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Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Drittes Vierteljahr.

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Bürgerliche und militärische Auffassung

kam weiter überzeugt sein, daß der Kaiser sein landesherrliches Bestätignngs-
recbt für ein gutes Recht halt, das zum Frommen des Landes ist, und das
er ungeschmälert, eben um des Landes willen, seinem Nachfolger an der preu¬
ßischen Krone vererben muß. Nun kommen dein jetzigen Träger dieses Kron-
rcchts, als er wieder einmal um seine landesherrliche Bestätigung angegangen
wird, Bedenken, die auf militärischem Gebiet ihren Ursprung haben.

Das ist ja gerade das Falsche, so wenden hier die Gegner der kaiserlichen
Entscheidung ein, daß militärische Erwägungen und Bewertungen in solchen
Fragen eine Rolle spielen; es handelt sich hier um einen Gemeindebeamten,
für dessen Tüchtigkeit und Würdigkeit es ganz gleichgiltig ist, was ihm vor
zwanzig Jahren in seinem Militärverhältnis begegnet ist; das militärische und
das bürgerliche Gebiet müssen streng getrennt werden. Wer sagt das alles?
Die Freisinnige Zeitung lind viele andre freisinnige und klerikale Zeitungen.
Gut, aber wenn diese Zeitungen das anch sagen, so genügt das doch noch
nicht; gerade sie haben leider schon häufig über militärische Dinge falsche Urteile
abgegeben. Es soll ihnen hier in keiner Weise zu nahe getreten werden, aber
wenn z. B. ein Soldat ans Posten steht, und es kommt ein Bürgersmann des
Wegs und fordert ihn auf, das Gewehr hinzulegen, um ihm eine Handreichnng
zu leisten, so kann es dem Soldaten nicht helfen, daß der andre erklärt: "Was
ich von dir fordre, ist eine harmlose Sache, nnter der dein Dienst nicht leidet";
offenbar ist der andre "venig berufen, das zu entscheiden. Der Kaiser ist nicht
bloß Soldat, aber auch er steht auf einem Posten und hat Wache zu halten.
Auch kann die Freisinnige Zeitung ihm kein Gran der Verantwortung ab¬
nehmen, die auf ihm ruht, denn ihm vor allen andern, auch vor der Frei-
sinnigen Zeitung, ist die Hegung des ungeheuern militärischen Erbes anvertraut,
das ans der Ant Wilhelms I. und aus noch ältern Tagen auf uus gekommen
ist. Sind um aber die Bedenken, die dem vornehmsten Hüter dieses Schatzes
in solchen Füllen aufsteigen, und wenn sie ihm aufsteigen, ihn im Gewissen
binden, für deu "Bürgersmann" gar so schwer zu verstehn? Ist es so schwer,
sich in seine Lage zu versetzen?

Der Kaiser übt seiue öffentlichen Rechte aus ans Grund der durch die
menschliche Persönlichkeit hergestellten Einheit aller seiner Obliegenheiten, der
bürgerlichen wie der militärischen. Die Trennung von bürgerlich und mili¬
tärisch ist in unserm Staate immer nur durch Abstrnktivu möglich, den" der
Soldat geht ans dem Bürgerstande hervor und hört nicht auf, Bürger zu
sei"; andrerseits stehn viele Männer mit bürgerlicher Beschäftigung in einem
Militärverhältnis, und sie bringen dies fertig nicht kraft irgend einer ver¬
schmitzten Fähigkeit, ein doppeltes Wesen zu treiben, sondern indem sie sich
als volle einheitliche Persönlichkeiten fühlen. Der Kaiser nun vereinigt in
sich die oberste bürgerliche und die oberste militärische Gewalt. Er darf als
militärischer Befehlshaber nichts thun, was er nicht als Herrscher verantworten
kann, er darf aber anch als Herrscher nichts thun, was er nicht als militä¬
rischer Befehlshaber verantworten kann. Z" seinen militärische" Obliegenheiten


