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Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Drittes Vierteljahr.

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Viktor Lmanuel HI,

vernante -- Elisabeth Lee -- behütet, aber das Beste für seine Erziehung that
doch seine zugleich zärtliche und umsichtige Mutter, die Königin Margherita.
Schon der Knabe zeigte eine besondre Vorliebe für Geschichte und Geographie,
die spater noch stärker hervortrat. Zwei fremde Sprachen -- die französische
und die englische -- lernte er spielend sprechen und lesen, und auch etwas
Deutsch verstand er schon, bevor er noch den Händen seiner eigentlichen Lehr¬
meister überantwortet wurde. Das geschah mit dem Eintritt in das zwölfte
Lebensjahr. Über den streng genommen bis zum zwanzigsten Jahre dauernden
Lehr- und Erziehnngsgcmg des Prinzen liegt ein Buch aus der Feder des
Professors Luigi Morandi, eines seiner Lehrer, vor,*) das in mehr als einer
Beziehung bemerkenswert ist. Morandi selbst, dem Byzantinismus völlig fremd
ist -- er wäre auch einer Persönlichkeit wie Viktor Emanuel gegenüber durch¬
aus unangebracht --, bezeichnet sein Buch als ein ran-^dito osomxio für die
italienische Jugend, denn der Prinz von Neapel war ein wahrer Musterschüler.
Das Buch zeigt aber auch, daß die Prinzenerziehung unsrer Tage der ver¬
gangner Zeiten in keiner Weise ähnelt. Wir wissen das schon von unserm
Kcnscrhause her, aber auch an der Erziehung des Prinzen von Neapel läßt es
sich erkennen. Mancher deutsche Gymnasiast führt dagegen ein Leben in goldner
Freiheit!

König Umberto I. hatte die Erziehung seines Thronerben dem General-
stabsoberstlentuant, dann Oberst Egidio Ohio anvertraut. Dieser bedang sich,
ehe er das Amt übernahm, unbeschränkt freie Hand aus; sie wurde ihm zu¬
gesagt, und er ließ in der Folge an seiner Vollmacht nicht einen Augenblick
rütteln. Er galt als "Vizegvuverneur," aber ein Gouverneur, der bestimmungs¬
gemäß hätte General sein müssen, ist nie ernannt worden. Es war eine glück¬
liche Wahl für das italienische Königshaus und für ganz Italien. Der wissen¬
schaftlich reich gebildete Offizier gestaltete den Studienplan von vornherein ein¬
heitlich und führte ihn mit unbeugsamer Strenge durch. Uns Deutsche inter¬
essiert noch besonders, daß der Gouverneur des heutigen Königs von Italien
eine Reihe von Jahren als Militärattache in Berlin gelebt und sich mit
deutschem Wesen durch und durch vertraut gemacht hatte. Er war es denn
auch, der den Prinzen in der dentschen Sprache weiterbildete und ihn in die
deutsche Litteratur einführte.

Der Lehrgang erhielt einen stark militärischen Zuschnitt, und für die ersten
Jahre wurde in der Hauptsache das Programm der Kadettenhäuser, für die
letzte" das der Militärschule zu Modena zu Grunde gelegt. Zum Kadetten¬
haus in Rom begab sich der Prinz zu Exerzierübuugen. Im übrigen aber
fand der Unterricht im Quirinal statt. Oberst Ohio, der unerbittliche "Tyrann"



^) vvins tu scwoato Vittono Kmkmusls 111. (Z. L. ?!UAvia s Loup., La-imo -- Koma, --
Uilsno ^. M'grus -- Mpoli, 1901. Es sei hier auch noch eines andern Buchs gedacht, den"
^"zclneS der folgenden Darstellung entnommen ist: tZssIstw: Vittoi-lo Kmemusls III.
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Viktor Lmanuel HI,

vernante — Elisabeth Lee — behütet, aber das Beste für seine Erziehung that
doch seine zugleich zärtliche und umsichtige Mutter, die Königin Margherita.
Schon der Knabe zeigte eine besondre Vorliebe für Geschichte und Geographie,
die spater noch stärker hervortrat. Zwei fremde Sprachen — die französische
und die englische — lernte er spielend sprechen und lesen, und auch etwas
Deutsch verstand er schon, bevor er noch den Händen seiner eigentlichen Lehr¬
meister überantwortet wurde. Das geschah mit dem Eintritt in das zwölfte
Lebensjahr. Über den streng genommen bis zum zwanzigsten Jahre dauernden
Lehr- und Erziehnngsgcmg des Prinzen liegt ein Buch aus der Feder des
Professors Luigi Morandi, eines seiner Lehrer, vor,*) das in mehr als einer
Beziehung bemerkenswert ist. Morandi selbst, dem Byzantinismus völlig fremd
ist — er wäre auch einer Persönlichkeit wie Viktor Emanuel gegenüber durch¬
aus unangebracht —, bezeichnet sein Buch als ein ran-^dito osomxio für die
italienische Jugend, denn der Prinz von Neapel war ein wahrer Musterschüler.
Das Buch zeigt aber auch, daß die Prinzenerziehung unsrer Tage der ver¬
gangner Zeiten in keiner Weise ähnelt. Wir wissen das schon von unserm
Kcnscrhause her, aber auch an der Erziehung des Prinzen von Neapel läßt es
sich erkennen. Mancher deutsche Gymnasiast führt dagegen ein Leben in goldner
Freiheit!

