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Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Erstes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Annas;<zal'Acht.'s

alles, was zur nationalen Bildung gehört, und zu dieser gehört das ganze reiche
Erbe auch des klassischen Altertums und der Renaissance. Wir können uns weder
in unsre teutonischen Urwälder zurückziehn noch das deutsche Bauernhaus (unser
einziges einheimisches Bauprodukt) als ausschließliches Vorbild für unsre Architekten
aufstellen uoch unser Volk allein auf dem Dorfe, in den Fabriken, auf den Gassen
und in den Kneipen unsrer Großstädte suchen. Das wäre ein Rückfall in die
Barbarei, nichts weiter.

Wenn nnn endlich die Befürchtung ausgesprochen worden ist, die Wucht des
kaiserlichen Ansehens werde die freie Entwicklung der deutschen Kunst beeinträch-
tigen, so können wir diese Sorge nicht teilen. ZVir erwarten vielmehr, nach den
bisherigen Erfahrungen, daß gerade das Gegenteil eintreten wird, denn bisher hat
die Selbständigkeit des deutschen Charakters auf Anregungen und Urteile des Kaisers
gewöhnlich geantwortet! "Nun erst recht nicht."


Die Sixtinische Kapelle und das Deutsche Reich.

Die Verlagsanstalt
von Bruckmann in München hat kürzlich mit Unterstützung der deutschen Reichs¬
regierung die erste Hälfte eines großen Werks über die in den Vatikanischen Palast
eingebaute Kapelle des Papstes Sixtus IV., die durch Michelangelos und seiner Vor¬
gänger Fresken so berühmt gewordne Sixtinn, herausgegebein vierunddreißig Tafeln
in einer Mappe mit den Architekturanfnahmen, deu Bildhauerarbeiten der innern
Ausstattung und Lichtbrücken nach den zwölf großen biblischen Fresken der Quattro-
centisten Rossetti, Botticelli, Ghirlandajo, Perugino, Pinturicchio, Signorelli usw.
an den beiden Langseiten der Kapelle; dazu gehört ein Textband von 710 Seiten
mit noch 260 Abbildungen. Die zweite Hälfte soll den Anteil des Cinquecento,
Michelangelos Deckenbilder und sein Jüngstes Gericht an der Altarwand, bringen,
und das Ganze wird alsdann 200 Mark kosten. Das Wertvollste an der vor¬
liegenden ersten Hälfte sind die ungemein interessanten Bilder jener Qnattroceutisteu,
die man freilich schon lange in Photographien, sogar kleinen zu ganz niedrigen
Preisen, haben konnte. Weniger wichtig sind die Bildnisse der Päpste, die hier zum
erstenmal vollständig vorgeführt werden. Die Kapelle selbst ist als Architekturwerk
ganz unbedeutend, und an dekorativer Plastik findet sich in Italien ans der Zeit
der Frührenaissance mindestens zehnmal so viel, was eher verdient hätte, so aus¬
führlich publiziert zu werden, als diese öden Werkstattarbeiten um den Schranken
und der Sängertribüne, die vielleicht der hundertste Besucher noch nicht einmal
angesehen hat. Die photographischen Aufnahmen sind von Anderson in Rom, die
Zeichnungen für die Architekturbilder, darunter Rekonstruktionen der Kapelle von
innen und außen, von einem italienischen Architekten, ein langweiliges Stück Mosaik
und das päpstliche Wappen erscheinen auf ganzen Tafeln in Farbendruck. Der
Textbaud des Herausgebers Dr. Ernst Steinmann enthält zweifellos sehr viel neues
und wichtiges, z. B. über die Bau- und Flickarbeiten an dieser päpstlichen Haus¬
kapelle, über die Art, wie in ihr die großen Kirchenfeste begangen wurden, über
das Leben des Papstes Sixtus und die Reihe seiner Biographen von Platina bis
nuf Ludwig Pastor, aber eine Eigenschaft hat er ebenso gewiß nicht: er ist nicht
monumental, nicht so abgewogen und knapp wie für ein Werk, das doch auf einige
Jahrhunderte ausreichen' soll. Er enthält viel Zufälliges und Subjektiv-persönliches,
zuviel Unsichres in den Bildererktärnngen, und unter diesem zu wenig gereinigten
Hanpttext treten wir noch in ein Fußbad von Anmerkungen mit zahlreichen Überflüssig¬
keiten. Wir erwähnen davon nur eine Art, weil sie uns gegen den guten Geschmack
z" verstoßen scheint, der in einem solchen Muster- und Dcmerwerke doch auch einige
Rücksicht verlangt. Gelehrte Männer pflegen gewissenhaft zu verzeichnen, was für
Schriften sie bei ihren Arbeiten nicht bloß gebraucht, sondern mich nicht gebraucht
haben, ein Vergnügen, das auf jeden gedruckten Lappen ausgedehnt, von einem
Autor noch Belieben verlängert werden und übrigeus nur noch für den Setzer,
der dos alles setzen muß, von Belang sein kann. Daß solche Spielereien nicht in


Maßgebliches und Annas;<zal'Acht.'s

alles, was zur nationalen Bildung gehört, und zu dieser gehört das ganze reiche
Erbe auch des klassischen Altertums und der Renaissance. Wir können uns weder
in unsre teutonischen Urwälder zurückziehn noch das deutsche Bauernhaus (unser
einziges einheimisches Bauprodukt) als ausschließliches Vorbild für unsre Architekten
aufstellen uoch unser Volk allein auf dem Dorfe, in den Fabriken, auf den Gassen
und in den Kneipen unsrer Großstädte suchen. Das wäre ein Rückfall in die
Barbarei, nichts weiter.

