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Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Drittes Vierteljahr.

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Der Wildfang
Adolf Schmiedhammer von(Fortsetzung)

es war von uns dreien der älteste und war auch um längsten in der
Schmiede. Bald nach mir war Gerwig aus Kaiserslautern herüber
gekommen. Wir wurden schnell gute Freunde, und außer einem,
mit dem ich zusammen in Bacharach vor dem Amboß gestanden hatte,
War mir nie einer lieber gewesen als er. Den andern freilich konnte
ich uicht vergessen, und wenn wir des Sonntags nach dem Mittags¬
mahl in unsrer Kammer lagen und die Hieben verzehrten, die Margarete uns
mit hinauf gegeben hatte, und die Sonne so freundlich zum Laden hereinschien,
und Gerwig sich streckte und sagte: Es ist doch eine Staatsherberg dies Heidel¬
berg -- dann erwiderte ich: Wenn noch mein Valentin da wäre, dann könnte es
nirgends schöner sein in der Welt als hier! -- Auf den war aber nicht zu hoffen;
er hatte auf dein Rochustag zu Biiigen eines Ratsherrn Sohn niedergeschlagen
einer Dirne wegen und war flüchtig gegangen. Darauf hatte es auch mir in
Bacharach nimmer gefallen wollen, und ich war heimwärts gezogen. Von Valentin
hatte ich seit Jahr und Tag nichts mehr gehört.

Da trat er eiues Tags in die Schmiede herein und fragte nach Arbeit. Es
war um einem Sonntag abend. Wir hatten auf dem Anger mit der Armbrust
geschossen und saßen bei einem Kruge Wein in der aufgeräumten Werkstatt. Ich
traute meinen Augen nicht, als ich die hohe Gestalt in der Thür stehn sah. Kennst
du mich nicht mehr, Johannes? fragte er. Da flog ich ihm um den Hals.

Valentin gefiel dem Meister ausnehmend wohl. Er war ein Bursche so stattlich
und schön, daß ihn jedermann mit Lust ansehen mußte. Gemeiniglich schaute er
sanft und treuherzig aus seineu Augen, aber wenn er einen rasch anblickte, fuhr
ein Feuerstrahl heraus. Dabei war er lustig und gegen jedermann freundlich. Er
war die gute Stunde selbst und brachte den Sonnenschein mit, wohin er kam.

In unsrer Kammer wurde eine dritte Lagerstatt aufgeschlagen, nud am andern
Morgen stand er mit uus am Amboß. Der Meister lachte über sein ganzes Gesicht,
wenn er ihn heimlich betrachtete, so flink und geschickt und verständig war er bei
der Arbeit.

Ich freute mich über seinen guten Einstand und war daheim und auf der Herberge
stolz ob meines Kameraden. Dem gefiel es wohl bei uns, und er beschloß zu
bleiben. Ich fragte ihn, ob er nichts zu fürchten habe wegen des Binger Rats¬
herrn Sohn, den er auf dem Rochnsberg zu Schanden gehauen hatte. Du meinst
den Mainzer Fähnrich? erwiderte er gleichmütig. Ach was, wer einem Liguisten
den Arm gelähmt hat, braucht jetzt in Heidelberg nichts zu fürchten. Auf dem
Wege hierher bin ich in Mainz selber gewesen und bin den Stadtknechten vor den
Spießen herumgelaufen. -- Das ist tollkühn! rief ich erschrocken. Er zuckte die
Achsel und meinte, er blühe unter einem glücklichen Stern.

Leid that es mir, daß unsers Meisters Tochter über den neuen Gast nicht




Der Wildfang
Adolf Schmiedhammer von(Fortsetzung)

es war von uns dreien der älteste und war auch um längsten in der
Schmiede. Bald nach mir war Gerwig aus Kaiserslautern herüber
gekommen. Wir wurden schnell gute Freunde, und außer einem,
mit dem ich zusammen in Bacharach vor dem Amboß gestanden hatte,
War mir nie einer lieber gewesen als er. Den andern freilich konnte
ich uicht vergessen, und wenn wir des Sonntags nach dem Mittags¬
mahl in unsrer Kammer lagen und die Hieben verzehrten, die Margarete uns
mit hinauf gegeben hatte, und die Sonne so freundlich zum Laden hereinschien,
und Gerwig sich streckte und sagte: Es ist doch eine Staatsherberg dies Heidel¬
berg — dann erwiderte ich: Wenn noch mein Valentin da wäre, dann könnte es
nirgends schöner sein in der Welt als hier! — Auf den war aber nicht zu hoffen;
er hatte auf dein Rochustag zu Biiigen eines Ratsherrn Sohn niedergeschlagen
einer Dirne wegen und war flüchtig gegangen. Darauf hatte es auch mir in
Bacharach nimmer gefallen wollen, und ich war heimwärts gezogen. Von Valentin
hatte ich seit Jahr und Tag nichts mehr gehört.

Da trat er eiues Tags in die Schmiede herein und fragte nach Arbeit. Es
war um einem Sonntag abend. Wir hatten auf dem Anger mit der Armbrust
geschossen und saßen bei einem Kruge Wein in der aufgeräumten Werkstatt. Ich
traute meinen Augen nicht, als ich die hohe Gestalt in der Thür stehn sah. Kennst
du mich nicht mehr, Johannes? fragte er. Da flog ich ihm um den Hals.

Valentin gefiel dem Meister ausnehmend wohl. Er war ein Bursche so stattlich
und schön, daß ihn jedermann mit Lust ansehen mußte. Gemeiniglich schaute er
sanft und treuherzig aus seineu Augen, aber wenn er einen rasch anblickte, fuhr
ein Feuerstrahl heraus. Dabei war er lustig und gegen jedermann freundlich. Er
war die gute Stunde selbst und brachte den Sonnenschein mit, wohin er kam.

In unsrer Kammer wurde eine dritte Lagerstatt aufgeschlagen, nud am andern
Morgen stand er mit uus am Amboß. Der Meister lachte über sein ganzes Gesicht,
wenn er ihn heimlich betrachtete, so flink und geschickt und verständig war er bei
der Arbeit.

Ich freute mich über seinen guten Einstand und war daheim und auf der Herberge
stolz ob meines Kameraden. Dem gefiel es wohl bei uns, und er beschloß zu
bleiben. Ich fragte ihn, ob er nichts zu fürchten habe wegen des Binger Rats¬
herrn Sohn, den er auf dem Rochnsberg zu Schanden gehauen hatte. Du meinst
den Mainzer Fähnrich? erwiderte er gleichmütig. Ach was, wer einem Liguisten
den Arm gelähmt hat, braucht jetzt in Heidelberg nichts zu fürchten. Auf dem
Wege hierher bin ich in Mainz selber gewesen und bin den Stadtknechten vor den
Spießen herumgelaufen. — Das ist tollkühn! rief ich erschrocken. Er zuckte die
Achsel und meinte, er blühe unter einem glücklichen Stern.

Leid that es mir, daß unsers Meisters Tochter über den neuen Gast nicht


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_235171/94>, abgerufen am 28.04.2024.