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Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Drittes Vierteljahr.

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Die englische Lokalverwaltimg

selten mehr gewünscht, uns geirrt und jemand mißverstanden zu haben, als
gerade hier.

Überreichlich sind seit dem Erlaß der preußischen Ministerien vom 19. März
und auch seit unserm ersten Artikel in den Grenzboten vom 19. Mai, worin
wir vor Sprüngen ins Ungewisse warnten, die stilgerechten wohnungs- und
bodenpvlitischen neuen "Forschungen" auf dem Markt des nntrimsnti 8viuos
erschienen. So sind unsre ungelehrten Betrachtungen wider Willen und Plan
fast ins endlose gewachsen. Systematik und Übersichtlichkeit sind dabei arg in
die Brüche gegange", mehr als selbst unzünftigen Schreibern erlaubt ist. Dafür
bitten wir um Verzeihung. Auch hat das Ganze wieder eine vorwiegend
polemische Farbe bekommen, was wir selbst am meisten bedauern. Aber daran
sind nicht wir schuld, sondern die andern. Ihr ganzes Forschen und Dichten
ist ein endloser Kampf gegen alles, was besteht, was gilt, was geworden ist.
Ihr Treiben fordert die schärfste Abwehr auf Schritt und Tritt heraus, zumal
wenn es sich als voinrnunis oxmio aufzutreten das Recht zuspricht.




Die englische Lokalverwaltung
2. Der gegenwärtige Zustand (Schluß)

las nicht in den Bezirken der Städte von 50 W0 Einwohnern
und darüber wohnt und liegt, das gehört in den Vereich der
neuen Vcrwaltnngsgrafschaften. Diese fallen nicht ganz mit den
alten historischen Grafschaften zusammen. Einige von diesen sind
! geteilt worden -- aus den 52 alten hat man 63 neue ge¬
macht --, und die Grenzen sind hie und da aus Zweckmäßigkeitsgründen ver¬
ändert worden. Als Grundlage für die Milizverwaltung, die Parlaments-
wahlen und die Organisation der Gerichtsbarkeit sind die alten Grafschaften
bestehn geblieben. Die ursprünglich ohne Rücksicht auf die Grafschaftsgrenzen
gebildeten Sanitätsbezirke und die für die frühere friedensrichterliche Thätig¬
keit eingerichteten Petty Scssional Divisions sind den jetzigen Verwaltungs-
grafschaftcn eingegliedert worden. Auch in der neuen Organisation prägt sich
die englische Grundanschauung aus, daß der Staat nichts andres sei, als die
aus ihren historischen Bestandteilen erwachsene und in diese gegliederte Nation;
einen Staat, der etwas andres und den Volksgenossen als Unterthanen über¬
geordnet wäre, kennt der Engländer auch heute nicht.

Die Grafschaftsverwaltung ist der städtischen so streng nachgebildet, daß


Die englische Lokalverwaltimg

selten mehr gewünscht, uns geirrt und jemand mißverstanden zu haben, als
gerade hier.

Überreichlich sind seit dem Erlaß der preußischen Ministerien vom 19. März
und auch seit unserm ersten Artikel in den Grenzboten vom 19. Mai, worin
wir vor Sprüngen ins Ungewisse warnten, die stilgerechten wohnungs- und
bodenpvlitischen neuen „Forschungen" auf dem Markt des nntrimsnti 8viuos
erschienen. So sind unsre ungelehrten Betrachtungen wider Willen und Plan
fast ins endlose gewachsen. Systematik und Übersichtlichkeit sind dabei arg in
die Brüche gegange», mehr als selbst unzünftigen Schreibern erlaubt ist. Dafür
bitten wir um Verzeihung. Auch hat das Ganze wieder eine vorwiegend
polemische Farbe bekommen, was wir selbst am meisten bedauern. Aber daran
sind nicht wir schuld, sondern die andern. Ihr ganzes Forschen und Dichten
ist ein endloser Kampf gegen alles, was besteht, was gilt, was geworden ist.
Ihr Treiben fordert die schärfste Abwehr auf Schritt und Tritt heraus, zumal
wenn es sich als voinrnunis oxmio aufzutreten das Recht zuspricht.