Bürgerliche und militärische Auffassung

kam weiter überzeugt sein, daß der Kaiser sein landesherrliches Bestätignngs-
recbt für ein gutes Recht halt, das zum Frommen des Landes ist, und das
er ungeschmälert, eben um des Landes willen, seinem Nachfolger an der preu¬
ßischen Krone vererben muß. Nun kommen dein jetzigen Träger dieses Kron-
rcchts, als er wieder einmal um seine landesherrliche Bestätigung angegangen
wird, Bedenken, die auf militärischem Gebiet ihren Ursprung haben.

Das ist ja gerade das Falsche, so wenden hier die Gegner der kaiserlichen
Entscheidung ein, daß militärische Erwägungen und Bewertungen in solchen
Fragen eine Rolle spielen; es handelt sich hier um einen Gemeindebeamten,
für dessen Tüchtigkeit und Würdigkeit es ganz gleichgiltig ist, was ihm vor
zwanzig Jahren in seinem Militärverhältnis begegnet ist; das militärische und
das bürgerliche Gebiet müssen streng getrennt werden. Wer sagt das alles?
Die Freisinnige Zeitung lind viele andre freisinnige und klerikale Zeitungen.
Gut, aber wenn diese Zeitungen das anch sagen, so genügt das doch noch
nicht; gerade sie haben leider schon häufig über militärische Dinge falsche Urteile
abgegeben. Es soll ihnen hier in keiner Weise zu nahe getreten werden, aber
wenn z. B. ein Soldat ans Posten steht, und es kommt ein Bürgersmann des
Wegs und fordert ihn auf, das Gewehr hinzulegen, um ihm eine Handreichnng
zu leisten, so kann es dem Soldaten nicht helfen, daß der andre erklärt: „Was
ich von dir fordre, ist eine harmlose Sache, nnter der dein Dienst nicht leidet";
offenbar ist der andre »venig berufen, das zu entscheiden. Der Kaiser ist nicht
bloß Soldat, aber auch er steht auf einem Posten und hat Wache zu halten.
Auch kann die Freisinnige Zeitung ihm kein Gran der Verantwortung ab¬
nehmen, die auf ihm ruht, denn ihm vor allen andern, auch vor der Frei-
sinnigen Zeitung, ist die Hegung des ungeheuern militärischen Erbes anvertraut,
das ans der Ant Wilhelms I. und aus noch ältern Tagen auf uus gekommen
ist. Sind um aber die Bedenken, die dem vornehmsten Hüter dieses Schatzes
in solchen Füllen aufsteigen, und wenn sie ihm aufsteigen, ihn im Gewissen
binden, für deu „Bürgersmann" gar so schwer zu verstehn? Ist es so schwer,
sich in seine Lage zu versetzen?

Der Kaiser übt seiue öffentlichen Rechte aus ans Grund der durch die
menschliche Persönlichkeit hergestellten Einheit aller seiner Obliegenheiten, der
bürgerlichen wie der militärischen. Die Trennung von bürgerlich und mili¬
tärisch ist in unserm Staate immer nur durch Abstrnktivu möglich, den» der
Soldat geht ans dem Bürgerstande hervor und hört nicht auf, Bürger zu
sei»; andrerseits stehn viele Männer mit bürgerlicher Beschäftigung in einem
Militärverhältnis, und sie bringen dies fertig nicht kraft irgend einer ver¬
schmitzten Fähigkeit, ein doppeltes Wesen zu treiben, sondern indem sie sich
als volle einheitliche Persönlichkeiten fühlen. Der Kaiser nun vereinigt in
sich die oberste bürgerliche und die oberste militärische Gewalt. Er darf als
militärischer Befehlshaber nichts thun, was er nicht als Herrscher verantworten
kann, er darf aber anch als Herrscher nichts thun, was er nicht als militä¬
rischer Befehlshaber verantworten kann. Z» seinen militärische» Obliegenheiten


