgeberischen Aktion großen Stils auf
einem so überaus wichtige» und schwierigen Gebiet von großer Bedeutung.
und sie ist geeignet die in der öffentlichen Meinung schon seit wahren sehr
eifrig betriebne Diskussion über Wohn- und Bodenreform zu noch größerer
Lebhaftigkeit anzufachen. Hoffentlich wird der Gedanke, daß nun kalt mit
solchen Reformen Ernst gemacht werden soll, dazu beitragen, daß die Reform-
ideen ihrer theoretischen und hypothetischen Überschwenglichst und Unklarheit


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[0255] Wohnungs- und Bodenpolitik uns selbst zu arbeite», damit sich die Kluft, wemi es eine gäbe, je eher je lieber schlösse? Mit selbstbewußtem in den Tag hinein tadeln wird nichts gefördert; sich mit allen Kräften an den Karren stemmen, an dem der Kaiser — von ihm kann man es wohl sagen — zieht, das ist echt staatsbürgerliche und patrio¬ tisch G, Se, e Gesinnung und Handlungsweise, Wohnungs- und Bodenpolitik in 19. März haben die preußischen Minister des Innern, des Kultus und des Handels an die Regierungspräsidenten einen Erlaß über die Wohnungsfrage gerichtet, den man vielleicht als die Einleitung zu einer neuen Ära preußischer Wohnnngs- und Bodenpolitik betrachten darf. In vielen Teilen des Staatsgebiets, so beginnt der Erlaß, in fast allen größern und zahlreichen mittlern und kleinern Städten und namentlich in den Industriebezirken herrschten zum Teil Mißstände im Wohnungswesen der minder bemittelten Vevölkerungsklassen, deren Beseitigung sowohl im Interesse der Gesundheit wie besonders im sozialen und sittlichen Interesse dringend ge¬ boten erscheine. Wenn sich auch ein durchgreifender Erfolg nach Lage der Verhältnisse nnr durch ein umfassendes gesetzliches Vorgehn auf den verschiednen Verwaltnngszweigen erreichen lassen würde, so erscheine es doch wünschens¬ wert, daß schon vor den „in Vorbereitung befindlichen Änderungen der Gesetz¬ gebung" im Verwaltungswege alle Maßnahmen getroffen würden, die schon nach dem gegenwärtigen Stande der Gesetzgebung in befriedigender Weise durchgeführt werden könnten und geeignet erschienen, den bestehenden Wohnungs¬ mißständen wenigstens zum Teil abzuhelfen. ' Wenn nunauch bis jetzt weder über die grundsätzliche Richtung, in der sich die Vorbereitung des in Aussicht genommnen umfassenden gesetzlichen Vor¬ gehens bewegt, noch über die Mittel und Wege, die dabei für praktikabel ge¬ halten werden, etwas bekannt geworden ist. so ist doch schon die in dieser Form gemachte Aulüudiqung einer gesetzgeberischen Aktion großen Stils auf einem so überaus wichtige» und schwierigen Gebiet von großer Bedeutung. und sie ist geeignet die in der öffentlichen Meinung schon seit wahren sehr eifrig betriebne Diskussion über Wohn- und Bodenreform zu noch größerer Lebhaftigkeit anzufachen. Hoffentlich wird der Gedanke, daß nun kalt mit solchen Reformen Ernst gemacht werden soll, dazu beitragen, daß die Reform- ideen ihrer theoretischen und hypothetischen Überschwenglichst und Unklarheit

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_234529/255>, abgerufen am 05.05.2024.