Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Drittes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite


Bürgerliche und militärische Auffassung

! er Kaiser hat die Wahl Kauffmanns zum zweiten Bürgermeister
von Berlin nicht bestätigt. Daß hierfür nicht die politische Ge¬
sinnung Kanffmanns als solche bestimmend war, beweist der
Umstand, daß sowohl Oberbürgermeister Kirschner als Bürger¬
lmeister Brinkmnnn, durch dessen unerwarteten Tod eine Neuwahl
nötig wurde, die königliche Bestätigung erhalten haben. Am besten beglaubigt
ist die Annahme, daß der Kaiser wegen der militärischen Schicksale Kanffmanns
die Bestätigung versagt hat- Kauffmnun ist in jünger" Jahren unfreiwillig
aus der Stellung als Reserveoffizier geschieden. Von dieser Annahme gehn
zahlreiche freisinnige und klerikale Blatter ans, und gerade um dieses nicht
ohne Grund für wahr gehaltnen Motivs willen greifen sie die kaiserliche Ent¬
scheidung scharf an. Auch Nur nehmen im folgenden an, daß an dieser Dar¬
stellung etwas Wahres ist; sollte sie sich wider Erwarten als unrichtig erweisen,
so behalten doch die folgenden Ausführungen ihre allgemeine Giltigkeit. Die
Gesinnung, ans der diese Zeilen geschrieben sind, ist durch und durch liberal,
auch sind wir voll lebhafter Sympathie für die Selbstverwaltung, aber wir
wollen zwischen den militärischen und den bürgerlichen Einrichtungen unbedingt
so oder so einen Einklang hergestellt wissen, wie uus das für einen Staat
selbstverständlich erscheint, wo das Heer nichts andres ist als das Volk in
Waffen.

Gründe, die mit den militärischen Einrichtungen des Vaterlandes zusammen¬
hängen so nehmen nur um --, haben den Kaiser veranlaßt, den zum Bei¬
geordneten in Kreuznach gewählten Herrn Salomon, dem konservative Ge¬
sinnung nachgesagt wird, nicht zu bestätigen, sie haben jetzt Knuffmanns
Bestätigung verhindert, und sie können morgen zur Ablehnung eines drittel?
führen. Über die Rechtslage ist in all diesen Fällen kein Streit. Man hat
manchmal dem Kaiser eine Überschreitung der ihm dnrch die Verfassung ge¬
zognen Schranken nachweisen zu können geglaubt, davon ist hier nicht die Rede;
der Kaiser braucht keinen zu bestätigen, den er uicht bestätige" Null. Man


Grenzboten III 1901 25


Bürgerliche und militärische Auffassung

! er Kaiser hat die Wahl Kauffmanns zum zweiten Bürgermeister
von Berlin nicht bestätigt. Daß hierfür nicht die politische Ge¬
sinnung Kanffmanns als solche bestimmend war, beweist der
Umstand, daß sowohl Oberbürgermeister Kirschner als Bürger¬
lmeister Brinkmnnn, durch dessen unerwarteten Tod eine Neuwahl
nötig wurde, die königliche Bestätigung erhalten haben. Am besten beglaubigt
ist die Annahme, daß der Kaiser wegen der militärischen Schicksale Kanffmanns
die Bestätigung versagt hat- Kauffmnun ist in jünger» Jahren unfreiwillig
aus der Stellung als Reserveoffizier geschieden. Von dieser Annahme gehn
zahlreiche freisinnige und klerikale Blatter ans, und gerade um dieses nicht
ohne Grund für wahr gehaltnen Motivs willen greifen sie die kaiserliche Ent¬
scheidung scharf an. Auch Nur nehmen im folgenden an, daß an dieser Dar¬
stellung etwas Wahres ist; sollte sie sich wider Erwarten als unrichtig erweisen,
so behalten doch die folgenden Ausführungen ihre allgemeine Giltigkeit. Die
Gesinnung, ans der diese Zeilen geschrieben sind, ist durch und durch liberal,
auch sind wir voll lebhafter Sympathie für die Selbstverwaltung, aber wir
wollen zwischen den militärischen und den bürgerlichen Einrichtungen unbedingt
so oder so einen Einklang hergestellt wissen, wie uus das für einen Staat
selbstverständlich erscheint, wo das Heer nichts andres ist als das Volk in
Waffen.

Gründe, die mit den militärischen Einrichtungen des Vaterlandes zusammen¬
hängen so nehmen nur um —, haben den Kaiser veranlaßt, den zum Bei¬
geordneten in Kreuznach gewählten Herrn Salomon, dem konservative Ge¬
sinnung nachgesagt wird, nicht zu bestätigen, sie haben jetzt Knuffmanns
Bestätigung verhindert, und sie können morgen zur Ablehnung eines drittel?
führen. Über die Rechtslage ist in all diesen Fällen kein Streit. Man hat
manchmal dem Kaiser eine Überschreitung der ihm dnrch die Verfassung ge¬
zognen Schranken nachweisen zu können geglaubt, davon ist hier nicht die Rede;
der Kaiser braucht keinen zu bestätigen, den er uicht bestätige» Null. Man


