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Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Drittes Vierteljahr.

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Holland und Deutschland

Da, wo Heinrich von Treitschke in seiner Deutschen Geschichte im neun¬
zehnten Jahrhundert diese Verse zitiert, fügt er wörtlich hinzu: "Nach der
niederländischen Auslegung war nicht der Rhein frei für die deutschen und die
andern Uferstaaten, sondern der deutsche Rhein war frei für Holländer, Fran¬
zosen und Schweizer." Ja, so war es, und alles, was von deu kleinen
deutschen Nheinuferstaaten dazu gesagt und geschrieben wurde, waren mierkllss
allsuumäös und wären es immer geblieben, wenn sich nicht Preußen der Sache
angenommen hätte.

Preußen, das dem Reiche, wenn auch in andrer Form, politisch wieder
zu Amt und Würden, aber nicht zu Kraft und Ansehen verholfen hatte, sprang
auch den wirtschaftlichen Gebrechen seiner Bundesbrüder bei, wiewohl es aus
vielfacher Erfahrung wußte, daß es auf Dank nicht zu rechnen hätte. Wirft
das Geschäft der Politik, und wenn es in der uneigennützigsten Weise betrieben
wird, überhaupt Dank ab? Wie es die deutsche Vormacht geworden war im
Widerspruch mit seinen offnen und versteckten Feinden, ging es an die Arbeit,
getreu der Aufgabe, die ihm einst in die Wiege gelegt worden war.

Die Geschichte erzählt vou den Hohenzollern, während sie als Burggrafen
in Nürnberg saßen und von hier ans ihr Gebiet immer weiter ausdehnten,
daß sie weise im Rat und in Panzer und Rüstung an der Spitze ihrer
Mannen gefürchtete Kriegsleute waren. Rudolf von Habsburg war dem einen,
lind der Wittelsbacher Ludwig dem andern für seine Dienste im Rat und im
Felde zu Dank verpflichtet. Aber wie viele Verdienste sie sich auch immer
durch ihre politische Klugheit und kriegerische Tüchtigkeit erworben haben, so
fällt doch alles nicht so schwer in die Wagschale, wie der sparsame, wirtschaft¬
liche Sinn, der ihnen nachgerühmt wird.

Ohne Zweifel haben sie diese Eigenschaft schon von ihrer Stammburg in
Schwaben mitgebracht, aber das Bnrggrafentum in Nürnberg, das Zusammen¬
leben mit der gewerbe- und haudclsträftigen Reichsbttrgerschaft ist selbstver¬
ständlich für ihre Entwicklung von segensreichem Einfluß gewesen. Das Geld-
uud Finanzwesen war in den oberdeutschen Städten damals schou stark ent¬
wickelt, und wie die reiche Kaufmannschaft der freien Reichsstadt so waren mich
ihre Burggrafen knpitalmächtig wie kein andres fürstliches Geschlecht. Die
Hohenzollern in Nürnberg hatten immer Geld, sie konnten kaufen und ihr
Gebiet vergrößern, wo sich immer die Gelegenheit bot, und wenn ein geld¬
armer König oder Kaiser ihre Hilfe ansprach, dann war das Gilthaben bei
ihren Bankiers immer groß genug, beispriugen zu können. Vor allem hieraus
läßt sich die hervorragende Rolle erklären, die das Geschlecht nach dem Inter¬
regnum in den politischen Händeln der Zeit zu spielen beginnt. Es gab nichts
in jener geldarmen Zeit, was mehr durchschlug als ein zur rechten Zeit ge¬
öffneter voller Geldbeutel.

Mau weiß, wie im Beginn des fünfzehnten Jahrhunderts die Burggrafen
von Nürnberg zu Markgrafen und Kurfürsten in der Mark Brandenburg erhöht
worden sind. Die Goldgulden haben bei diesem denkwürdigen Ereignis das-


Holland und Deutschland

Da, wo Heinrich von Treitschke in seiner Deutschen Geschichte im neun¬
zehnten Jahrhundert diese Verse zitiert, fügt er wörtlich hinzu: „Nach der
niederländischen Auslegung war nicht der Rhein frei für die deutschen und die
andern Uferstaaten, sondern der deutsche Rhein war frei für Holländer, Fran¬
zosen und Schweizer." Ja, so war es, und alles, was von deu kleinen
deutschen Nheinuferstaaten dazu gesagt und geschrieben wurde, waren mierkllss
allsuumäös und wären es immer geblieben, wenn sich nicht Preußen der Sache
angenommen hätte.

Preußen, das dem Reiche, wenn auch in andrer Form, politisch wieder
zu Amt und Würden, aber nicht zu Kraft und Ansehen verholfen hatte, sprang
auch den wirtschaftlichen Gebrechen seiner Bundesbrüder bei, wiewohl es aus
vielfacher Erfahrung wußte, daß es auf Dank nicht zu rechnen hätte. Wirft
das Geschäft der Politik, und wenn es in der uneigennützigsten Weise betrieben
wird, überhaupt Dank ab? Wie es die deutsche Vormacht geworden war im
Widerspruch mit seinen offnen und versteckten Feinden, ging es an die Arbeit,
getreu der Aufgabe, die ihm einst in die Wiege gelegt worden war.

Die Geschichte erzählt vou den Hohenzollern, während sie als Burggrafen
in Nürnberg saßen und von hier ans ihr Gebiet immer weiter ausdehnten,
daß sie weise im Rat und in Panzer und Rüstung an der Spitze ihrer
Mannen gefürchtete Kriegsleute waren. Rudolf von Habsburg war dem einen,
lind der Wittelsbacher Ludwig dem andern für seine Dienste im Rat und im
Felde zu Dank verpflichtet. Aber wie viele Verdienste sie sich auch immer
durch ihre politische Klugheit und kriegerische Tüchtigkeit erworben haben, so
fällt doch alles nicht so schwer in die Wagschale, wie der sparsame, wirtschaft¬
liche Sinn, der ihnen nachgerühmt wird.

