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Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Drittes Vierteljahr.

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Die 27eukolonisation Südamerikas
Ernst Kap ff von(Fortsetzung)

^M>^t
MM^I-legenüber den landwirtschaftlich durch ihre Polykultur vorteilhaft
auffallenden Südstaaten kommen die übrigen, die teilweise eine
fast ausschließliche Monokultur aufweisen, wie z. B. Sav Paulo,
dessen ganze wirtschaftliche Entwicklung auf dem Kaffeebau be¬
iruht, für eine deutsche bäuerliche Kolonisation noch wenig in
Betracht, Der finanziell blühendste Staat der Union, Para, verdankt sein
Gedeihen vor allem der Gummierzeugung, und wo ein Handelsartikel so ein¬
seitig das wirtschaftliche Leben beherrscht, müssen mich die rein kapitalistischen
Interessen weitaus im Vordergrund stehn,

Suchen wir über diese beiden Staaten, Argentinien und Brasilien, deren
Zustünde bis zu einem gewissen Grade typisch sind für die südamerikanischen
Staaten überhaupt, zu einem Gesamturteil zu gelangen, so werden wir uns
sagen müssen, daß eine nachhaltige Hebung dieser Länder bei einer Entwick¬
lung in der bisherigen Weise nicht erwartet werden kaun. Ob in Argentinien
die Italiener mehr an die Regierung kommen, oder in Brasilien in einzelnen
Staaten die Nachkommen deutscher, italienischer und slawischer Einwandrer im
Laufe einiger Generationen zu einflußreichen Posten im politischen Leben ge¬
langen, das Gesamtbild wird sich nur wenig verändern. Das gilt sogar für
die Südstaaten, auch wenn sie sich selbständig machen und das schwache Band,
das sie mit der Bundesleituug verbindet, vollends zerreißen würden. Wirk¬
liche Hilfe und Besserung kann nur eine gründliche Befruchtung mit fremden?
Kapital, fremder Arbeitskraft und wahrhaft modernem Geist bringen.

Gegen dieses Eingeständnis sträubt sich nun freilich das nicht gering ent¬
wickelte Selbstgefühl der "echten" Söhne der beiden Lander, Wie'z. B, der
brasilische Jakobiner denkt, d. h, der Anhänger der Partei, die unter der
Devise- Brasilien für die Brasilier, gegen ausländische Einflüsse hetzt, darüber
belehrt uns die "Germania" von Sav Paulo in einer Betrachtung zum Jahres¬
wechsel 1896/97 durch folgende Parabel: "Ein Mann wohnte in einer elenden
H"ete, die aus VnmbuS und Lehm gebaut war. Er hätte sich nun lieber
einen Palast gebaut, und das wäre gar nicht so unmöglich gewesen. Denn
in dem tiefen Brunnen hinter seiner Hütte lag el" riesiger Goldklumpen, der
sein unbestreitbares Eigentum war. Deshalb hielt er sich für unermeßlich reich.
Aber dennoch mußte er in seiner elenden Hütte wohnen bleiben. Denn er


Ärenzbotcn til 1901 SS


Die 27eukolonisation Südamerikas
Ernst Kap ff von(Fortsetzung)

^M>^t
MM^I-legenüber den landwirtschaftlich durch ihre Polykultur vorteilhaft
auffallenden Südstaaten kommen die übrigen, die teilweise eine
fast ausschließliche Monokultur aufweisen, wie z. B. Sav Paulo,
dessen ganze wirtschaftliche Entwicklung auf dem Kaffeebau be¬
iruht, für eine deutsche bäuerliche Kolonisation noch wenig in
Betracht, Der finanziell blühendste Staat der Union, Para, verdankt sein
Gedeihen vor allem der Gummierzeugung, und wo ein Handelsartikel so ein¬
seitig das wirtschaftliche Leben beherrscht, müssen mich die rein kapitalistischen
Interessen weitaus im Vordergrund stehn,

Suchen wir über diese beiden Staaten, Argentinien und Brasilien, deren
Zustünde bis zu einem gewissen Grade typisch sind für die südamerikanischen
Staaten überhaupt, zu einem Gesamturteil zu gelangen, so werden wir uns
sagen müssen, daß eine nachhaltige Hebung dieser Länder bei einer Entwick¬
lung in der bisherigen Weise nicht erwartet werden kaun. Ob in Argentinien
die Italiener mehr an die Regierung kommen, oder in Brasilien in einzelnen
Staaten die Nachkommen deutscher, italienischer und slawischer Einwandrer im
Laufe einiger Generationen zu einflußreichen Posten im politischen Leben ge¬
langen, das Gesamtbild wird sich nur wenig verändern. Das gilt sogar für
die Südstaaten, auch wenn sie sich selbständig machen und das schwache Band,
das sie mit der Bundesleituug verbindet, vollends zerreißen würden. Wirk¬
liche Hilfe und Besserung kann nur eine gründliche Befruchtung mit fremden?
Kapital, fremder Arbeitskraft und wahrhaft modernem Geist bringen.

