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Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Drittes Vierteljahr.

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Italien und die albanesische Frage

MWuser Artikel "Italien und der Dreibund" (in Ur, 23 vom 6, Juni),
dessen Zukunftsbild von mancher Seite als bloße phantastische
Schwarzseherei verspottet wurde, hat von italienischer Seite her,
in den Debatten des römischen Abgeordnetenhauses am 7, und
8, Juni dieses Jahres, eine merkwürdige Beleuchtung erhalten.
Sie könnte den klugen Leuten bei uns, die über gewisse Schwierigkeiten bei
der Erneuerung des Dreibunds leichtherzig hinwegzusehen belieben, zu denken
geben. Denn dort war die Rede von den italienischen Interessen in Albanien,
die auch unser Artikel schon streifte, und drei Redner von verschiednen Parteien,
Bovio, Guiecinrdini und de Marinis, machten gnr kein Hehl daraus, daß die
Interessen Italiens in Albanien mit der Besetzung des Landes durch eine
andre Großmacht unverträglich seien. Gemeine war damit Österreich. Der¬
selbe Abgeordnete, der dies besonders hervorhob, Francesco Guicciardini, hat
seine Ansicht soeben in einem größern Artikel auf Grund persönlicher Be¬
obachtungen, die er auf einer Reise durch Albanien im Sommer 1900 gemacht
hat, in Berbindung mit farbenreichen Schilderungen von Land und Leuten
ausführlich dargelegt <MovÄ ^utoloM vom 16. Juni und 1. Juli dieses Jahres
unter dein Titel ImprsWioni ä'^komm). Er ist von Prevcsa ans nach Jannina,
dem alten Herrensitze Ali Paschas (1-1822), gegangen, hat dabei die Stätte
des alten Dodona besucht, vou dort bei Hagioi Saranta (HuamutÄ Lanti)
gegenüber Korfu die Küste erreicht und an dieser hin die Reise über Vallona
(Avlonn) lind Durazzo nach Skutari fortgesetzt. Ins Innere des nlbanesischen
Berglands ist er also nicht gekommen, aber er hat soviel gesehen, daß er sich
em Urteil bilden konnte, das unbefangen und umsichtig, wie es ist, mit der
warmen Teilnahme für das Volk und seine Zukunft einen scharfen Blick für
dle Interessen Italiens verbindet.

Überall stellt er zunächst die Erbärmlichkeit der türkischen Verwaltung
und die UnHaltbarkeit der heutigen Zustände fest. Der fahrbaren Straßen
giebt es nur wenig, und sie sind meist schlecht gehalten, der Telegraph ist
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Italien und die albanesische Frage

MWuser Artikel „Italien und der Dreibund" (in Ur, 23 vom 6, Juni),
dessen Zukunftsbild von mancher Seite als bloße phantastische
Schwarzseherei verspottet wurde, hat von italienischer Seite her,
in den Debatten des römischen Abgeordnetenhauses am 7, und
8, Juni dieses Jahres, eine merkwürdige Beleuchtung erhalten.
Sie könnte den klugen Leuten bei uns, die über gewisse Schwierigkeiten bei
der Erneuerung des Dreibunds leichtherzig hinwegzusehen belieben, zu denken
geben. Denn dort war die Rede von den italienischen Interessen in Albanien,
die auch unser Artikel schon streifte, und drei Redner von verschiednen Parteien,
Bovio, Guiecinrdini und de Marinis, machten gnr kein Hehl daraus, daß die
Interessen Italiens in Albanien mit der Besetzung des Landes durch eine
andre Großmacht unverträglich seien. Gemeine war damit Österreich. Der¬
selbe Abgeordnete, der dies besonders hervorhob, Francesco Guicciardini, hat
seine Ansicht soeben in einem größern Artikel auf Grund persönlicher Be¬
obachtungen, die er auf einer Reise durch Albanien im Sommer 1900 gemacht
hat, in Berbindung mit farbenreichen Schilderungen von Land und Leuten
ausführlich dargelegt <MovÄ ^utoloM vom 16. Juni und 1. Juli dieses Jahres
unter dein Titel ImprsWioni ä'^komm). Er ist von Prevcsa ans nach Jannina,
dem alten Herrensitze Ali Paschas (1-1822), gegangen, hat dabei die Stätte
des alten Dodona besucht, vou dort bei Hagioi Saranta (HuamutÄ Lanti)
gegenüber Korfu die Küste erreicht und an dieser hin die Reise über Vallona
(Avlonn) lind Durazzo nach Skutari fortgesetzt. Ins Innere des nlbanesischen
Berglands ist er also nicht gekommen, aber er hat soviel gesehen, daß er sich
em Urteil bilden konnte, das unbefangen und umsichtig, wie es ist, mit der
warmen Teilnahme für das Volk und seine Zukunft einen scharfen Blick für
dle Interessen Italiens verbindet.

Überall stellt er zunächst die Erbärmlichkeit der türkischen Verwaltung
und die UnHaltbarkeit der heutigen Zustände fest. Der fahrbaren Straßen
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[0297] [Abbildung] Italien und die albanesische Frage MWuser Artikel „Italien und der Dreibund" (in Ur, 23 vom 6, Juni), dessen Zukunftsbild von mancher Seite als bloße phantastische Schwarzseherei verspottet wurde, hat von italienischer Seite her, in den Debatten des römischen Abgeordnetenhauses am 7, und 8, Juni dieses Jahres, eine merkwürdige Beleuchtung erhalten. Sie könnte den klugen Leuten bei uns, die über gewisse Schwierigkeiten bei der Erneuerung des Dreibunds leichtherzig hinwegzusehen belieben, zu denken geben. Denn dort war die Rede von den italienischen Interessen in Albanien, die auch unser Artikel schon streifte, und drei Redner von verschiednen Parteien, Bovio, Guiecinrdini und de Marinis, machten gnr kein Hehl daraus, daß die Interessen Italiens in Albanien mit der Besetzung des Landes durch eine andre Großmacht unverträglich seien. Gemeine war damit Österreich. Der¬ selbe Abgeordnete, der dies besonders hervorhob, Francesco Guicciardini, hat seine Ansicht soeben in einem größern Artikel auf Grund persönlicher Be¬ obachtungen, die er auf einer Reise durch Albanien im Sommer 1900 gemacht hat, in Berbindung mit farbenreichen Schilderungen von Land und Leuten ausführlich dargelegt <MovÄ ^utoloM vom 16. Juni und 1. Juli dieses Jahres unter dein Titel ImprsWioni ä'^komm). Er ist von Prevcsa ans nach Jannina, dem alten Herrensitze Ali Paschas (1-1822), gegangen, hat dabei die Stätte des alten Dodona besucht, vou dort bei Hagioi Saranta (HuamutÄ Lanti) gegenüber Korfu die Küste erreicht und an dieser hin die Reise über Vallona (Avlonn) lind Durazzo nach Skutari fortgesetzt. Ins Innere des nlbanesischen Berglands ist er also nicht gekommen, aber er hat soviel gesehen, daß er sich em Urteil bilden konnte, das unbefangen und umsichtig, wie es ist, mit der warmen Teilnahme für das Volk und seine Zukunft einen scharfen Blick für dle Interessen Italiens verbindet. Überall stellt er zunächst die Erbärmlichkeit der türkischen Verwaltung und die UnHaltbarkeit der heutigen Zustände fest. Der fahrbaren Straßen giebt es nur wenig, und sie sind meist schlecht gehalten, der Telegraph ist "" Grcnzbvw 11t 1W1 >7

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_235171/297>, abgerufen am 28.04.2024.