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Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Drittes Vierteljahr.

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Die Ergebnisse des chinesischen Heldzugs

usre Scholle, im vorigen Juli mich dem fernsten Osten entsandte
Linieuschiffsdivisiou ist auf der Rückfahrt begriffen, unser ost¬
asiatisches Expeditionskorps wird aufgelöst und tritt, mit Aus¬
nahme einer starke" Besatzungsbrigadc, demnächst die Heimreise
an, Graf Wnldersee hat Anfang Juni China verlassen und ist,
nach einem kurzen Besuche am jnpnuischcn Kaiserhofe, in diesem Augenblicke
schon auf hoher See. Der chinesische Feldzug ist also zu Ende. Und die
Ergebnisse, gemessen an den Zielen? Einige hohe chinesische Beamte, die an
den Voxeruuruhen hervorragend beteiligt waren, haben dafür nach den Forde-
rungen der fremden Mächte mit dem Kopfe gebüßt, andre sind vom Hofe ver¬
wiesen, ihrer Stellung beraubt, in der Verbannung; eine Gesmnteutschädiguug
w Betrage von 450 Millionen TaelS ist zugestanden worden, bis zu deren
Regulierung vorläufig fremde Besatzungen in deu wichtigsten Punkten voll
Pchchili und in Shanghai verbleiben, und der chinesische Prinz Tschun rüstet
sich zur Reise mich Europa, um unserm Kaiser feierlich Sühne zu leisten für den
Gesandtenmord vom 20. Juni vorigen Jahres. Was Deutschland vo" Anfang
an erstrebt, wozu es im Oktober das Abkommen mit England geschlossen hat,
Sicherung seiner Handelsinteressen, Sühne für deu Bruch des Völkerrechts und
Entschädigung für die eignen Aufwendungen unter Verzicht auf Laudgewiun,
das ist grundsätzlich erreicht worden, und zwar ohne daß das Eiuvemchmeu der
acht dabei beteiligten Großmächte in die Brüche gegangen wäre. Daran aber
gebührt der weisen Zurückhaltung und der ruhigen Energie Deutschlands das
Hauptverdienst. Nur so kounte es durchgesetzt werden, daß die rechtliche Fiktion
aufrecht erhalte" wurde, die Mächte seien nicht im Kriegszustande mit China,
sondern sie übten dort sozusagen nur die Polizeigewalt aus, um eine auf¬
rührerische Bewegung, die sich ebenso gegen die eigne Regierung wie gegen
die Fremden richtete, niederzuschlagen, weil die chinesische Regierung selbst


Grenzboten III 1N01 ?


Die Ergebnisse des chinesischen Heldzugs

usre Scholle, im vorigen Juli mich dem fernsten Osten entsandte
Linieuschiffsdivisiou ist auf der Rückfahrt begriffen, unser ost¬
asiatisches Expeditionskorps wird aufgelöst und tritt, mit Aus¬
nahme einer starke» Besatzungsbrigadc, demnächst die Heimreise
an, Graf Wnldersee hat Anfang Juni China verlassen und ist,
nach einem kurzen Besuche am jnpnuischcn Kaiserhofe, in diesem Augenblicke
schon auf hoher See. Der chinesische Feldzug ist also zu Ende. Und die
Ergebnisse, gemessen an den Zielen? Einige hohe chinesische Beamte, die an
den Voxeruuruhen hervorragend beteiligt waren, haben dafür nach den Forde-
rungen der fremden Mächte mit dem Kopfe gebüßt, andre sind vom Hofe ver¬
wiesen, ihrer Stellung beraubt, in der Verbannung; eine Gesmnteutschädiguug
w Betrage von 450 Millionen TaelS ist zugestanden worden, bis zu deren
Regulierung vorläufig fremde Besatzungen in deu wichtigsten Punkten voll
Pchchili und in Shanghai verbleiben, und der chinesische Prinz Tschun rüstet
sich zur Reise mich Europa, um unserm Kaiser feierlich Sühne zu leisten für den
Gesandtenmord vom 20. Juni vorigen Jahres. Was Deutschland vo» Anfang
an erstrebt, wozu es im Oktober das Abkommen mit England geschlossen hat,
Sicherung seiner Handelsinteressen, Sühne für deu Bruch des Völkerrechts und
Entschädigung für die eignen Aufwendungen unter Verzicht auf Laudgewiun,
das ist grundsätzlich erreicht worden, und zwar ohne daß das Eiuvemchmeu der
acht dabei beteiligten Großmächte in die Brüche gegangen wäre. Daran aber
gebührt der weisen Zurückhaltung und der ruhigen Energie Deutschlands das
Hauptverdienst. Nur so kounte es durchgesetzt werden, daß die rechtliche Fiktion
aufrecht erhalte» wurde, die Mächte seien nicht im Kriegszustande mit China,
sondern sie übten dort sozusagen nur die Polizeigewalt aus, um eine auf¬
rührerische Bewegung, die sich ebenso gegen die eigne Regierung wie gegen
die Fremden richtete, niederzuschlagen, weil die chinesische Regierung selbst


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[0057] [Abbildung] Die Ergebnisse des chinesischen Heldzugs usre Scholle, im vorigen Juli mich dem fernsten Osten entsandte Linieuschiffsdivisiou ist auf der Rückfahrt begriffen, unser ost¬ asiatisches Expeditionskorps wird aufgelöst und tritt, mit Aus¬ nahme einer starke» Besatzungsbrigadc, demnächst die Heimreise an, Graf Wnldersee hat Anfang Juni China verlassen und ist, nach einem kurzen Besuche am jnpnuischcn Kaiserhofe, in diesem Augenblicke schon auf hoher See. Der chinesische Feldzug ist also zu Ende. Und die Ergebnisse, gemessen an den Zielen? Einige hohe chinesische Beamte, die an den Voxeruuruhen hervorragend beteiligt waren, haben dafür nach den Forde- rungen der fremden Mächte mit dem Kopfe gebüßt, andre sind vom Hofe ver¬ wiesen, ihrer Stellung beraubt, in der Verbannung; eine Gesmnteutschädiguug w Betrage von 450 Millionen TaelS ist zugestanden worden, bis zu deren Regulierung vorläufig fremde Besatzungen in deu wichtigsten Punkten voll Pchchili und in Shanghai verbleiben, und der chinesische Prinz Tschun rüstet sich zur Reise mich Europa, um unserm Kaiser feierlich Sühne zu leisten für den Gesandtenmord vom 20. Juni vorigen Jahres. Was Deutschland vo» Anfang an erstrebt, wozu es im Oktober das Abkommen mit England geschlossen hat, Sicherung seiner Handelsinteressen, Sühne für deu Bruch des Völkerrechts und Entschädigung für die eignen Aufwendungen unter Verzicht auf Laudgewiun, das ist grundsätzlich erreicht worden, und zwar ohne daß das Eiuvemchmeu der acht dabei beteiligten Großmächte in die Brüche gegangen wäre. Daran aber gebührt der weisen Zurückhaltung und der ruhigen Energie Deutschlands das Hauptverdienst. Nur so kounte es durchgesetzt werden, daß die rechtliche Fiktion aufrecht erhalte» wurde, die Mächte seien nicht im Kriegszustande mit China, sondern sie übten dort sozusagen nur die Polizeigewalt aus, um eine auf¬ rührerische Bewegung, die sich ebenso gegen die eigne Regierung wie gegen die Fremden richtete, niederzuschlagen, weil die chinesische Regierung selbst Grenzboten III 1N01 ?

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_235171/57>, abgerufen am 28.04.2024.