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[0202] Bürgerliche und militärische Auffassung kam weiter überzeugt sein, daß der Kaiser sein landesherrliches Bestätignngs- recbt für ein gutes Recht halt, das zum Frommen des Landes ist, und das er ungeschmälert, eben um des Landes willen, seinem Nachfolger an der preu¬ ßischen Krone vererben muß. Nun kommen dein jetzigen Träger dieses Kron- rcchts, als er wieder einmal um seine landesherrliche Bestätigung angegangen wird, Bedenken, die auf militärischem Gebiet ihren Ursprung haben. Das ist ja gerade das Falsche, so wenden hier die Gegner der kaiserlichen Entscheidung ein, daß militärische Erwägungen und Bewertungen in solchen Fragen eine Rolle spielen; es handelt sich hier um einen Gemeindebeamten, für dessen Tüchtigkeit und Würdigkeit es ganz gleichgiltig ist, was ihm vor zwanzig Jahren in seinem Militärverhältnis begegnet ist; das militärische und das bürgerliche Gebiet müssen streng getrennt werden. Wer sagt das alles? Die Freisinnige Zeitung lind viele andre freisinnige und klerikale Zeitungen. Gut, aber wenn diese Zeitungen das anch sagen, so genügt das doch noch nicht; gerade sie haben leider schon häufig über militärische Dinge falsche Urteile abgegeben. Es soll ihnen hier in keiner Weise zu nahe getreten werden, aber wenn z. B. ein Soldat ans Posten steht, und es kommt ein Bürgersmann des Wegs und fordert ihn auf, das Gewehr hinzulegen, um ihm eine Handreichnng zu leisten, so kann es dem Soldaten nicht helfen, daß der andre erklärt: „Was ich von dir fordre, ist eine harmlose Sache, nnter der dein Dienst nicht leidet"; offenbar ist der andre »venig berufen, das zu entscheiden. Der Kaiser ist nicht bloß Soldat, aber auch er steht auf einem Posten und hat Wache zu halten. Auch kann die Freisinnige Zeitung ihm kein Gran der Verantwortung ab¬ nehmen, die auf ihm ruht, denn ihm vor allen andern, auch vor der Frei- sinnigen Zeitung, ist die Hegung des ungeheuern militärischen Erbes anvertraut, das ans der Ant Wilhelms I. und aus noch ältern Tagen auf uus gekommen ist. Sind um aber die Bedenken, die dem vornehmsten Hüter dieses Schatzes in solchen Füllen aufsteigen, und wenn sie ihm aufsteigen, ihn im Gewissen binden, für deu „Bürgersmann" gar so schwer zu verstehn? Ist es so schwer, sich in seine Lage zu versetzen? Der Kaiser übt seiue öffentlichen Rechte aus ans Grund der durch die menschliche Persönlichkeit hergestellten Einheit aller seiner Obliegenheiten, der bürgerlichen wie der militärischen. Die Trennung von bürgerlich und mili¬ tärisch ist in unserm Staate immer nur durch Abstrnktivu möglich, den» der Soldat geht ans dem Bürgerstande hervor und hört nicht auf, Bürger zu sei»; andrerseits stehn viele Männer mit bürgerlicher Beschäftigung in einem Militärverhältnis, und sie bringen dies fertig nicht kraft irgend einer ver¬ schmitzten Fähigkeit, ein doppeltes Wesen zu treiben, sondern indem sie sich als volle einheitliche Persönlichkeiten fühlen. Der Kaiser nun vereinigt in sich die oberste bürgerliche und die oberste militärische Gewalt. Er darf als militärischer Befehlshaber nichts thun, was er nicht als Herrscher verantworten kann, er darf aber anch als Herrscher nichts thun, was er nicht als militä¬ rischer Befehlshaber verantworten kann. Z» seinen militärische» Obliegenheiten

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_235171/202>, abgerufen am 12.05.2024.