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Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Drittes Vierteljahr.

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Der Mldfcmg

in unsrer Kunst, das Wettkriecheu der Künstler nach Paris, England oder
Holland, die internationalen Ausstellungen mit ihrer Courtoisie gegen alles
fremde, Cornelius hätte noch ein Gefühl für das Nationaldeutsche gehabt,
auch die vielvcrspottcte alte Düsseldorfer Malerei war ja durchaus heimatlich,
seit wir aber ein Deutsches Reich bekamen, Hütte wieder die Herrschaft der aus¬
ländischen Mode begonnen, und wo sich das Vatcrlandsgefühl einmal etwas
lant gebärde, warne man gleich vor Chauvinismus, Hätten wir Deutsche"
nur etwas von dem Chauvinismus, der in Frankreich alles zusammenheilt --
in der Politik, im Leben und auch in der Kunst. ,,Das Allerschlimmste ist,
daß sogar an leitenden Stellen in dem ja an und für sich zu lobenden Be¬
streben, allen Parteien gerecht zu werden, diesen wurzellosen, weil vaterlands¬
losen Richtungen eine Würdigung zu teil wird, die selbst, wenn sie geringer
wäre, als sie ist, immer noch zu viel thäte," Es gäbe tausend andre Sachen,
die uns nötiger wären als die Kenntnis ausländischer Kunst, Wer sie brauche,
könne sie sich bei den heutige" Verkehrsmitteln leicht und jedenfalls besser
draußen in der Fremde verschaffen, als an ein paar hernusgenvmmncn Bildern,
die auf den bekannten Nachahmungstrieb der Deutschen mir schädlich wirken
könnten, -- Gewiß traurig genug! Wenn nur nicht die Wurzellosen bisweilen
so gut malten, und die nationalen uns oft so sehr langweilten! Was freilich
bei dieser ganzen Nachahmerei schließlich einmal herauskommen soll, ist schlechter¬
dings nicht abzusehen. Vielleicht hilft uns noch eines Tags unsre köstliche
alte deutsche Plastik mit ihren vielen kräftigen Zügen etwas wieder auf.




Der Wildfang
v Adolf Schmitthenner on (Fortsetzung)

me halbe Stunde vor sechs Uhr legte Valentin still die Arbeit nieder.
Keiner von uns andern schaute auf, und keiner sagte ein Wort, Er
ging die Stiege hinauf. Nach einer Weile kam er wieder herein
in seinem Sonntagsgewand, mit hellen Wangen mW Händen, Guten
Feierabend wünschte er uns und verließ die Schmiede.

Wir arbeiteten weiter, ohne zu reden. Als es sechs Uhr zu
schlagen anhub, legte Gerwig die Arbeit hin. Ich that dasselbe. Wir lauschten. Als
der letzte Stundenschlng verhallt war, fing das Armesünderglöcklein an zu läuten.

Ich kannte den Ton von Kindesbeinen an. Es kam mir vor, als hätte es
nie so laut und hurtig geklungen. Natürlich; sie waren ja auch zu zweit.

Nach einer Weile hörte die Glocke auf. Das ist die erste Pause, sagte ich;
jetzt geht der arme Sünder am Kirchturm vorüber.


Der Mldfcmg

in unsrer Kunst, das Wettkriecheu der Künstler nach Paris, England oder
Holland, die internationalen Ausstellungen mit ihrer Courtoisie gegen alles
fremde, Cornelius hätte noch ein Gefühl für das Nationaldeutsche gehabt,
auch die vielvcrspottcte alte Düsseldorfer Malerei war ja durchaus heimatlich,
seit wir aber ein Deutsches Reich bekamen, Hütte wieder die Herrschaft der aus¬
ländischen Mode begonnen, und wo sich das Vatcrlandsgefühl einmal etwas
lant gebärde, warne man gleich vor Chauvinismus, Hätten wir Deutsche»
nur etwas von dem Chauvinismus, der in Frankreich alles zusammenheilt —
in der Politik, im Leben und auch in der Kunst. ,,Das Allerschlimmste ist,
daß sogar an leitenden Stellen in dem ja an und für sich zu lobenden Be¬
streben, allen Parteien gerecht zu werden, diesen wurzellosen, weil vaterlands¬
losen Richtungen eine Würdigung zu teil wird, die selbst, wenn sie geringer
wäre, als sie ist, immer noch zu viel thäte," Es gäbe tausend andre Sachen,
die uns nötiger wären als die Kenntnis ausländischer Kunst, Wer sie brauche,
könne sie sich bei den heutige» Verkehrsmitteln leicht und jedenfalls besser
draußen in der Fremde verschaffen, als an ein paar hernusgenvmmncn Bildern,
die auf den bekannten Nachahmungstrieb der Deutschen mir schädlich wirken
könnten, — Gewiß traurig genug! Wenn nur nicht die Wurzellosen bisweilen
so gut malten, und die nationalen uns oft so sehr langweilten! Was freilich
bei dieser ganzen Nachahmerei schließlich einmal herauskommen soll, ist schlechter¬
dings nicht abzusehen. Vielleicht hilft uns noch eines Tags unsre köstliche
alte deutsche Plastik mit ihren vielen kräftigen Zügen etwas wieder auf.




