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Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Drittes Vierteljahr.

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Das preußische Finanzministerium und seine Aufgaben im nächsten Jahrzehnt

mit Erfolg geführt werden. Der Bau der Verkehrsstraßen zwischen benach¬
barten Gubernien, die Verteilung des Risikos bei landschaftlicher Versicherung
auf ein breiteres Gebiet, die Gründling von Pensionskassen für die landschaft¬
lichen Beamten usw. -- das alles ist nicht anders möglich, als nach Überein¬
kommen mehrerer an der Sache interessierter Landschaften. Endlich vermag man
eine scharfe Grenze zwischen "örtlichen wirtschaftlichen Nutzen und Nöten" und
"allgemeinen Neichsinteressen" gar nicht zu ziehn. . . . Alles dieses zusammen
rechtfertigt vollkommen das Streben der Landschaften nach Einigung ihrer
Thätigkeit.....

Die Regierung sah jedoch alle diese Versuche . . . ganz anders an: sie
sah ohne Zweifel in der Einigung der Landschaften eine Gefahr. Das von
dem Grundgesetz von 1864 den Landschaften gewährte Recht, sich untereinander
zu vereinbaren, wurde immer weiter eingeschränkt, erfuhr eine immer engere
Auslegung, und alle Versuche der Landschaften, es anzuwenden, wurden von
der Regierung abgeschnitten, sogar bei der größten von den Landschaften an¬
gewandten Borsicht, sodaß z. B. eine Landschaft (Charkow) eine Unterlegung
eiusnudtc, in der sie die Regierung bat, ihr die Möglichkeit der Anwendung
des Gesetzes anzugeben. Weiter beschränkte ein Zirknlcirbefehl vom Jahre 1868
den Verkehr der Landschaften untereinander und ihre Öffentlichkeit; alle Zu¬
sammenkünfte mehrerer Landschaften, die Gründung eines gemeinsamen Organs,
das alles wurde an der Wurzel abgeschnitten. Endlich verbot mau, in der
Presse überhaupt voll Zusammenkünften der Landschaften zu reden.

(Schluß folgt)




Das preußische Knanzministerium
und seine Aufgaben im nächsten Jahrzehnt

is Anfang Mai dieses Jahres Dr. von Miguel uach fast zwölf¬
jähriger Ministerthätigkeit aus seinem Amte schied, um, wie man
sich auszudrücken beliebte, dnrch einen seiner Schüler ersetzt zu
werden, da war es eigentlich nur natürlich, wenn sein Nachfolger
auf den ersten Blick und in erster Reihe darauf hingewiesen zu
sein schien, schlechthin auf deu Wegen des erfolggekrönten Vorgängers weiter
zu wandeln. Miguel hatte kraft seiner bedeiltungsvollen Vergangenheit, seiner
parlamentarischen Erfahrung und Geschicklichkeit, seinen Erfolgen in der städtischen
Verwaltung, seiner Klugheit und Beredsamkeit einen ungewöhnlichen Einfluß
auf die gesamte Staatsverwaltung und auf die Gesetzgebung in Reich und
Staat allsgeübt. Dem Ziel und dein Erfolg seiner Amtsführung war fast


Das preußische Finanzministerium und seine Aufgaben im nächsten Jahrzehnt

mit Erfolg geführt werden. Der Bau der Verkehrsstraßen zwischen benach¬
barten Gubernien, die Verteilung des Risikos bei landschaftlicher Versicherung
auf ein breiteres Gebiet, die Gründling von Pensionskassen für die landschaft¬
lichen Beamten usw. — das alles ist nicht anders möglich, als nach Überein¬
kommen mehrerer an der Sache interessierter Landschaften. Endlich vermag man
eine scharfe Grenze zwischen „örtlichen wirtschaftlichen Nutzen und Nöten" und
„allgemeinen Neichsinteressen" gar nicht zu ziehn. . . . Alles dieses zusammen
rechtfertigt vollkommen das Streben der Landschaften nach Einigung ihrer
Thätigkeit.....

Die Regierung sah jedoch alle diese Versuche . . . ganz anders an: sie
sah ohne Zweifel in der Einigung der Landschaften eine Gefahr. Das von
dem Grundgesetz von 1864 den Landschaften gewährte Recht, sich untereinander
zu vereinbaren, wurde immer weiter eingeschränkt, erfuhr eine immer engere
Auslegung, und alle Versuche der Landschaften, es anzuwenden, wurden von
der Regierung abgeschnitten, sogar bei der größten von den Landschaften an¬
gewandten Borsicht, sodaß z. B. eine Landschaft (Charkow) eine Unterlegung
eiusnudtc, in der sie die Regierung bat, ihr die Möglichkeit der Anwendung
des Gesetzes anzugeben. Weiter beschränkte ein Zirknlcirbefehl vom Jahre 1868
den Verkehr der Landschaften untereinander und ihre Öffentlichkeit; alle Zu¬
sammenkünfte mehrerer Landschaften, die Gründung eines gemeinsamen Organs,
das alles wurde an der Wurzel abgeschnitten. Endlich verbot mau, in der
Presse überhaupt voll Zusammenkünften der Landschaften zu reden.