Gegen dieses Eingeständnis sträubt sich nun freilich das nicht gering ent¬
wickelte Selbstgefühl der „echten" Söhne der beiden Lander, Wie'z. B, der
brasilische Jakobiner denkt, d. h, der Anhänger der Partei, die unter der
Devise- Brasilien für die Brasilier, gegen ausländische Einflüsse hetzt, darüber
belehrt uns die „Germania" von Sav Paulo in einer Betrachtung zum Jahres¬
wechsel 1896/97 durch folgende Parabel: „Ein Mann wohnte in einer elenden
H"ete, die aus VnmbuS und Lehm gebaut war. Er hätte sich nun lieber
einen Palast gebaut, und das wäre gar nicht so unmöglich gewesen. Denn
in dem tiefen Brunnen hinter seiner Hütte lag el» riesiger Goldklumpen, der
sein unbestreitbares Eigentum war. Deshalb hielt er sich für unermeßlich reich.
Aber dennoch mußte er in seiner elenden Hütte wohnen bleiben. Denn er


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[0177] [Abbildung] Die 27eukolonisation Südamerikas Ernst Kap ff von(Fortsetzung) ^M>^t MM^I-legenüber den landwirtschaftlich durch ihre Polykultur vorteilhaft auffallenden Südstaaten kommen die übrigen, die teilweise eine fast ausschließliche Monokultur aufweisen, wie z. B. Sav Paulo, dessen ganze wirtschaftliche Entwicklung auf dem Kaffeebau be¬ iruht, für eine deutsche bäuerliche Kolonisation noch wenig in Betracht, Der finanziell blühendste Staat der Union, Para, verdankt sein Gedeihen vor allem der Gummierzeugung, und wo ein Handelsartikel so ein¬ seitig das wirtschaftliche Leben beherrscht, müssen mich die rein kapitalistischen Interessen weitaus im Vordergrund stehn, Suchen wir über diese beiden Staaten, Argentinien und Brasilien, deren Zustünde bis zu einem gewissen Grade typisch sind für die südamerikanischen Staaten überhaupt, zu einem Gesamturteil zu gelangen, so werden wir uns sagen müssen, daß eine nachhaltige Hebung dieser Länder bei einer Entwick¬ lung in der bisherigen Weise nicht erwartet werden kaun. Ob in Argentinien die Italiener mehr an die Regierung kommen, oder in Brasilien in einzelnen Staaten die Nachkommen deutscher, italienischer und slawischer Einwandrer im Laufe einiger Generationen zu einflußreichen Posten im politischen Leben ge¬ langen, das Gesamtbild wird sich nur wenig verändern. Das gilt sogar für die Südstaaten, auch wenn sie sich selbständig machen und das schwache Band, das sie mit der Bundesleituug verbindet, vollends zerreißen würden. Wirk¬ liche Hilfe und Besserung kann nur eine gründliche Befruchtung mit fremden? Kapital, fremder Arbeitskraft und wahrhaft modernem Geist bringen. Gegen dieses Eingeständnis sträubt sich nun freilich das nicht gering ent¬ wickelte Selbstgefühl der „echten" Söhne der beiden Lander, Wie'z. B, der brasilische Jakobiner denkt, d. h, der Anhänger der Partei, die unter der Devise- Brasilien für die Brasilier, gegen ausländische Einflüsse hetzt, darüber belehrt uns die „Germania" von Sav Paulo in einer Betrachtung zum Jahres¬ wechsel 1896/97 durch folgende Parabel: „Ein Mann wohnte in einer elenden H"ete, die aus VnmbuS und Lehm gebaut war. Er hätte sich nun lieber einen Palast gebaut, und das wäre gar nicht so unmöglich gewesen. Denn in dem tiefen Brunnen hinter seiner Hütte lag el» riesiger Goldklumpen, der sein unbestreitbares Eigentum war. Deshalb hielt er sich für unermeßlich reich. Aber dennoch mußte er in seiner elenden Hütte wohnen bleiben. Denn er Ärenzbotcn til 1901 SS

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_235171/177>, abgerufen am 28.04.2024.