Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Drittes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Viktor La-muet 111,

führte, durfte nur sie lesen; sein ganzes Streben ging dahin, die gute Meinung,
die sie von ihm hatte, auch wirtlich zu rechtfertigen. Als der Prinz heiratete,
sagte Königin Margherita von ihm: "Er hat mir nie Kummer gemacht." Ein
stolzes Muttermord!

Mit zarter Sorge umgiebt Viktor Emanuel auch seiue hohe Gefährtin, die
Königin Helena, Es werden allerlei sinnige Züge, namentlich aus der Zeit
der Niederkunft berichtet, die den jungen König als warmfnhlenden Gatten
zeigen.

So stellt sich das Gesamtbild des Königs als das eines thatkräftigen,
modernen Menschen voll idealen Strebens dar. Da aber die Dinge sich oft
genug hart im Raume stoßen, so kann man es begreifen, daß dem jungen König
hin und wieder weltflüchtig zu Sinne wird. Dann führt ihn -- Rom erführe
kaum etwas von der Abreise -- seine Lustjacht "Dela" für ein paar Tage nach
der kleinen Insel Monteeristo, seinem Eigentum. Erfrischt durch die Einsamkeit,
nimmt er nach der Rückkehr den Kampf um seine Ideale von neuem auf. Und
zu kämpfen giebt es genug für ihn, in der innern wie in der äußern Politik
seines Reiches. Zu statten kommt ihm dabei, daß er sich die Herzen seines
Volks gleich durch die ersten Rcgiermigshandlungen im Sturme gewann. Der
Aufruf an sein Volk vom 2, August 1900 war maßvoll, schlicht und ergreifend,
von Schmerzgefühlen durchzittert, aber doch voll Vertrauen auf die Zukunft;
eine Zusage weitern liberalen Regiments und zugleich eine Betonung des
Koirm ilitÄN^idilv. Ju diesem Aufruf sprach der trällernde Sohn, der warm¬
blütige Italiener und der entschlossene König. Der Kamerad sprach dann in
dem Tagesbefehl vom 3. August an die Streitkräfte zu Lande und zu Wasser:
kurz und ergreifend; aus einem echten Soldatenherzen kommend und zu deu
Svldateuherzeu gehend. Aber die größte Wirkung hatte doch die Thronrede
am 11. August 1900 vor dem in der Aula des Senats versammelten Parlament.
Sie war mehr als ein Programm, nämlich ein Gelöbnis und eine Offenbarung.
Auch Elemente, denen mau keinen starken monarchischen Sinn zutrauen kann,
waren hingerissen; Stürme der Begeisterung brachen aus.

"Erziehen wir unsre Generationen -- sagte der König -- zur Vaterlands¬
liebe, zu geordneter Thätigkeit, zum Gefühl für Ehre, d. i. zu dem Gefühl, das
mit lebhaftem Pulsschläge unser Heer und unsre Flotte durchströmt. Heer und
Motte aber wurzeln im Volk und sind ein Unterpfand für den brüderlichen
Zusammenhalt, der in Einheit und Vaterlandsliebe die ganze italienische Familie
umschließt."

Der Herr, der geborne Führer spricht zu seinem Volk. Er gelobt seine
Pflicht zu thun bis zum äußersten, aber er betont zugleich, daß er auch seine
Rechte auszuüben gesonnen sei. Dieses Königswvrt fand lauten Widerhall im
ganzen Lande, denn das italienische Volk hofft von seinem jungen Könige die
Erlösung von allerlei Übeln, vor allem von dem Afterparlamentarismus, der
des Reiches schlimmster Schädling ist. Selbstverständlich läßt sich da mit einem
Staatsstreich nichts machen, sondern nur mit klugem Abwarten, mit zum Teil


Viktor La-muet 111,

führte, durfte nur sie lesen; sein ganzes Streben ging dahin, die gute Meinung,
die sie von ihm hatte, auch wirtlich zu rechtfertigen. Als der Prinz heiratete,
sagte Königin Margherita von ihm: „Er hat mir nie Kummer gemacht." Ein
stolzes Muttermord!