Wenn nnn endlich die Befürchtung ausgesprochen worden ist, die Wucht des
kaiserlichen Ansehens werde die freie Entwicklung der deutschen Kunst beeinträch-
tigen, so können wir diese Sorge nicht teilen. ZVir erwarten vielmehr, nach den
bisherigen Erfahrungen, daß gerade das Gegenteil eintreten wird, denn bisher hat
die Selbständigkeit des deutschen Charakters auf Anregungen und Urteile des Kaisers
gewöhnlich geantwortet! „Nun erst recht nicht."


Die Sixtinische Kapelle und das Deutsche Reich.

Die Verlagsanstalt
von Bruckmann in München hat kürzlich mit Unterstützung der deutschen Reichs¬
regierung die erste Hälfte eines großen Werks über die in den Vatikanischen Palast
eingebaute Kapelle des Papstes Sixtus IV., die durch Michelangelos und seiner Vor¬
gänger Fresken so berühmt gewordne Sixtinn, herausgegebein vierunddreißig Tafeln
in einer Mappe mit den Architekturanfnahmen, deu Bildhauerarbeiten der innern
Ausstattung und Lichtbrücken nach den zwölf großen biblischen Fresken der Quattro-
centisten Rossetti, Botticelli, Ghirlandajo, Perugino, Pinturicchio, Signorelli usw.
an den beiden Langseiten der Kapelle; dazu gehört ein Textband von 710 Seiten
mit noch 260 Abbildungen. Die zweite Hälfte soll den Anteil des Cinquecento,
Michelangelos Deckenbilder und sein Jüngstes Gericht an der Altarwand, bringen,
und das Ganze wird alsdann 200 Mark kosten. Das Wertvollste an der vor¬
liegenden ersten Hälfte sind die ungemein interessanten Bilder jener Qnattroceutisteu,
die man freilich schon lange in Photographien, sogar kleinen zu ganz niedrigen
Preisen, haben konnte. Weniger wichtig sind die Bildnisse der Päpste, die hier zum
erstenmal vollständig vorgeführt werden. Die Kapelle selbst ist als Architekturwerk
ganz unbedeutend, und an dekorativer Plastik findet sich in Italien ans der Zeit
der Frührenaissance mindestens zehnmal so viel, was eher verdient hätte, so aus¬
führlich publiziert zu werden, als diese öden Werkstattarbeiten um den Schranken
und der Sängertribüne, die vielleicht der hundertste Besucher noch nicht einmal
angesehen hat. Die photographischen Aufnahmen sind von Anderson in Rom, die
Zeichnungen für die Architekturbilder, darunter Rekonstruktionen der Kapelle von
innen und außen, von einem italienischen Architekten, ein langweiliges Stück Mosaik
und das päpstliche Wappen erscheinen auf ganzen Tafeln in Farbendruck. Der
Textbaud des Herausgebers Dr. Ernst Steinmann enthält zweifellos sehr viel neues
und wichtiges, z. B. über die Bau- und Flickarbeiten an dieser päpstlichen Haus¬
kapelle, über die Art, wie in ihr die großen Kirchenfeste begangen wurden, über
das Leben des Papstes Sixtus und die Reihe seiner Biographen von Platina bis
nuf Ludwig Pastor, aber eine Eigenschaft hat er ebenso gewiß nicht: er ist nicht
monumental, nicht so abgewogen und knapp wie für ein Werk, das doch auf einige
Jahrhunderte ausreichen' soll. Er enthält viel Zufälliges und Subjektiv-persönliches,
zuviel Unsichres in den Bildererktärnngen, und unter diesem zu wenig gereinigten
Hanpttext treten wir noch in ein Fußbad von Anmerkungen mit zahlreichen Überflüssig¬
keiten. Wir erwähnen davon nur eine Art, weil sie uns gegen den guten Geschmack
z» verstoßen scheint, der in einem solchen Muster- und Dcmerwerke doch auch einige
Rücksicht verlangt. Gelehrte Männer pflegen gewissenhaft zu verzeichnen, was für
Schriften sie bei ihren Arbeiten nicht bloß gebraucht, sondern mich nicht gebraucht
haben, ein Vergnügen, das auf jeden gedruckten Lappen ausgedehnt, von einem
Autor noch Belieben verlängert werden und übrigeus nur noch für den Setzer,
der dos alles setzen muß, von Belang sein kann. Daß solche Spielereien nicht in