Grenzboten III 1901 25
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0201" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/235373"/>
          <figure facs="http://media.dwds.de/dta/images/grenzboten_341873_235171/figures/grenzboten_341873_235171_235373_000.jpg"/><lb/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Bürgerliche und militärische Auffassung</head><lb/>
          <p xml:id="ID_931"> ! er Kaiser hat die Wahl Kauffmanns zum zweiten Bürgermeister<lb/>
von Berlin nicht bestätigt. Daß hierfür nicht die politische Ge¬<lb/>
sinnung Kanffmanns als solche bestimmend war, beweist der<lb/>
Umstand, daß sowohl Oberbürgermeister Kirschner als Bürger¬<lb/>
lmeister Brinkmnnn, durch dessen unerwarteten Tod eine Neuwahl<lb/>
nötig wurde, die königliche Bestätigung erhalten haben. Am besten beglaubigt<lb/>
ist die Annahme, daß der Kaiser wegen der militärischen Schicksale Kanffmanns<lb/>
die Bestätigung versagt hat- Kauffmnun ist in jünger» Jahren unfreiwillig<lb/>
aus der Stellung als Reserveoffizier geschieden. Von dieser Annahme gehn<lb/>
zahlreiche freisinnige und klerikale Blatter ans, und gerade um dieses nicht<lb/>
ohne Grund für wahr gehaltnen Motivs willen greifen sie die kaiserliche Ent¬<lb/>
scheidung scharf an. Auch Nur nehmen im folgenden an, daß an dieser Dar¬<lb/>
stellung etwas Wahres ist; sollte sie sich wider Erwarten als unrichtig erweisen,<lb/>
so behalten doch die folgenden Ausführungen ihre allgemeine Giltigkeit. Die<lb/>
Gesinnung, ans der diese Zeilen geschrieben sind, ist durch und durch liberal,<lb/>
auch sind wir voll lebhafter Sympathie für die Selbstverwaltung, aber wir<lb/>
wollen zwischen den militärischen und den bürgerlichen Einrichtungen unbedingt<lb/>
so oder so einen Einklang hergestellt wissen, wie uus das für einen Staat<lb/>
selbstverständlich erscheint, wo das Heer nichts andres ist als das Volk in<lb/>
Waffen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_932" next="#ID_933"> Gründe, die mit den militärischen Einrichtungen des Vaterlandes zusammen¬<lb/>
hängen so nehmen nur um &#x2014;, haben den Kaiser veranlaßt, den zum Bei¬<lb/>
geordneten in Kreuznach gewählten Herrn Salomon, dem konservative Ge¬<lb/>
sinnung nachgesagt wird, nicht zu bestätigen, sie haben jetzt Knuffmanns<lb/>
Bestätigung verhindert, und sie können morgen zur Ablehnung eines drittel?<lb/>
führen. Über die Rechtslage ist in all diesen Fällen kein Streit. Man hat<lb/>
manchmal dem Kaiser eine Überschreitung der ihm dnrch die Verfassung ge¬<lb/>
zognen Schranken nachweisen zu können geglaubt, davon ist hier nicht die Rede;<lb/>
der Kaiser braucht keinen zu bestätigen, den er uicht bestätige» Null. Man</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten III 1901 25</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0201] [Abbildung] Bürgerliche und militärische Auffassung ! er Kaiser hat die Wahl Kauffmanns zum zweiten Bürgermeister von Berlin nicht bestätigt. Daß hierfür nicht die politische Ge¬ sinnung Kanffmanns als solche bestimmend war, beweist der Umstand, daß sowohl Oberbürgermeister Kirschner als Bürger¬ lmeister Brinkmnnn, durch dessen unerwarteten Tod eine Neuwahl nötig wurde, die königliche Bestätigung erhalten haben. Am besten beglaubigt ist die Annahme, daß der Kaiser wegen der militärischen Schicksale Kanffmanns die Bestätigung versagt hat- Kauffmnun ist in jünger» Jahren unfreiwillig aus der Stellung als Reserveoffizier geschieden. Von dieser Annahme gehn zahlreiche freisinnige und klerikale Blatter ans, und gerade um dieses nicht ohne Grund für wahr gehaltnen Motivs willen greifen sie die kaiserliche Ent¬ scheidung scharf an. Auch Nur nehmen im folgenden an, daß an dieser Dar¬ stellung etwas Wahres ist; sollte sie sich wider Erwarten als unrichtig erweisen, so behalten doch die folgenden Ausführungen ihre allgemeine Giltigkeit. Die Gesinnung, ans der diese Zeilen geschrieben sind, ist durch und durch liberal, auch sind wir voll lebhafter Sympathie für die Selbstverwaltung, aber wir wollen zwischen den militärischen und den bürgerlichen Einrichtungen unbedingt so oder so einen Einklang hergestellt wissen, wie uus das für einen Staat selbstverständlich erscheint, wo das Heer nichts andres ist als das Volk in Waffen. Gründe, die mit den militärischen Einrichtungen des Vaterlandes zusammen¬ hängen so nehmen nur um —, haben den Kaiser veranlaßt, den zum Bei¬ geordneten in Kreuznach gewählten Herrn Salomon, dem konservative Ge¬ sinnung nachgesagt wird, nicht zu bestätigen, sie haben jetzt Knuffmanns Bestätigung verhindert, und sie können morgen zur Ablehnung eines drittel? führen. Über die Rechtslage ist in all diesen Fällen kein Streit. Man hat manchmal dem Kaiser eine Überschreitung der ihm dnrch die Verfassung ge¬ zognen Schranken nachweisen zu können geglaubt, davon ist hier nicht die Rede; der Kaiser braucht keinen zu bestätigen, den er uicht bestätige» Null. Man Grenzboten III 1901 25

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_235171
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_235171/201
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_235171/201>, abgerufen am 28.04.2024.