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Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Drittes Vierteljahr.

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Die Neukolonisation Südamerikas
Lrnst Aapff von

.jM>lähreud in der ziveiten Hälfte deS verflossenen Jahrhunderts Afrika
der Erdteil war, dem sich die kolonisatorische Thätigkeit der
europäischen Völker in ganz besonderen Maße zuwandte, wird uns,
wenn nicht alles trügt, daS neue Jahrhundert vor allem die
! wirtschaftliche Erschließung Südamerikas bringein Dieser Konti¬
nent ist beinahe doppelt so groß als Europa und übertrifft es weit an anbau¬
fähiger Fläche und an Ertragsfähigkeit des Bodens, Während Enropn auf
Millionen Quadratkilometern etwa 350 Millionen Menschen ernähren
muß, beträgt die Gesamtbevölkerung Südamerikas auf etwa 18 Millionen
Quadratkilometern 40 bis 45 Millionen, Seine Urwälder und Savannen
werden, da die klimatischen Verhältnisse fast überall die Siedlung europäischer
Kolonen oder doch wenigstens die Existenz des Europäers ermöglichen, für
eine Reihe von Jahrhunderten genug Boden und Nährkraft haben, ungezählte
Meuschen aufzunehmen. Nur wenn es gelingt, diese Menschen in der richtigen
Auswahl und in entsprechender Menge diesen Ländergebieten zuzuführen und sie
zugleich durch auswärtiges Kapital im Bunde mit den technischen Hilfsmitteln der
Neuzeit zu befruchten, wird die vollständige Erschließung der Länder ermöglicht
werden, denn die bisher geleistete Kulturarbeit kann nnr als eine provisorische
betrachtet werden. Es wird sich hier also nicht "in eine Kolonisierung im
gewöhnlichen Sinne, sondern um eine Neukolonisation handeln.

Die Konquistadoren und ihre Nachkommen waren wohl imstande, die
Politischen Grenzen der verschiednen Stantcngebilde abzustecken und innerhalb
dieser Nachahmungen oder vielfach mich nur Zerrbilder höher stehender Staats¬
wesen, vor allem der nordamerikanischen Union, zu schaffen, aber lebenskräftige
Politische Gemeinwesen auf gesunder wirtschaftlicher Grundlage haben sie nicht
ins Leben zu rufen vermocht. Erst in neuerer Zeit wurde mit einer einiger¬
maßen auf der Höhe der Zeit stehenden Kolonisation der Anfang gemacht, als'


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Die Neukolonisation Südamerikas
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der Erdteil war, dem sich die kolonisatorische Thätigkeit der
europäischen Völker in ganz besonderen Maße zuwandte, wird uns,
wenn nicht alles trügt, daS neue Jahrhundert vor allem die
! wirtschaftliche Erschließung Südamerikas bringein Dieser Konti¬
nent ist beinahe doppelt so groß als Europa und übertrifft es weit an anbau¬
fähiger Fläche und an Ertragsfähigkeit des Bodens, Während Enropn auf
Millionen Quadratkilometern etwa 350 Millionen Menschen ernähren
muß, beträgt die Gesamtbevölkerung Südamerikas auf etwa 18 Millionen
Quadratkilometern 40 bis 45 Millionen, Seine Urwälder und Savannen
werden, da die klimatischen Verhältnisse fast überall die Siedlung europäischer
Kolonen oder doch wenigstens die Existenz des Europäers ermöglichen, für
eine Reihe von Jahrhunderten genug Boden und Nährkraft haben, ungezählte
Meuschen aufzunehmen. Nur wenn es gelingt, diese Menschen in der richtigen
Auswahl und in entsprechender Menge diesen Ländergebieten zuzuführen und sie
zugleich durch auswärtiges Kapital im Bunde mit den technischen Hilfsmitteln der
Neuzeit zu befruchten, wird die vollständige Erschließung der Länder ermöglicht
werden, denn die bisher geleistete Kulturarbeit kann nnr als eine provisorische
betrachtet werden. Es wird sich hier also nicht »in eine Kolonisierung im
gewöhnlichen Sinne, sondern um eine Neukolonisation handeln.

Die Konquistadoren und ihre Nachkommen waren wohl imstande, die
Politischen Grenzen der verschiednen Stantcngebilde abzustecken und innerhalb
dieser Nachahmungen oder vielfach mich nur Zerrbilder höher stehender Staats¬
wesen, vor allem der nordamerikanischen Union, zu schaffen, aber lebenskräftige
Politische Gemeinwesen auf gesunder wirtschaftlicher Grundlage haben sie nicht
ins Leben zu rufen vermocht. Erst in neuerer Zeit wurde mit einer einiger¬
maßen auf der Höhe der Zeit stehenden Kolonisation der Anfang gemacht, als'


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[0105] [Abbildung] Die Neukolonisation Südamerikas Lrnst Aapff von .jM>lähreud in der ziveiten Hälfte deS verflossenen Jahrhunderts Afrika der Erdteil war, dem sich die kolonisatorische Thätigkeit der europäischen Völker in ganz besonderen Maße zuwandte, wird uns, wenn nicht alles trügt, daS neue Jahrhundert vor allem die ! wirtschaftliche Erschließung Südamerikas bringein Dieser Konti¬ nent ist beinahe doppelt so groß als Europa und übertrifft es weit an anbau¬ fähiger Fläche und an Ertragsfähigkeit des Bodens, Während Enropn auf Millionen Quadratkilometern etwa 350 Millionen Menschen ernähren muß, beträgt die Gesamtbevölkerung Südamerikas auf etwa 18 Millionen Quadratkilometern 40 bis 45 Millionen, Seine Urwälder und Savannen werden, da die klimatischen Verhältnisse fast überall die Siedlung europäischer Kolonen oder doch wenigstens die Existenz des Europäers ermöglichen, für eine Reihe von Jahrhunderten genug Boden und Nährkraft haben, ungezählte Meuschen aufzunehmen. Nur wenn es gelingt, diese Menschen in der richtigen Auswahl und in entsprechender Menge diesen Ländergebieten zuzuführen und sie zugleich durch auswärtiges Kapital im Bunde mit den technischen Hilfsmitteln der Neuzeit zu befruchten, wird die vollständige Erschließung der Länder ermöglicht werden, denn die bisher geleistete Kulturarbeit kann nnr als eine provisorische betrachtet werden. Es wird sich hier also nicht »in eine Kolonisierung im gewöhnlichen Sinne, sondern um eine Neukolonisation handeln. Die Konquistadoren und ihre Nachkommen waren wohl imstande, die Politischen Grenzen der verschiednen Stantcngebilde abzustecken und innerhalb dieser Nachahmungen oder vielfach mich nur Zerrbilder höher stehender Staats¬ wesen, vor allem der nordamerikanischen Union, zu schaffen, aber lebenskräftige Politische Gemeinwesen auf gesunder wirtschaftlicher Grundlage haben sie nicht ins Leben zu rufen vermocht. Erst in neuerer Zeit wurde mit einer einiger¬ maßen auf der Höhe der Zeit stehenden Kolonisation der Anfang gemacht, als' Grenzboten III 1901l?>

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_235171/105>, abgerufen am 27.04.2024.