Mit zarter Sorge umgiebt Viktor Emanuel auch seiue hohe Gefährtin, die
Königin Helena, Es werden allerlei sinnige Züge, namentlich aus der Zeit
der Niederkunft berichtet, die den jungen König als warmfnhlenden Gatten
zeigen.

So stellt sich das Gesamtbild des Königs als das eines thatkräftigen,
modernen Menschen voll idealen Strebens dar. Da aber die Dinge sich oft
genug hart im Raume stoßen, so kann man es begreifen, daß dem jungen König
hin und wieder weltflüchtig zu Sinne wird. Dann führt ihn — Rom erführe
kaum etwas von der Abreise — seine Lustjacht „Dela" für ein paar Tage nach
der kleinen Insel Monteeristo, seinem Eigentum. Erfrischt durch die Einsamkeit,
nimmt er nach der Rückkehr den Kampf um seine Ideale von neuem auf. Und
zu kämpfen giebt es genug für ihn, in der innern wie in der äußern Politik
seines Reiches. Zu statten kommt ihm dabei, daß er sich die Herzen seines
Volks gleich durch die ersten Rcgiermigshandlungen im Sturme gewann. Der
Aufruf an sein Volk vom 2, August 1900 war maßvoll, schlicht und ergreifend,
von Schmerzgefühlen durchzittert, aber doch voll Vertrauen auf die Zukunft;
eine Zusage weitern liberalen Regiments und zugleich eine Betonung des
Koirm ilitÄN^idilv. Ju diesem Aufruf sprach der trällernde Sohn, der warm¬
blütige Italiener und der entschlossene König. Der Kamerad sprach dann in
dem Tagesbefehl vom 3. August an die Streitkräfte zu Lande und zu Wasser:
kurz und ergreifend; aus einem echten Soldatenherzen kommend und zu deu
Svldateuherzeu gehend. Aber die größte Wirkung hatte doch die Thronrede
am 11. August 1900 vor dem in der Aula des Senats versammelten Parlament.
Sie war mehr als ein Programm, nämlich ein Gelöbnis und eine Offenbarung.
Auch Elemente, denen mau keinen starken monarchischen Sinn zutrauen kann,
waren hingerissen; Stürme der Begeisterung brachen aus.

„Erziehen wir unsre Generationen — sagte der König — zur Vaterlands¬
liebe, zu geordneter Thätigkeit, zum Gefühl für Ehre, d. i. zu dem Gefühl, das
mit lebhaftem Pulsschläge unser Heer und unsre Flotte durchströmt. Heer und
Motte aber wurzeln im Volk und sind ein Unterpfand für den brüderlichen
Zusammenhalt, der in Einheit und Vaterlandsliebe die ganze italienische Familie
umschließt."

Der Herr, der geborne Führer spricht zu seinem Volk. Er gelobt seine
Pflicht zu thun bis zum äußersten, aber er betont zugleich, daß er auch seine
Rechte auszuüben gesonnen sei. Dieses Königswvrt fand lauten Widerhall im
ganzen Lande, denn das italienische Volk hofft von seinem jungen Könige die
Erlösung von allerlei Übeln, vor allem von dem Afterparlamentarismus, der
des Reiches schlimmster Schädling ist. Selbstverständlich läßt sich da mit einem
Staatsstreich nichts machen, sondern nur mit klugem Abwarten, mit zum Teil