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[0119] Maßgebliches und Annas;<zal'Acht.'s alles, was zur nationalen Bildung gehört, und zu dieser gehört das ganze reiche Erbe auch des klassischen Altertums und der Renaissance. Wir können uns weder in unsre teutonischen Urwälder zurückziehn noch das deutsche Bauernhaus (unser einziges einheimisches Bauprodukt) als ausschließliches Vorbild für unsre Architekten aufstellen uoch unser Volk allein auf dem Dorfe, in den Fabriken, auf den Gassen und in den Kneipen unsrer Großstädte suchen. Das wäre ein Rückfall in die Barbarei, nichts weiter. Wenn nnn endlich die Befürchtung ausgesprochen worden ist, die Wucht des kaiserlichen Ansehens werde die freie Entwicklung der deutschen Kunst beeinträch- tigen, so können wir diese Sorge nicht teilen. ZVir erwarten vielmehr, nach den bisherigen Erfahrungen, daß gerade das Gegenteil eintreten wird, denn bisher hat die Selbständigkeit des deutschen Charakters auf Anregungen und Urteile des Kaisers gewöhnlich geantwortet! „Nun erst recht nicht." Die Sixtinische Kapelle und das Deutsche Reich. Die Verlagsanstalt von Bruckmann in München hat kürzlich mit Unterstützung der deutschen Reichs¬ regierung die erste Hälfte eines großen Werks über die in den Vatikanischen Palast eingebaute Kapelle des Papstes Sixtus IV., die durch Michelangelos und seiner Vor¬ gänger Fresken so berühmt gewordne Sixtinn, herausgegebein vierunddreißig Tafeln in einer Mappe mit den Architekturanfnahmen, deu Bildhauerarbeiten der innern Ausstattung und Lichtbrücken nach den zwölf großen biblischen Fresken der Quattro- centisten Rossetti, Botticelli, Ghirlandajo, Perugino, Pinturicchio, Signorelli usw. an den beiden Langseiten der Kapelle; dazu gehört ein Textband von 710 Seiten mit noch 260 Abbildungen. Die zweite Hälfte soll den Anteil des Cinquecento, Michelangelos Deckenbilder und sein Jüngstes Gericht an der Altarwand, bringen, und das Ganze wird alsdann 200 Mark kosten. Das Wertvollste an der vor¬ liegenden ersten Hälfte sind die ungemein interessanten Bilder jener Qnattroceutisteu, die man freilich schon lange in Photographien, sogar kleinen zu ganz niedrigen Preisen, haben konnte. Weniger wichtig sind die Bildnisse der Päpste, die hier zum erstenmal vollständig vorgeführt werden. Die Kapelle selbst ist als Architekturwerk ganz unbedeutend, und an dekorativer Plastik findet sich in Italien ans der Zeit der Frührenaissance mindestens zehnmal so viel, was eher verdient hätte, so aus¬ führlich publiziert zu werden, als diese öden Werkstattarbeiten um den Schranken und der Sängertribüne, die vielleicht der hundertste Besucher noch nicht einmal angesehen hat. Die photographischen Aufnahmen sind von Anderson in Rom, die Zeichnungen für die Architekturbilder, darunter Rekonstruktionen der Kapelle von innen und außen, von einem italienischen Architekten, ein langweiliges Stück Mosaik und das päpstliche Wappen erscheinen auf ganzen Tafeln in Farbendruck. Der Textbaud des Herausgebers Dr. Ernst Steinmann enthält zweifellos sehr viel neues und wichtiges, z. B. über die Bau- und Flickarbeiten an dieser päpstlichen Haus¬ kapelle, über die Art, wie in ihr die großen Kirchenfeste begangen wurden, über das Leben des Papstes Sixtus und die Reihe seiner Biographen von Platina bis nuf Ludwig Pastor, aber eine Eigenschaft hat er ebenso gewiß nicht: er ist nicht monumental, nicht so abgewogen und knapp wie für ein Werk, das doch auf einige Jahrhunderte ausreichen' soll. Er enthält viel Zufälliges und Subjektiv-persönliches, zuviel Unsichres in den Bildererktärnngen, und unter diesem zu wenig gereinigten Hanpttext treten wir noch in ein Fußbad von Anmerkungen mit zahlreichen Überflüssig¬ keiten. Wir erwähnen davon nur eine Art, weil sie uns gegen den guten Geschmack z» verstoßen scheint, der in einem solchen Muster- und Dcmerwerke doch auch einige Rücksicht verlangt. Gelehrte Männer pflegen gewissenhaft zu verzeichnen, was für Schriften sie bei ihren Arbeiten nicht bloß gebraucht, sondern mich nicht gebraucht haben, ein Vergnügen, das auf jeden gedruckten Lappen ausgedehnt, von einem Autor noch Belieben verlängert werden und übrigeus nur noch für den Setzer, der dos alles setzen muß, von Belang sein kann. Daß solche Spielereien nicht in

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341875_236523/119>, abgerufen am 28.04.2024.