König Umberto I. hatte die Erziehung seines Thronerben dem General-
stabsoberstlentuant, dann Oberst Egidio Ohio anvertraut. Dieser bedang sich,
ehe er das Amt übernahm, unbeschränkt freie Hand aus; sie wurde ihm zu¬
gesagt, und er ließ in der Folge an seiner Vollmacht nicht einen Augenblick
rütteln. Er galt als „Vizegvuverneur," aber ein Gouverneur, der bestimmungs¬
gemäß hätte General sein müssen, ist nie ernannt worden. Es war eine glück¬
liche Wahl für das italienische Königshaus und für ganz Italien. Der wissen¬
schaftlich reich gebildete Offizier gestaltete den Studienplan von vornherein ein¬
heitlich und führte ihn mit unbeugsamer Strenge durch. Uns Deutsche inter¬
essiert noch besonders, daß der Gouverneur des heutigen Königs von Italien
eine Reihe von Jahren als Militärattache in Berlin gelebt und sich mit
deutschem Wesen durch und durch vertraut gemacht hatte. Er war es denn
auch, der den Prinzen in der dentschen Sprache weiterbildete und ihn in die
deutsche Litteratur einführte.

Der Lehrgang erhielt einen stark militärischen Zuschnitt, und für die ersten
Jahre wurde in der Hauptsache das Programm der Kadettenhäuser, für die
letzte» das der Militärschule zu Modena zu Grunde gelegt. Zum Kadetten¬
haus in Rom begab sich der Prinz zu Exerzierübuugen. Im übrigen aber
fand der Unterricht im Quirinal statt. Oberst Ohio, der unerbittliche „Tyrann"



^) vvins tu scwoato Vittono Kmkmusls 111. (Z. L. ?!UAvia s Loup., La-imo — Koma, —
Uilsno ^. M'grus — Mpoli, 1901. Es sei hier auch noch eines andern Buchs gedacht, den«
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[0335] Viktor Lmanuel HI, vernante — Elisabeth Lee — behütet, aber das Beste für seine Erziehung that doch seine zugleich zärtliche und umsichtige Mutter, die Königin Margherita. Schon der Knabe zeigte eine besondre Vorliebe für Geschichte und Geographie, die spater noch stärker hervortrat. Zwei fremde Sprachen — die französische und die englische — lernte er spielend sprechen und lesen, und auch etwas Deutsch verstand er schon, bevor er noch den Händen seiner eigentlichen Lehr¬ meister überantwortet wurde. Das geschah mit dem Eintritt in das zwölfte Lebensjahr. Über den streng genommen bis zum zwanzigsten Jahre dauernden Lehr- und Erziehnngsgcmg des Prinzen liegt ein Buch aus der Feder des Professors Luigi Morandi, eines seiner Lehrer, vor,*) das in mehr als einer Beziehung bemerkenswert ist. Morandi selbst, dem Byzantinismus völlig fremd ist — er wäre auch einer Persönlichkeit wie Viktor Emanuel gegenüber durch¬ aus unangebracht —, bezeichnet sein Buch als ein ran-^dito osomxio für die italienische Jugend, denn der Prinz von Neapel war ein wahrer Musterschüler. Das Buch zeigt aber auch, daß die Prinzenerziehung unsrer Tage der ver¬ gangner Zeiten in keiner Weise ähnelt. Wir wissen das schon von unserm Kcnscrhause her, aber auch an der Erziehung des Prinzen von Neapel läßt es sich erkennen. Mancher deutsche Gymnasiast führt dagegen ein Leben in goldner Freiheit! König Umberto I. hatte die Erziehung seines Thronerben dem General- stabsoberstlentuant, dann Oberst Egidio Ohio anvertraut. Dieser bedang sich, ehe er das Amt übernahm, unbeschränkt freie Hand aus; sie wurde ihm zu¬ gesagt, und er ließ in der Folge an seiner Vollmacht nicht einen Augenblick rütteln. Er galt als „Vizegvuverneur," aber ein Gouverneur, der bestimmungs¬ gemäß hätte General sein müssen, ist nie ernannt worden. Es war eine glück¬ liche Wahl für das italienische Königshaus und für ganz Italien. Der wissen¬ schaftlich reich gebildete Offizier gestaltete den Studienplan von vornherein ein¬ heitlich und führte ihn mit unbeugsamer Strenge durch. Uns Deutsche inter¬ essiert noch besonders, daß der Gouverneur des heutigen Königs von Italien eine Reihe von Jahren als Militärattache in Berlin gelebt und sich mit deutschem Wesen durch und durch vertraut gemacht hatte. Er war es denn auch, der den Prinzen in der dentschen Sprache weiterbildete und ihn in die deutsche Litteratur einführte. Der Lehrgang erhielt einen stark militärischen Zuschnitt, und für die ersten Jahre wurde in der Hauptsache das Programm der Kadettenhäuser, für die letzte» das der Militärschule zu Modena zu Grunde gelegt. Zum Kadetten¬ haus in Rom begab sich der Prinz zu Exerzierübuugen. Im übrigen aber fand der Unterricht im Quirinal statt. Oberst Ohio, der unerbittliche „Tyrann" ^) vvins tu scwoato Vittono Kmkmusls 111. (Z. L. ?!UAvia s Loup., La-imo — Koma, — Uilsno ^. M'grus — Mpoli, 1901. Es sei hier auch noch eines andern Buchs gedacht, den« ^»zclneS der folgenden Darstellung entnommen ist: tZssIstw: Vittoi-lo Kmemusls III. Koü2vel,i — KivoM — ^»Kiiiiot,!, lium-t, Lip. vvoxviÄiva, »owills, 1901.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_235171/335>, abgerufen am 13.05.2024.