Der Wildfang
v Adolf Schmitthenner on (Fortsetzung)

me halbe Stunde vor sechs Uhr legte Valentin still die Arbeit nieder.
Keiner von uns andern schaute auf, und keiner sagte ein Wort, Er
ging die Stiege hinauf. Nach einer Weile kam er wieder herein
in seinem Sonntagsgewand, mit hellen Wangen mW Händen, Guten
Feierabend wünschte er uns und verließ die Schmiede.

Wir arbeiteten weiter, ohne zu reden. Als es sechs Uhr zu
schlagen anhub, legte Gerwig die Arbeit hin. Ich that dasselbe. Wir lauschten. Als
der letzte Stundenschlng verhallt war, fing das Armesünderglöcklein an zu läuten.

Ich kannte den Ton von Kindesbeinen an. Es kam mir vor, als hätte es
nie so laut und hurtig geklungen. Natürlich; sie waren ja auch zu zweit.

Nach einer Weile hörte die Glocke auf. Das ist die erste Pause, sagte ich;
jetzt geht der arme Sünder am Kirchturm vorüber.


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[0144] Der Mldfcmg in unsrer Kunst, das Wettkriecheu der Künstler nach Paris, England oder Holland, die internationalen Ausstellungen mit ihrer Courtoisie gegen alles fremde, Cornelius hätte noch ein Gefühl für das Nationaldeutsche gehabt, auch die vielvcrspottcte alte Düsseldorfer Malerei war ja durchaus heimatlich, seit wir aber ein Deutsches Reich bekamen, Hütte wieder die Herrschaft der aus¬ ländischen Mode begonnen, und wo sich das Vatcrlandsgefühl einmal etwas lant gebärde, warne man gleich vor Chauvinismus, Hätten wir Deutsche» nur etwas von dem Chauvinismus, der in Frankreich alles zusammenheilt — in der Politik, im Leben und auch in der Kunst. ,,Das Allerschlimmste ist, daß sogar an leitenden Stellen in dem ja an und für sich zu lobenden Be¬ streben, allen Parteien gerecht zu werden, diesen wurzellosen, weil vaterlands¬ losen Richtungen eine Würdigung zu teil wird, die selbst, wenn sie geringer wäre, als sie ist, immer noch zu viel thäte," Es gäbe tausend andre Sachen, die uns nötiger wären als die Kenntnis ausländischer Kunst, Wer sie brauche, könne sie sich bei den heutige» Verkehrsmitteln leicht und jedenfalls besser draußen in der Fremde verschaffen, als an ein paar hernusgenvmmncn Bildern, die auf den bekannten Nachahmungstrieb der Deutschen mir schädlich wirken könnten, — Gewiß traurig genug! Wenn nur nicht die Wurzellosen bisweilen so gut malten, und die nationalen uns oft so sehr langweilten! Was freilich bei dieser ganzen Nachahmerei schließlich einmal herauskommen soll, ist schlechter¬ dings nicht abzusehen. Vielleicht hilft uns noch eines Tags unsre köstliche alte deutsche Plastik mit ihren vielen kräftigen Zügen etwas wieder auf. Der Wildfang v Adolf Schmitthenner on (Fortsetzung) me halbe Stunde vor sechs Uhr legte Valentin still die Arbeit nieder. Keiner von uns andern schaute auf, und keiner sagte ein Wort, Er ging die Stiege hinauf. Nach einer Weile kam er wieder herein in seinem Sonntagsgewand, mit hellen Wangen mW Händen, Guten Feierabend wünschte er uns und verließ die Schmiede. Wir arbeiteten weiter, ohne zu reden. Als es sechs Uhr zu schlagen anhub, legte Gerwig die Arbeit hin. Ich that dasselbe. Wir lauschten. Als der letzte Stundenschlng verhallt war, fing das Armesünderglöcklein an zu läuten. Ich kannte den Ton von Kindesbeinen an. Es kam mir vor, als hätte es nie so laut und hurtig geklungen. Natürlich; sie waren ja auch zu zweit. Nach einer Weile hörte die Glocke auf. Das ist die erste Pause, sagte ich; jetzt geht der arme Sünder am Kirchturm vorüber.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_235171/144>, abgerufen am 28.04.2024.