Ohne Zweifel haben sie diese Eigenschaft schon von ihrer Stammburg in
Schwaben mitgebracht, aber das Bnrggrafentum in Nürnberg, das Zusammen¬
leben mit der gewerbe- und haudclsträftigen Reichsbttrgerschaft ist selbstver¬
ständlich für ihre Entwicklung von segensreichem Einfluß gewesen. Das Geld-
uud Finanzwesen war in den oberdeutschen Städten damals schou stark ent¬
wickelt, und wie die reiche Kaufmannschaft der freien Reichsstadt so waren mich
ihre Burggrafen knpitalmächtig wie kein andres fürstliches Geschlecht. Die
Hohenzollern in Nürnberg hatten immer Geld, sie konnten kaufen und ihr
Gebiet vergrößern, wo sich immer die Gelegenheit bot, und wenn ein geld¬
armer König oder Kaiser ihre Hilfe ansprach, dann war das Gilthaben bei
ihren Bankiers immer groß genug, beispriugen zu können. Vor allem hieraus
läßt sich die hervorragende Rolle erklären, die das Geschlecht nach dem Inter¬
regnum in den politischen Händeln der Zeit zu spielen beginnt. Es gab nichts
in jener geldarmen Zeit, was mehr durchschlug als ein zur rechten Zeit ge¬
öffneter voller Geldbeutel.

Mau weiß, wie im Beginn des fünfzehnten Jahrhunderts die Burggrafen
von Nürnberg zu Markgrafen und Kurfürsten in der Mark Brandenburg erhöht
worden sind. Die Goldgulden haben bei diesem denkwürdigen Ereignis das-


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[0208] Holland und Deutschland Da, wo Heinrich von Treitschke in seiner Deutschen Geschichte im neun¬ zehnten Jahrhundert diese Verse zitiert, fügt er wörtlich hinzu: „Nach der niederländischen Auslegung war nicht der Rhein frei für die deutschen und die andern Uferstaaten, sondern der deutsche Rhein war frei für Holländer, Fran¬ zosen und Schweizer." Ja, so war es, und alles, was von deu kleinen deutschen Nheinuferstaaten dazu gesagt und geschrieben wurde, waren mierkllss allsuumäös und wären es immer geblieben, wenn sich nicht Preußen der Sache angenommen hätte. Preußen, das dem Reiche, wenn auch in andrer Form, politisch wieder zu Amt und Würden, aber nicht zu Kraft und Ansehen verholfen hatte, sprang auch den wirtschaftlichen Gebrechen seiner Bundesbrüder bei, wiewohl es aus vielfacher Erfahrung wußte, daß es auf Dank nicht zu rechnen hätte. Wirft das Geschäft der Politik, und wenn es in der uneigennützigsten Weise betrieben wird, überhaupt Dank ab? Wie es die deutsche Vormacht geworden war im Widerspruch mit seinen offnen und versteckten Feinden, ging es an die Arbeit, getreu der Aufgabe, die ihm einst in die Wiege gelegt worden war. Die Geschichte erzählt vou den Hohenzollern, während sie als Burggrafen in Nürnberg saßen und von hier ans ihr Gebiet immer weiter ausdehnten, daß sie weise im Rat und in Panzer und Rüstung an der Spitze ihrer Mannen gefürchtete Kriegsleute waren. Rudolf von Habsburg war dem einen, lind der Wittelsbacher Ludwig dem andern für seine Dienste im Rat und im Felde zu Dank verpflichtet. Aber wie viele Verdienste sie sich auch immer durch ihre politische Klugheit und kriegerische Tüchtigkeit erworben haben, so fällt doch alles nicht so schwer in die Wagschale, wie der sparsame, wirtschaft¬ liche Sinn, der ihnen nachgerühmt wird. Ohne Zweifel haben sie diese Eigenschaft schon von ihrer Stammburg in Schwaben mitgebracht, aber das Bnrggrafentum in Nürnberg, das Zusammen¬ leben mit der gewerbe- und haudclsträftigen Reichsbttrgerschaft ist selbstver¬ ständlich für ihre Entwicklung von segensreichem Einfluß gewesen. Das Geld- uud Finanzwesen war in den oberdeutschen Städten damals schou stark ent¬ wickelt, und wie die reiche Kaufmannschaft der freien Reichsstadt so waren mich ihre Burggrafen knpitalmächtig wie kein andres fürstliches Geschlecht. Die Hohenzollern in Nürnberg hatten immer Geld, sie konnten kaufen und ihr Gebiet vergrößern, wo sich immer die Gelegenheit bot, und wenn ein geld¬ armer König oder Kaiser ihre Hilfe ansprach, dann war das Gilthaben bei ihren Bankiers immer groß genug, beispriugen zu können. Vor allem hieraus läßt sich die hervorragende Rolle erklären, die das Geschlecht nach dem Inter¬ regnum in den politischen Händeln der Zeit zu spielen beginnt. Es gab nichts in jener geldarmen Zeit, was mehr durchschlug als ein zur rechten Zeit ge¬ öffneter voller Geldbeutel. Mau weiß, wie im Beginn des fünfzehnten Jahrhunderts die Burggrafen von Nürnberg zu Markgrafen und Kurfürsten in der Mark Brandenburg erhöht worden sind. Die Goldgulden haben bei diesem denkwürdigen Ereignis das-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_235171/208>, abgerufen am 12.05.2024.