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Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Drittes Vierteljahr.

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wünsche eines Laien zur modernen Schwindsnchtsbekämpfung

Heute wirke die Intelligenz über das Land verteilt, und die Unterhausmit-
glicdcr selbst sagten das Beste, was sie wüßten, nicht im Hause, solider" un¬
mittelbar ihren Wühlern. Dann aber sei eine so zahlreiche Versammlung nicht
das geeignete Organ zur Erledigung schwieriger und umfangreicher Geschäfte.
Man werde deshalb zu einem erweiterten Cäsarismus oder einer Oligarchie
gelangen: vier oder fünf Männer würde", unterstützt von einem bedeutend ver¬
größerten Kabinett, die Geschäfte leiten. Das Unterhaus, schließt der Artikel,
ist eine hinschwindende Macht, nicht weil seine Mitglieder denen früherer Zeiten
an Fähigkeit nachstünden, sonder" weil es nicht mehr das geeignete Organ ist
für die dem Staat obliegende" Aufgaben.




Wünsche eines Laien zur modernen ^chwindsuchts-
bekämpfung
Lhr. Jasper von

is der Londoner Tuberkulosekongreß dieses Jahr vorbereitet wurde,
nisteten sich viel wackere Nedekämpen, um dort in breitester
Öffentlichkeit eine mächtige Schlacht gegen die Tuberkulose der
Hans- u"d Schlachttierc, vor allein der Rinder zu schlagen.
Wie dann stürmisch begrüßt vor einem großen Publikum und den
spitzen Ohren vieler Reporter Professor Koch das Wort nahm, erklang zum
Wehleid dieser Kämpen eine wissenschaftliche Darlegung, daß die Tuberkulose
der Menschen und der Rinder ganz verschiedne Dinge seien, und daß sehr wahr¬
scheinlich eine Übertragung der Rindertubcrkulose auf den Menschen ganz aus¬
geschlossen sei. Das war nicht mir unangenehm für die schonen Beschlüsse,
die man mitgebracht und vorbereitet hatte, sondern noch schmerzlicher war, daß
der große Feldzug gegen die Tuberkulose des Viehs, für den "ran Staaten,
Gemeinden und Private mobil gemacht hatte, damit als ein Kampf gegen
Windmühlen erschien. Vor der weiten Öffentlichkeit, nicht nur im engen Kreise
der Fachgenossen war einmal wieder dargethan, auf wie schwankenden, un¬
sichern wissenschaftlichen Voraussetzungen man gewagt hatte, eine große prak¬
tische Bewegung mit Macht zu schüren, die tief ins wirtschaftliche und ins
Familienleben eingriff. Ängstlich warnte deshalb der Vorsitzende, man möge
die neue Lehre nicht gleich annehmen und nicht aus zu starker Vorsicht in zu
große Sorglosigkeit verfallen.

Wer in enger Berührung mit dem täglichen Leben der unbemittelten
Klassen die Schlvindsuchtsbekämpfnng der letzten Jahre mit erlebt hatte, der
konnte bei den Telegrammen der Rede Kochs ein herzhaftes Gott sei Dank!


wünsche eines Laien zur modernen Schwindsnchtsbekämpfung

Heute wirke die Intelligenz über das Land verteilt, und die Unterhausmit-
glicdcr selbst sagten das Beste, was sie wüßten, nicht im Hause, solider» un¬
mittelbar ihren Wühlern. Dann aber sei eine so zahlreiche Versammlung nicht
das geeignete Organ zur Erledigung schwieriger und umfangreicher Geschäfte.
Man werde deshalb zu einem erweiterten Cäsarismus oder einer Oligarchie
gelangen: vier oder fünf Männer würde», unterstützt von einem bedeutend ver¬
größerten Kabinett, die Geschäfte leiten. Das Unterhaus, schließt der Artikel,
ist eine hinschwindende Macht, nicht weil seine Mitglieder denen früherer Zeiten
an Fähigkeit nachstünden, sonder» weil es nicht mehr das geeignete Organ ist
für die dem Staat obliegende» Aufgaben.




