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Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Drittes Vierteljahr.

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Die englische Lokalverwaltung

Das haben die Bankkrache in jüngster Zeit genugsam dargethan. Doch dies
führt ans ein andres Gebiet. Hoffentlich schwindet allnmhlich wenigstens das
Vorurteil für Hänscrpfandbriefverbände, deren Schaffung mit Recht angestrebt
wird. Hoffentlich zeigt sich nicht bloß die preußische Staatsregierung auch
fernerhin diesen Verbänden geneigt, sondern es bricht sich auch bei den Leitern
der öffentlichen Sparkassen die Überzeugung immer mehr Bahn, daß es keine
Aufgabe für die Sparkassen ist, dein Realkredit zu dienen, und daß sie dessen
Bedürfnis weder in gefahrloser Weise noch jemals ganz werden befriedigen
können. Denn eine Sparkasse kann nicht mehr Gelder ausleihen, als ihr von
Sparern anvertraut werden. Ein Pfandbriefverband kann soviel Pfandbriefe
ausgeben, als sich Käufer finden. Einem Pfandbriefvcrband steht darum der
gesamte Geldmarkt zur Verfügung.

Will man zu gesunden Kreditvcrhältnissen in unserm Staate gelange", so
werden sich auch die öffentlichen Sparkassen dem allgemeinen Staatsbedürfnis
unterordnen müssen. Es wird ihnen selbst, ihrer Gemeinde und dem ganzen
Staate zum Wohle gereiche!?!


Georg Baumert


Die englische Lokalverwaltung
3. Redlich gegen Gneist

er letzte Abschnitt des Werkes ist überschrieben: "Zur Theorie
und Kritik der englischen Lokalverwaltnng"; es wird aber nicht
diese kritisiert, sondern Greises Ansicht von ihr, und anch das
Wort Theorie bezieht sich nur ans die in Deutschland herrschenden
Ansichten, da nach Redlich die Engländer gar keine Theorie vom
Staate haben, und ihnen nichts ferner liegt, als ihr Staatswesen nach irgend
einer Theorie formen zu wollen, ihre ganze politische Thätigkeit sich vielmehr
darauf beschränkt, die Gesetzgebungsmaschine zur Befriedigung einzelner und
augenblicklicher Bedürfnisse zu handhaben. Gneist ist -- immer nach Redlich --
mit vorgefaßten Meinungen nach England gekommen und hat dort, wie es
Theoretikern zu gehn Pflegt, gefunden, was er suchte: die Bestätigung seiner
Theorie. Diese ist die eines "im schwächlichen Liberalismus und im Glauben
an die Wunderkraft der Bureaukratie herangereiften preußischen Beamten,"
der sich verpflichtet fühlte, die in Deutschland nachwirkende" Ideen der fran¬
zösischen Revolution zu bekämpfen, und der sich die dialektische Methode von
Hegel und ihre Anwendung ans den Staat von diesem und von Lorenz
von Stein geholt hatte. So ausgerüstet gewann er folgende Ansicht von
den politischen Dingen im allgemeinen und von den politischen Zustündeil
Englands im besondern:


Die englische Lokalverwaltung

Das haben die Bankkrache in jüngster Zeit genugsam dargethan. Doch dies
führt ans ein andres Gebiet. Hoffentlich schwindet allnmhlich wenigstens das
Vorurteil für Hänscrpfandbriefverbände, deren Schaffung mit Recht angestrebt
wird. Hoffentlich zeigt sich nicht bloß die preußische Staatsregierung auch
fernerhin diesen Verbänden geneigt, sondern es bricht sich auch bei den Leitern
der öffentlichen Sparkassen die Überzeugung immer mehr Bahn, daß es keine
Aufgabe für die Sparkassen ist, dein Realkredit zu dienen, und daß sie dessen
Bedürfnis weder in gefahrloser Weise noch jemals ganz werden befriedigen
können. Denn eine Sparkasse kann nicht mehr Gelder ausleihen, als ihr von
Sparern anvertraut werden. Ein Pfandbriefverband kann soviel Pfandbriefe
ausgeben, als sich Käufer finden. Einem Pfandbriefvcrband steht darum der
gesamte Geldmarkt zur Verfügung.

Will man zu gesunden Kreditvcrhältnissen in unserm Staate gelange», so
werden sich auch die öffentlichen Sparkassen dem allgemeinen Staatsbedürfnis
unterordnen müssen. Es wird ihnen selbst, ihrer Gemeinde und dem ganzen
Staate zum Wohle gereiche!?!


