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Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Drittes Vierteljahr.

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Holland und Deutschland
(Fortsetzung)

lit welcher Rücksichtslosigkeit sich das kleine Holland die Schwäche
seines großen deutschen Nachbars zu nutze gemacht hat, kann
!man daraus sehen, daß es erst vor wenig Jahren dein festen
Auftreten der Reichsregicrnng gelungen ist, eine gesetzliche Re-
! geluug des Fischfangs aus dem Rhein zwischen den beiden Ländern
herbeizuführen. Bis dahin waren die Klagen der deutschen Fischer über das
jenseits der Grenze befolgte Ranbshstem ungehört verhallt. Die holländischen
Fischer hatten mit ihren langen Netzen die ganze Breite des Stroms überspannt
und damit das Aufsteigen des Salms, der aus deutschen Brutstätten zu ihnen
herabgekommen war, verhindert. Eine Kleinigkeit im Vergleich zu dein, worum
es sich hier handelt, aber wenn es sonst nichts gäbe, so würde sie völlig
ausreichen, die wirtschaftliche Misere klar zu machen, in der damals der Deutsche
Bund, im besondern die Nheinuferstaateu dem kleinen Holland gegenüber waren.
Aber es giebt noch andres.

Wie die Rheinschiffnhrtskouvention mit dem Haager Kabinett vom 31, März
1831 zustande gekommen ist, das läuft in dem augenblicklichen Hochgang unsrer
Wirtschaftspolitik gar zu leicht Gefahr, ans dem Gedächtnis der Menschen zu
entschwinden, und doch hat es alle Ursache, brennend darin haften zu bleiben.
In einem Rheinschiffahrtsreglement, einer Beigabe der Wiener Kongreßakte,
war, für niemand mißverständlich, bestimmt worden, daß, abgesehen von einigen
Abgaben, die vertragsmäßig festgelegt worden waren, die Schiffahrt ans dem
Rheine von Basel bis zum Meere frei sein sollte. Trotzdem wurden, als
kaum die Kongreßmitglieder von Wien uach Hause zurückgekehrt waren, von
der niederländischen Regierung an den Armen des Flusses, die allein für die
Schiffahrt in Betracht kamen, Zollstätten errichtet, an denen die durchgehenden
Waren entweder mit einem beträchtlichen Durchgangszoll belegt oder anch
gänzlich zurückgewiesen wurden. Darüber in dem auf deu Trümmern des
nlteu Reichs errichteten Deutschen Bunde nicht bloß gerechte Verwundrung,
sondern auch ein vielstimmiges Geschrei, das aber, wie weit es auch in die
Welt hineindrang, keine andre Wirkung hatte, als daß man es zu Akten zu¬
sammenpackte und mit den übrigen in dem dazu passenden Stande vergrub.

Was half es unsern tapfern Vorfahren, die eben die Franzosen über den
Rhein zurück und aus Holland hinaus getrieben hatten, daß ihnen gewissermaßen
zum Trost von England her aus George Canniugs Munde die Verse zuhallten:




Holland und Deutschland
(Fortsetzung)

lit welcher Rücksichtslosigkeit sich das kleine Holland die Schwäche
seines großen deutschen Nachbars zu nutze gemacht hat, kann
!man daraus sehen, daß es erst vor wenig Jahren dein festen
Auftreten der Reichsregicrnng gelungen ist, eine gesetzliche Re-
! geluug des Fischfangs aus dem Rhein zwischen den beiden Ländern
herbeizuführen. Bis dahin waren die Klagen der deutschen Fischer über das
jenseits der Grenze befolgte Ranbshstem ungehört verhallt. Die holländischen
Fischer hatten mit ihren langen Netzen die ganze Breite des Stroms überspannt
und damit das Aufsteigen des Salms, der aus deutschen Brutstätten zu ihnen
herabgekommen war, verhindert. Eine Kleinigkeit im Vergleich zu dein, worum
es sich hier handelt, aber wenn es sonst nichts gäbe, so würde sie völlig
ausreichen, die wirtschaftliche Misere klar zu machen, in der damals der Deutsche
Bund, im besondern die Nheinuferstaateu dem kleinen Holland gegenüber waren.
Aber es giebt noch andres.

Wie die Rheinschiffnhrtskouvention mit dem Haager Kabinett vom 31, März
1831 zustande gekommen ist, das läuft in dem augenblicklichen Hochgang unsrer
Wirtschaftspolitik gar zu leicht Gefahr, ans dem Gedächtnis der Menschen zu
entschwinden, und doch hat es alle Ursache, brennend darin haften zu bleiben.
In einem Rheinschiffahrtsreglement, einer Beigabe der Wiener Kongreßakte,
war, für niemand mißverständlich, bestimmt worden, daß, abgesehen von einigen
Abgaben, die vertragsmäßig festgelegt worden waren, die Schiffahrt ans dem
Rheine von Basel bis zum Meere frei sein sollte. Trotzdem wurden, als
kaum die Kongreßmitglieder von Wien uach Hause zurückgekehrt waren, von
der niederländischen Regierung an den Armen des Flusses, die allein für die
Schiffahrt in Betracht kamen, Zollstätten errichtet, an denen die durchgehenden
Waren entweder mit einem beträchtlichen Durchgangszoll belegt oder anch
gänzlich zurückgewiesen wurden. Darüber in dem auf deu Trümmern des
nlteu Reichs errichteten Deutschen Bunde nicht bloß gerechte Verwundrung,
sondern auch ein vielstimmiges Geschrei, das aber, wie weit es auch in die
Welt hineindrang, keine andre Wirkung hatte, als daß man es zu Akten zu¬
sammenpackte und mit den übrigen in dem dazu passenden Stande vergrub.

Was half es unsern tapfern Vorfahren, die eben die Franzosen über den
Rhein zurück und aus Holland hinaus getrieben hatten, daß ihnen gewissermaßen
zum Trost von England her aus George Canniugs Munde die Verse zuhallten:


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_235171/207>, abgerufen am 28.04.2024.