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0341" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/235513"/>
          <fw type="header" place="top"> Viktor La-muet 111,</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_1571" prev="#ID_1570"> führte, durfte nur sie lesen; sein ganzes Streben ging dahin, die gute Meinung,<lb/>
die sie von ihm hatte, auch wirtlich zu rechtfertigen. Als der Prinz heiratete,<lb/>
sagte Königin Margherita von ihm: &#x201E;Er hat mir nie Kummer gemacht." Ein<lb/>
stolzes Muttermord!</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1572"> Mit zarter Sorge umgiebt Viktor Emanuel auch seiue hohe Gefährtin, die<lb/>
Königin Helena, Es werden allerlei sinnige Züge, namentlich aus der Zeit<lb/>
der Niederkunft berichtet, die den jungen König als warmfnhlenden Gatten<lb/>
zeigen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1573"> So stellt sich das Gesamtbild des Königs als das eines thatkräftigen,<lb/>
modernen Menschen voll idealen Strebens dar. Da aber die Dinge sich oft<lb/>
genug hart im Raume stoßen, so kann man es begreifen, daß dem jungen König<lb/>
hin und wieder weltflüchtig zu Sinne wird. Dann führt ihn &#x2014; Rom erführe<lb/>
kaum etwas von der Abreise &#x2014; seine Lustjacht &#x201E;Dela" für ein paar Tage nach<lb/>
der kleinen Insel Monteeristo, seinem Eigentum. Erfrischt durch die Einsamkeit,<lb/>
nimmt er nach der Rückkehr den Kampf um seine Ideale von neuem auf. Und<lb/>
zu kämpfen giebt es genug für ihn, in der innern wie in der äußern Politik<lb/>
seines Reiches. Zu statten kommt ihm dabei, daß er sich die Herzen seines<lb/>
Volks gleich durch die ersten Rcgiermigshandlungen im Sturme gewann. Der<lb/>
Aufruf an sein Volk vom 2, August 1900 war maßvoll, schlicht und ergreifend,<lb/>
von Schmerzgefühlen durchzittert, aber doch voll Vertrauen auf die Zukunft;<lb/>
eine Zusage weitern liberalen Regiments und zugleich eine Betonung des<lb/>
Koirm ilitÄN^idilv. Ju diesem Aufruf sprach der trällernde Sohn, der warm¬<lb/>
blütige Italiener und der entschlossene König. Der Kamerad sprach dann in<lb/>
dem Tagesbefehl vom 3. August an die Streitkräfte zu Lande und zu Wasser:<lb/>
kurz und ergreifend; aus einem echten Soldatenherzen kommend und zu deu<lb/>
Svldateuherzeu gehend. Aber die größte Wirkung hatte doch die Thronrede<lb/>
am 11. August 1900 vor dem in der Aula des Senats versammelten Parlament.<lb/>
Sie war mehr als ein Programm, nämlich ein Gelöbnis und eine Offenbarung.<lb/>
Auch Elemente, denen mau keinen starken monarchischen Sinn zutrauen kann,<lb/>
waren hingerissen; Stürme der Begeisterung brachen aus.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1574"> &#x201E;Erziehen wir unsre Generationen &#x2014; sagte der König &#x2014; zur Vaterlands¬<lb/>
liebe, zu geordneter Thätigkeit, zum Gefühl für Ehre, d. i. zu dem Gefühl, das<lb/>
mit lebhaftem Pulsschläge unser Heer und unsre Flotte durchströmt. Heer und<lb/>
Motte aber wurzeln im Volk und sind ein Unterpfand für den brüderlichen<lb/>
Zusammenhalt, der in Einheit und Vaterlandsliebe die ganze italienische Familie<lb/>
umschließt."</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1575" next="#ID_1576"> Der Herr, der geborne Führer spricht zu seinem Volk. Er gelobt seine<lb/>
Pflicht zu thun bis zum äußersten, aber er betont zugleich, daß er auch seine<lb/>
Rechte auszuüben gesonnen sei. Dieses Königswvrt fand lauten Widerhall im<lb/>
ganzen Lande, denn das italienische Volk hofft von seinem jungen Könige die<lb/>
