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Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Drittes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

verdeckt gesponnenen Fäden, Sonst würde das Geschrei gewisser Ouorcvoli
alles verderben! Immerhin liegen schon Anzeichen für das Eingreifen des
Königs vor. So soll es auf seinen Wunsch zurückzuführen sein, daß Anfang
Januar dieses Jahres Finau das frei gewordne Schatzministcrinm übernahm,
und daß Giolitti bei dem letzten Kabinettswechsel wieder ein Portefeuille erhielt.

Von vornherein hat sich der König über alle Vorgänge -- insbesondre
vom Auswärtigen Amt und den Ministerien des Kriegs und der Flotte -- auf
dem Laufenden erhalten lassen. Auch läßt er sich, um sie sorgfältig studieren
zu können, die zu nntcrschreibenden Dekrete immer einen Tag vor dem regel¬
mäßigen Ministerempfang vorlegen, und sehr zur Verblüffung eines Ministers
soll er auch schon von seinem verfassungsmäßigen Recht, die Unterschrift zu
verweigern, einmal Gebrauch gemacht haben. Leitende Persönlichkeiten aller
Berufsklassen empfängt er zu eingehenden Besprechungen; den Chefs der StaatS-
vcrwaltungszweigc enthält er seine Ansichten und Wünsche nicht vor; den Haupt-
schaden des italienischen Volkslebens -- hier seien nur die Auswandruug und
die Malaria erwähnt -- geht er zu Leibe, Wo seine Besichtigung von Nutzen
sein kann, z, B, in Schulen, Lazaretten usw,, dahin geht er, für jeden ist er
zu sprechen. Für Arbeitgeber und Arbeiter, die sich um die nationale Wohlfahrt
verdient gemacht haben, hat er den Orden ^1 msrito nisi is,vora gestiftet.

Man sieht, daß es ihm ernst ist mit dem Gedanken, sein Volk zur Pflicht¬
erfüllung zu erziehn. Denn das größte Übel für das Land, soll er geäußert
haben, sei der Umstand, daß zu wenig Leute gewissenhaft ihre Pflicht thäten.

In der äußern Politik wird er am Dreibund treu festhalten, solange dieser
besteht. Und wenn es gilt, ihn zu erneuern, dann wird er den Weg ein¬
schlagen, der für die Wohlfahrt Italiens als der beste erscheint; das aber kann
der allgemeinen Lage nach nur die Erneuerung sein. Von dem Tage an, wo
die Neckengestalt des damaligen Kronprinzen Friedrich den neunjährigen Kron¬
prinzen Italiens auf seinein Arme den Römern zeigte, bis heute hat sich
mancherlei geändert auf dein Erdenrund, aber die Grundlagen des Dreibundes
sind sich doch gleich geblieben.

Ein weites Arbeitsfeld liegt vor dem thatkräftigen König. Folgt ihm sein
Volk, so mag er die Behauptung zu Schanden macheu, daß wie alle roma¬
nischen Staaten, so auch Italien in unaufhaltsamem Niedergang begriffen sei.
Ein italienisches Blatt schrieb bei der Thronbesteigung Viktor Emanuels: Mons
incipit orclo, Val!




Maßgebliches und Unmaßgebliches

Das Ministerium Zanardelli-Giolitti, das nach dem Rücktritt des
Kabinetts Sarcicco am 6, Februar dieses Jahres die Leitung Italiens übernahm,
hat schwere Zeiten durchgemacht. Da bei der entscheidenden Abstimmung schließlich


Maßgebliches und Unmaßgebliches

verdeckt gesponnenen Fäden, Sonst würde das Geschrei gewisser Ouorcvoli
alles verderben! Immerhin liegen schon Anzeichen für das Eingreifen des
Königs vor. So soll es auf seinen Wunsch zurückzuführen sein, daß Anfang
Januar dieses Jahres Finau das frei gewordne Schatzministcrinm übernahm,
und daß Giolitti bei dem letzten Kabinettswechsel wieder ein Portefeuille erhielt.

Von vornherein hat sich der König über alle Vorgänge — insbesondre
vom Auswärtigen Amt und den Ministerien des Kriegs und der Flotte — auf
dem Laufenden erhalten lassen. Auch läßt er sich, um sie sorgfältig studieren
zu können, die zu nntcrschreibenden Dekrete immer einen Tag vor dem regel¬
mäßigen Ministerempfang vorlegen, und sehr zur Verblüffung eines Ministers
soll er auch schon von seinem verfassungsmäßigen Recht, die Unterschrift zu
verweigern, einmal Gebrauch gemacht haben. Leitende Persönlichkeiten aller
Berufsklassen empfängt er zu eingehenden Besprechungen; den Chefs der StaatS-
vcrwaltungszweigc enthält er seine Ansichten und Wünsche nicht vor; den Haupt-
schaden des italienischen Volkslebens — hier seien nur die Auswandruug und
die Malaria erwähnt — geht er zu Leibe, Wo seine Besichtigung von Nutzen
sein kann, z, B, in Schulen, Lazaretten usw,, dahin geht er, für jeden ist er
zu sprechen. Für Arbeitgeber und Arbeiter, die sich um die nationale Wohlfahrt
verdient gemacht haben, hat er den Orden ^1 msrito nisi is,vora gestiftet.

Man sieht, daß es ihm ernst ist mit dem Gedanken, sein Volk zur Pflicht¬
erfüllung zu erziehn. Denn das größte Übel für das Land, soll er geäußert
haben, sei der Umstand, daß zu wenig Leute gewissenhaft ihre Pflicht thäten.

In der äußern Politik wird er am Dreibund treu festhalten, solange dieser
besteht. Und wenn es gilt, ihn zu erneuern, dann wird er den Weg ein¬
schlagen, der für die Wohlfahrt Italiens als der beste erscheint; das aber kann
der allgemeinen Lage nach nur die Erneuerung sein. Von dem Tage an, wo
die Neckengestalt des damaligen Kronprinzen Friedrich den neunjährigen Kron¬
prinzen Italiens auf seinein Arme den Römern zeigte, bis heute hat sich
mancherlei geändert auf dein Erdenrund, aber die Grundlagen des Dreibundes
sind sich doch gleich geblieben.

Ein weites Arbeitsfeld liegt vor dem thatkräftigen König. Folgt ihm sein
Volk, so mag er die Behauptung zu Schanden macheu, daß wie alle roma¬
nischen Staaten, so auch Italien in unaufhaltsamem Niedergang begriffen sei.
Ein italienisches Blatt schrieb bei der Thronbesteigung Viktor Emanuels: Mons
incipit orclo, Val!




Maßgebliches und Unmaßgebliches

Das Ministerium Zanardelli-Giolitti, das nach dem Rücktritt des
Kabinetts Sarcicco am 6, Februar dieses Jahres die Leitung Italiens übernahm,
hat schwere Zeiten durchgemacht. Da bei der entscheidenden Abstimmung schließlich


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_235171/342>, abgerufen am 28.04.2024.