Die englische Lokalverwaltung
2. Der gegenwärtige Zustand (Schluß)

las nicht in den Bezirken der Städte von 50 W0 Einwohnern
und darüber wohnt und liegt, das gehört in den Vereich der
neuen Vcrwaltnngsgrafschaften. Diese fallen nicht ganz mit den
alten historischen Grafschaften zusammen. Einige von diesen sind
! geteilt worden — aus den 52 alten hat man 63 neue ge¬
macht —, und die Grenzen sind hie und da aus Zweckmäßigkeitsgründen ver¬
ändert worden. Als Grundlage für die Milizverwaltung, die Parlaments-
wahlen und die Organisation der Gerichtsbarkeit sind die alten Grafschaften
bestehn geblieben. Die ursprünglich ohne Rücksicht auf die Grafschaftsgrenzen
gebildeten Sanitätsbezirke und die für die frühere friedensrichterliche Thätig¬
keit eingerichteten Petty Scssional Divisions sind den jetzigen Verwaltungs-
grafschaftcn eingegliedert worden. Auch in der neuen Organisation prägt sich
die englische Grundanschauung aus, daß der Staat nichts andres sei, als die
aus ihren historischen Bestandteilen erwachsene und in diese gegliederte Nation;
einen Staat, der etwas andres und den Volksgenossen als Unterthanen über¬
geordnet wäre, kennt der Engländer auch heute nicht.

Die Grafschaftsverwaltung ist der städtischen so streng nachgebildet, daß


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[0550] Die englische Lokalverwaltimg selten mehr gewünscht, uns geirrt und jemand mißverstanden zu haben, als gerade hier. Überreichlich sind seit dem Erlaß der preußischen Ministerien vom 19. März und auch seit unserm ersten Artikel in den Grenzboten vom 19. Mai, worin wir vor Sprüngen ins Ungewisse warnten, die stilgerechten wohnungs- und bodenpvlitischen neuen „Forschungen" auf dem Markt des nntrimsnti 8viuos erschienen. So sind unsre ungelehrten Betrachtungen wider Willen und Plan fast ins endlose gewachsen. Systematik und Übersichtlichkeit sind dabei arg in die Brüche gegange», mehr als selbst unzünftigen Schreibern erlaubt ist. Dafür bitten wir um Verzeihung. Auch hat das Ganze wieder eine vorwiegend polemische Farbe bekommen, was wir selbst am meisten bedauern. Aber daran sind nicht wir schuld, sondern die andern. Ihr ganzes Forschen und Dichten ist ein endloser Kampf gegen alles, was besteht, was gilt, was geworden ist. Ihr Treiben fordert die schärfste Abwehr auf Schritt und Tritt heraus, zumal wenn es sich als voinrnunis oxmio aufzutreten das Recht zuspricht. Die englische Lokalverwaltung 2. Der gegenwärtige Zustand (Schluß) las nicht in den Bezirken der Städte von 50 W0 Einwohnern und darüber wohnt und liegt, das gehört in den Vereich der neuen Vcrwaltnngsgrafschaften. Diese fallen nicht ganz mit den alten historischen Grafschaften zusammen. Einige von diesen sind ! geteilt worden — aus den 52 alten hat man 63 neue ge¬ macht —, und die Grenzen sind hie und da aus Zweckmäßigkeitsgründen ver¬ ändert worden. Als Grundlage für die Milizverwaltung, die Parlaments- wahlen und die Organisation der Gerichtsbarkeit sind die alten Grafschaften bestehn geblieben. Die ursprünglich ohne Rücksicht auf die Grafschaftsgrenzen gebildeten Sanitätsbezirke und die für die frühere friedensrichterliche Thätig¬ keit eingerichteten Petty Scssional Divisions sind den jetzigen Verwaltungs- grafschaftcn eingegliedert worden. Auch in der neuen Organisation prägt sich die englische Grundanschauung aus, daß der Staat nichts andres sei, als die aus ihren historischen Bestandteilen erwachsene und in diese gegliederte Nation; einen Staat, der etwas andres und den Volksgenossen als Unterthanen über¬ geordnet wäre, kennt der Engländer auch heute nicht. Die Grafschaftsverwaltung ist der städtischen so streng nachgebildet, daß

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_235171/550>, abgerufen am 28.04.2024.