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Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Drittes Vierteljahr.

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Viktor Lmanuel III.

oder Malers wie ein Zauberstab das längst Vergangne zu beleben und uns
nahe zu bringen imstande ist. Es ist möglich, daß die Zukunft des Dramas
in der Richtung liegt, wohin die Methoden des Verfassers weisen, aber eine
Antwort auf diese Frage, die Entscheidung, auf die alles ankommt, kann mir
das Talent eines Dichters geben, und es könnte sehr wohl sein, daß es sie
dann mit ganz andern Methoden geben würde.




Viktor (Lmanuel III.
Karl von Bruchhäuser von

!or Jahresfrist zwang die Kugel des Königsmörders Bresci den
Prinzen von Neapel, den Thron zu besteigen, und heute schon
kann man sagen, daß Viktor Emanuel III. zu den interessantesten
und shmpathischstcn Herrschercrscheinuugcu zählt, und insbesondre
Jm denen, die berufen zu sein scheinen, den monarchischen Sinn
in einer Zeit zu stärken, für die von mehr als einer Seite der allgemeine Über¬
gang zur republikanischen Staatsform längst prophezeit worden ist. So sehr
nun die Persönlichkeit Viktor Emanuels dazu reizt, seine Gestalt zu zeichnen,
so schwer ist die Ausführung, und zwar aus einem doppelten Grunde: einmal,
weil er in seiner Krouprinzcuzeit wenig hervorgetreten ist, und zweitens, weil
die stete Gefahr vorliegt, ihn auf Kosten seines verewigten Vaters in den Vorder¬
grund zu rücken. Zwar hat Viktor Emanuel III. das Beste gerade von seinen
Eltern geerbt. Als Umberto I. eben durch die gefahrdrohenden Ruinen von
Casamiceiola und durch die gestillten Chvleralazarette Neapels gegangen war,
schrieb der berühmte Pädagoge Rizzi an den Professor Morandi -- einen der
Lehrer des Prinzen -- die treffenden Worte: "Durch diese Beispiele lernt der
Prinz mehr, als irgend ein Professor der ganzen Welt ihm hätte beibringen
können." Aber die Naturen von Vater und Sohn sind doch grundverschieden
voneinander. Wie der Vater, so thut auch der Sohn, was seiner Anlage ent¬
spricht, und was er für das Vaterland als das nützlichste erachtet. Was diesem
am besten frommt, muß die Zukunft lehren. Selbstverständlich hatte der Prinz
von Neapel das, was er geworden ist, neben guten Anlagen ganz besonders
auch seiner vortrefflichen Erziehung zu verdanken.

Prinz Vittorio Emanuele Gennaro Ferdinand", nach dem Großvater
väterlicherseits, dem Schutzheiligen seiner Geburtsstadt Neapel, die ihm auch für
die Kronprinzenzeit den Titel gab, und dem Großvater mütterlicherseits so ge¬
nannt, wurde am 11. November 1869 geboren. Wie jetzt bei seiner Tochter
Jolanda, so wurde auch bei ihm die erste Jugend von einer englischen Gou-


Viktor Lmanuel III.

oder Malers wie ein Zauberstab das längst Vergangne zu beleben und uns
nahe zu bringen imstande ist. Es ist möglich, daß die Zukunft des Dramas
in der Richtung liegt, wohin die Methoden des Verfassers weisen, aber eine
Antwort auf diese Frage, die Entscheidung, auf die alles ankommt, kann mir
das Talent eines Dichters geben, und es könnte sehr wohl sein, daß es sie
dann mit ganz andern Methoden geben würde.




Viktor (Lmanuel III.
Karl von Bruchhäuser von

!or Jahresfrist zwang die Kugel des Königsmörders Bresci den
Prinzen von Neapel, den Thron zu besteigen, und heute schon
kann man sagen, daß Viktor Emanuel III. zu den interessantesten
und shmpathischstcn Herrschercrscheinuugcu zählt, und insbesondre
Jm denen, die berufen zu sein scheinen, den monarchischen Sinn
in einer Zeit zu stärken, für die von mehr als einer Seite der allgemeine Über¬
gang zur republikanischen Staatsform längst prophezeit worden ist. So sehr
nun die Persönlichkeit Viktor Emanuels dazu reizt, seine Gestalt zu zeichnen,
so schwer ist die Ausführung, und zwar aus einem doppelten Grunde: einmal,
weil er in seiner Krouprinzcuzeit wenig hervorgetreten ist, und zweitens, weil
die stete Gefahr vorliegt, ihn auf Kosten seines verewigten Vaters in den Vorder¬
grund zu rücken. Zwar hat Viktor Emanuel III. das Beste gerade von seinen
Eltern geerbt. Als Umberto I. eben durch die gefahrdrohenden Ruinen von
Casamiceiola und durch die gestillten Chvleralazarette Neapels gegangen war,
schrieb der berühmte Pädagoge Rizzi an den Professor Morandi — einen der
Lehrer des Prinzen — die treffenden Worte: „Durch diese Beispiele lernt der
Prinz mehr, als irgend ein Professor der ganzen Welt ihm hätte beibringen
können." Aber die Naturen von Vater und Sohn sind doch grundverschieden
voneinander. Wie der Vater, so thut auch der Sohn, was seiner Anlage ent¬
spricht, und was er für das Vaterland als das nützlichste erachtet. Was diesem
am besten frommt, muß die Zukunft lehren. Selbstverständlich hatte der Prinz
von Neapel das, was er geworden ist, neben guten Anlagen ganz besonders
auch seiner vortrefflichen Erziehung zu verdanken.

Prinz Vittorio Emanuele Gennaro Ferdinand», nach dem Großvater
väterlicherseits, dem Schutzheiligen seiner Geburtsstadt Neapel, die ihm auch für
die Kronprinzenzeit den Titel gab, und dem Großvater mütterlicherseits so ge¬
nannt, wurde am 11. November 1869 geboren. Wie jetzt bei seiner Tochter
Jolanda, so wurde auch bei ihm die erste Jugend von einer englischen Gou-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_235171/334>, abgerufen am 28.04.2024.