Wünsche eines Laien zur modernen ^chwindsuchts-
bekämpfung
Lhr. Jasper von

is der Londoner Tuberkulosekongreß dieses Jahr vorbereitet wurde,
nisteten sich viel wackere Nedekämpen, um dort in breitester
Öffentlichkeit eine mächtige Schlacht gegen die Tuberkulose der
Hans- u»d Schlachttierc, vor allein der Rinder zu schlagen.
Wie dann stürmisch begrüßt vor einem großen Publikum und den
spitzen Ohren vieler Reporter Professor Koch das Wort nahm, erklang zum
Wehleid dieser Kämpen eine wissenschaftliche Darlegung, daß die Tuberkulose
der Menschen und der Rinder ganz verschiedne Dinge seien, und daß sehr wahr¬
scheinlich eine Übertragung der Rindertubcrkulose auf den Menschen ganz aus¬
geschlossen sei. Das war nicht mir unangenehm für die schonen Beschlüsse,
die man mitgebracht und vorbereitet hatte, sondern noch schmerzlicher war, daß
der große Feldzug gegen die Tuberkulose des Viehs, für den »ran Staaten,
Gemeinden und Private mobil gemacht hatte, damit als ein Kampf gegen
Windmühlen erschien. Vor der weiten Öffentlichkeit, nicht nur im engen Kreise
der Fachgenossen war einmal wieder dargethan, auf wie schwankenden, un¬
sichern wissenschaftlichen Voraussetzungen man gewagt hatte, eine große prak¬
tische Bewegung mit Macht zu schüren, die tief ins wirtschaftliche und ins
Familienleben eingriff. Ängstlich warnte deshalb der Vorsitzende, man möge
die neue Lehre nicht gleich annehmen und nicht aus zu starker Vorsicht in zu
große Sorglosigkeit verfallen.

Wer in enger Berührung mit dem täglichen Leben der unbemittelten
Klassen die Schlvindsuchtsbekämpfnng der letzten Jahre mit erlebt hatte, der
konnte bei den Telegrammen der Rede Kochs ein herzhaftes Gott sei Dank!


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[0624] wünsche eines Laien zur modernen Schwindsnchtsbekämpfung Heute wirke die Intelligenz über das Land verteilt, und die Unterhausmit- glicdcr selbst sagten das Beste, was sie wüßten, nicht im Hause, solider» un¬ mittelbar ihren Wühlern. Dann aber sei eine so zahlreiche Versammlung nicht das geeignete Organ zur Erledigung schwieriger und umfangreicher Geschäfte. Man werde deshalb zu einem erweiterten Cäsarismus oder einer Oligarchie gelangen: vier oder fünf Männer würde», unterstützt von einem bedeutend ver¬ größerten Kabinett, die Geschäfte leiten. Das Unterhaus, schließt der Artikel, ist eine hinschwindende Macht, nicht weil seine Mitglieder denen früherer Zeiten an Fähigkeit nachstünden, sonder» weil es nicht mehr das geeignete Organ ist für die dem Staat obliegende» Aufgaben. Wünsche eines Laien zur modernen ^chwindsuchts- bekämpfung Lhr. Jasper von is der Londoner Tuberkulosekongreß dieses Jahr vorbereitet wurde, nisteten sich viel wackere Nedekämpen, um dort in breitester Öffentlichkeit eine mächtige Schlacht gegen die Tuberkulose der Hans- u»d Schlachttierc, vor allein der Rinder zu schlagen. Wie dann stürmisch begrüßt vor einem großen Publikum und den spitzen Ohren vieler Reporter Professor Koch das Wort nahm, erklang zum Wehleid dieser Kämpen eine wissenschaftliche Darlegung, daß die Tuberkulose der Menschen und der Rinder ganz verschiedne Dinge seien, und daß sehr wahr¬ scheinlich eine Übertragung der Rindertubcrkulose auf den Menschen ganz aus¬ geschlossen sei. Das war nicht mir unangenehm für die schonen Beschlüsse, die man mitgebracht und vorbereitet hatte, sondern noch schmerzlicher war, daß der große Feldzug gegen die Tuberkulose des Viehs, für den »ran Staaten, Gemeinden und Private mobil gemacht hatte, damit als ein Kampf gegen Windmühlen erschien. Vor der weiten Öffentlichkeit, nicht nur im engen Kreise der Fachgenossen war einmal wieder dargethan, auf wie schwankenden, un¬ sichern wissenschaftlichen Voraussetzungen man gewagt hatte, eine große prak¬ tische Bewegung mit Macht zu schüren, die tief ins wirtschaftliche und ins Familienleben eingriff. Ängstlich warnte deshalb der Vorsitzende, man möge die neue Lehre nicht gleich annehmen und nicht aus zu starker Vorsicht in zu große Sorglosigkeit verfallen. Wer in enger Berührung mit dem täglichen Leben der unbemittelten Klassen die Schlvindsuchtsbekämpfnng der letzten Jahre mit erlebt hatte, der konnte bei den Telegrammen der Rede Kochs ein herzhaftes Gott sei Dank!

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_235171/624>, abgerufen am 28.04.2024.