(Schluß folgt)




Das preußische Knanzministerium
und seine Aufgaben im nächsten Jahrzehnt

is Anfang Mai dieses Jahres Dr. von Miguel uach fast zwölf¬
jähriger Ministerthätigkeit aus seinem Amte schied, um, wie man
sich auszudrücken beliebte, dnrch einen seiner Schüler ersetzt zu
werden, da war es eigentlich nur natürlich, wenn sein Nachfolger
auf den ersten Blick und in erster Reihe darauf hingewiesen zu
sein schien, schlechthin auf deu Wegen des erfolggekrönten Vorgängers weiter
zu wandeln. Miguel hatte kraft seiner bedeiltungsvollen Vergangenheit, seiner
parlamentarischen Erfahrung und Geschicklichkeit, seinen Erfolgen in der städtischen
Verwaltung, seiner Klugheit und Beredsamkeit einen ungewöhnlichen Einfluß
auf die gesamte Staatsverwaltung und auf die Gesetzgebung in Reich und
Staat allsgeübt. Dem Ziel und dein Erfolg seiner Amtsführung war fast


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[0260] Das preußische Finanzministerium und seine Aufgaben im nächsten Jahrzehnt mit Erfolg geführt werden. Der Bau der Verkehrsstraßen zwischen benach¬ barten Gubernien, die Verteilung des Risikos bei landschaftlicher Versicherung auf ein breiteres Gebiet, die Gründling von Pensionskassen für die landschaft¬ lichen Beamten usw. — das alles ist nicht anders möglich, als nach Überein¬ kommen mehrerer an der Sache interessierter Landschaften. Endlich vermag man eine scharfe Grenze zwischen „örtlichen wirtschaftlichen Nutzen und Nöten" und „allgemeinen Neichsinteressen" gar nicht zu ziehn. . . . Alles dieses zusammen rechtfertigt vollkommen das Streben der Landschaften nach Einigung ihrer Thätigkeit..... Die Regierung sah jedoch alle diese Versuche . . . ganz anders an: sie sah ohne Zweifel in der Einigung der Landschaften eine Gefahr. Das von dem Grundgesetz von 1864 den Landschaften gewährte Recht, sich untereinander zu vereinbaren, wurde immer weiter eingeschränkt, erfuhr eine immer engere Auslegung, und alle Versuche der Landschaften, es anzuwenden, wurden von der Regierung abgeschnitten, sogar bei der größten von den Landschaften an¬ gewandten Borsicht, sodaß z. B. eine Landschaft (Charkow) eine Unterlegung eiusnudtc, in der sie die Regierung bat, ihr die Möglichkeit der Anwendung des Gesetzes anzugeben. Weiter beschränkte ein Zirknlcirbefehl vom Jahre 1868 den Verkehr der Landschaften untereinander und ihre Öffentlichkeit; alle Zu¬ sammenkünfte mehrerer Landschaften, die Gründung eines gemeinsamen Organs, das alles wurde an der Wurzel abgeschnitten. Endlich verbot mau, in der Presse überhaupt voll Zusammenkünften der Landschaften zu reden. (Schluß folgt) Das preußische Knanzministerium und seine Aufgaben im nächsten Jahrzehnt is Anfang Mai dieses Jahres Dr. von Miguel uach fast zwölf¬ jähriger Ministerthätigkeit aus seinem Amte schied, um, wie man sich auszudrücken beliebte, dnrch einen seiner Schüler ersetzt zu werden, da war es eigentlich nur natürlich, wenn sein Nachfolger auf den ersten Blick und in erster Reihe darauf hingewiesen zu sein schien, schlechthin auf deu Wegen des erfolggekrönten Vorgängers weiter zu wandeln. Miguel hatte kraft seiner bedeiltungsvollen Vergangenheit, seiner parlamentarischen Erfahrung und Geschicklichkeit, seinen Erfolgen in der städtischen Verwaltung, seiner Klugheit und Beredsamkeit einen ungewöhnlichen Einfluß auf die gesamte Staatsverwaltung und auf die Gesetzgebung in Reich und Staat allsgeübt. Dem Ziel und dein Erfolg seiner Amtsführung war fast

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_235171/260>, abgerufen am 28.04.2024.