Erlösung von allerlei Übeln, vor allem von dem Afterparlamentarismus, der<lb/>
des Reiches schlimmster Schädling ist. Selbstverständlich läßt sich da mit einem<lb/>
Staatsstreich nichts machen, sondern nur mit klugem Abwarten, mit zum Teil</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0341] Viktor La-muet 111, führte, durfte nur sie lesen; sein ganzes Streben ging dahin, die gute Meinung, die sie von ihm hatte, auch wirtlich zu rechtfertigen. Als der Prinz heiratete, sagte Königin Margherita von ihm: „Er hat mir nie Kummer gemacht." Ein stolzes Muttermord! Mit zarter Sorge umgiebt Viktor Emanuel auch seiue hohe Gefährtin, die Königin Helena, Es werden allerlei sinnige Züge, namentlich aus der Zeit der Niederkunft berichtet, die den jungen König als warmfnhlenden Gatten zeigen. So stellt sich das Gesamtbild des Königs als das eines thatkräftigen, modernen Menschen voll idealen Strebens dar. Da aber die Dinge sich oft genug hart im Raume stoßen, so kann man es begreifen, daß dem jungen König hin und wieder weltflüchtig zu Sinne wird. Dann führt ihn — Rom erführe kaum etwas von der Abreise — seine Lustjacht „Dela" für ein paar Tage nach der kleinen Insel Monteeristo, seinem Eigentum. Erfrischt durch die Einsamkeit, nimmt er nach der Rückkehr den Kampf um seine Ideale von neuem auf. Und zu kämpfen giebt es genug für ihn, in der innern wie in der äußern Politik seines Reiches. Zu statten kommt ihm dabei, daß er sich die Herzen seines Volks gleich durch die ersten Rcgiermigshandlungen im Sturme gewann. Der Aufruf an sein Volk vom 2, August 1900 war maßvoll, schlicht und ergreifend, von Schmerzgefühlen durchzittert, aber doch voll Vertrauen auf die Zukunft; eine Zusage weitern liberalen Regiments und zugleich eine Betonung des Koirm ilitÄN^idilv. Ju diesem Aufruf sprach der trällernde Sohn, der warm¬ blütige Italiener und der entschlossene König. Der Kamerad sprach dann in dem Tagesbefehl vom 3. August an die Streitkräfte zu Lande und zu Wasser: kurz und ergreifend; aus einem echten Soldatenherzen kommend und zu deu Svldateuherzeu gehend. Aber die größte Wirkung hatte doch die Thronrede am 11. August 1900 vor dem in der Aula des Senats versammelten Parlament. Sie war mehr als ein Programm, nämlich ein Gelöbnis und eine Offenbarung. Auch Elemente, denen mau keinen starken monarchischen Sinn zutrauen kann, waren hingerissen; Stürme der Begeisterung brachen aus. „Erziehen wir unsre Generationen — sagte der König — zur Vaterlands¬ liebe, zu geordneter Thätigkeit, zum Gefühl für Ehre, d. i. zu dem Gefühl, das mit lebhaftem Pulsschläge unser Heer und unsre Flotte durchströmt. Heer und Motte aber wurzeln im Volk und sind ein Unterpfand für den brüderlichen Zusammenhalt, der in Einheit und Vaterlandsliebe die ganze italienische Familie umschließt." Der Herr, der geborne Führer spricht zu seinem Volk. Er gelobt seine Pflicht zu thun bis zum äußersten, aber er betont zugleich, daß er auch seine Rechte auszuüben gesonnen sei. Dieses Königswvrt fand lauten Widerhall im ganzen Lande, denn das italienische Volk hofft von seinem jungen Könige die Erlösung von allerlei Übeln, vor allem von dem Afterparlamentarismus, der des Reiches schlimmster Schädling ist. Selbstverständlich läßt sich da mit einem Staatsstreich nichts machen, sondern nur mit klugem Abwarten, mit zum Teil

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_235171
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_235171/341
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_235171/341>, abgerufen am 12.05.2024.