Georg Baumert


Die englische Lokalverwaltung
3. Redlich gegen Gneist

er letzte Abschnitt des Werkes ist überschrieben: „Zur Theorie
und Kritik der englischen Lokalverwaltnng"; es wird aber nicht
diese kritisiert, sondern Greises Ansicht von ihr, und anch das
Wort Theorie bezieht sich nur ans die in Deutschland herrschenden
Ansichten, da nach Redlich die Engländer gar keine Theorie vom
Staate haben, und ihnen nichts ferner liegt, als ihr Staatswesen nach irgend
einer Theorie formen zu wollen, ihre ganze politische Thätigkeit sich vielmehr
darauf beschränkt, die Gesetzgebungsmaschine zur Befriedigung einzelner und
augenblicklicher Bedürfnisse zu handhaben. Gneist ist — immer nach Redlich —
mit vorgefaßten Meinungen nach England gekommen und hat dort, wie es
Theoretikern zu gehn Pflegt, gefunden, was er suchte: die Bestätigung seiner
Theorie. Diese ist die eines „im schwächlichen Liberalismus und im Glauben
an die Wunderkraft der Bureaukratie herangereiften preußischen Beamten,"
der sich verpflichtet fühlte, die in Deutschland nachwirkende» Ideen der fran¬
zösischen Revolution zu bekämpfen, und der sich die dialektische Methode von
Hegel und ihre Anwendung ans den Staat von diesem und von Lorenz
von Stein geholt hatte. So ausgerüstet gewann er folgende Ansicht von
den politischen Dingen im allgemeinen und von den politischen Zustündeil
Englands im besondern:


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[0612] Die englische Lokalverwaltung Das haben die Bankkrache in jüngster Zeit genugsam dargethan. Doch dies führt ans ein andres Gebiet. Hoffentlich schwindet allnmhlich wenigstens das Vorurteil für Hänscrpfandbriefverbände, deren Schaffung mit Recht angestrebt wird. Hoffentlich zeigt sich nicht bloß die preußische Staatsregierung auch fernerhin diesen Verbänden geneigt, sondern es bricht sich auch bei den Leitern der öffentlichen Sparkassen die Überzeugung immer mehr Bahn, daß es keine Aufgabe für die Sparkassen ist, dein Realkredit zu dienen, und daß sie dessen Bedürfnis weder in gefahrloser Weise noch jemals ganz werden befriedigen können. Denn eine Sparkasse kann nicht mehr Gelder ausleihen, als ihr von Sparern anvertraut werden. Ein Pfandbriefverband kann soviel Pfandbriefe ausgeben, als sich Käufer finden. Einem Pfandbriefvcrband steht darum der gesamte Geldmarkt zur Verfügung. Will man zu gesunden Kreditvcrhältnissen in unserm Staate gelange», so werden sich auch die öffentlichen Sparkassen dem allgemeinen Staatsbedürfnis unterordnen müssen. Es wird ihnen selbst, ihrer Gemeinde und dem ganzen Staate zum Wohle gereiche!?! Georg Baumert Die englische Lokalverwaltung 3. Redlich gegen Gneist er letzte Abschnitt des Werkes ist überschrieben: „Zur Theorie und Kritik der englischen Lokalverwaltnng"; es wird aber nicht diese kritisiert, sondern Greises Ansicht von ihr, und anch das Wort Theorie bezieht sich nur ans die in Deutschland herrschenden Ansichten, da nach Redlich die Engländer gar keine Theorie vom Staate haben, und ihnen nichts ferner liegt, als ihr Staatswesen nach irgend einer Theorie formen zu wollen, ihre ganze politische Thätigkeit sich vielmehr darauf beschränkt, die Gesetzgebungsmaschine zur Befriedigung einzelner und augenblicklicher Bedürfnisse zu handhaben. Gneist ist — immer nach Redlich — mit vorgefaßten Meinungen nach England gekommen und hat dort, wie es Theoretikern zu gehn Pflegt, gefunden, was er suchte: die Bestätigung seiner Theorie. Diese ist die eines „im schwächlichen Liberalismus und im Glauben an die Wunderkraft der Bureaukratie herangereiften preußischen Beamten," der sich verpflichtet fühlte, die in Deutschland nachwirkende» Ideen der fran¬ zösischen Revolution zu bekämpfen, und der sich die dialektische Methode von Hegel und ihre Anwendung ans den Staat von diesem und von Lorenz von Stein geholt hatte. So ausgerüstet gewann er folgende Ansicht von den politischen Dingen im allgemeinen und von den politischen Zustündeil Englands im besondern:

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_235171/612>, abgerufen am 28.04.2024.