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Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Erstes Vierteljahr.

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vom mittelalterlichen Indenrecht

Konferenz eingeladen zu werden, zurückgewiesen sah. Und warum diese Zurück¬
weisung? Weil die Transvaalregierung in einer sehr unklaren diplomatischen
Stellung ist, und weil sie, nach diplomatischer Anschauung wenigstens, in einem
gewissen Abhängigkeitsverhältnisse zu England steht." Er tröstet dann seine
Zuhörer mit der Betrachtung: "Doch weit entfernt, den Krieg in Transvaal
als ein blutiges Dementi gegen die Friedenskonferenz zu betrachten, sehe ich
vielmehr darin ein Ereignis, das bei all seiner Traurigkeit der Friedensidce
günstig sein wird, weil es in den Gemütern eine solche Empörung hervor¬
gerufen hat, daß der Krieg immer mehr sein Ausehen verlieren muß, und weil
schon heute alle Welt bedauert, daß die Konferenz nicht imstande war, ihn zu
verhindern." Wir scheu hierin einen weitgehenden Optimismus und fürchten
gerade die entgegengesetzten. Resultate. Wenn die soeben ins Leben getretne
und mit Enthusiasmus begrüßte Konferenz in diesem Falle eines von Eng¬
land begangnen Nechtsbruchs nichts thun konnte zur Vermittlung, so wird es
ihr in andern Fällen noch viel weniger möglich sein, und die Gefahr liegt
sehr nahe, daß sich bei künftigen Streitigkeiten die angreifende und die stärkere
-- oder sich doch für stärker haltende -- Macht immer auf das Beispiel Eng¬
lands im Burenkriegc berufen wird, das die Thätigkeit der Friedenskonferenz
nicht anrief, die angcbotne Vermittlung ablehnte, ja sogar erklärte, daß es die
Ausübung des den neutralen Staaten gewährten Rechts, ihre guten Dienste
auch während der Feindseligkeiten anzubieten, als einen "unfreundlichen Akt"
ansehen werde, obgleich dies nach Artikel 3 der Konvention ansdrücklich aus¬
v. W. geschlossen ist.




Vom mittelalterlichen Iudenrecht

in Jahrgang 1896 der Grenzboten (IV, 210) hatten wir es zu
bedauern, daß der antisemitisch gestimmte Nübling mit all seinen?
Sammlerfleiße nur ein im ganzen unbrauchbares Buch (Die
Judengemeinden des Mittelalters) zustande gebracht hat. Haut
müssen wir den: Werke eines Philosemiten -- ob er Jude ist,
wissen wir nicht -- die Note: sehr brauchbar geben: Die Rechtsver¬
hältnisse der Juden in den deutsch-österreichischen Ländern von
Dr. I. E. Scherer (Leipzig, Duncker und Humblot, 1901). Der Verfasser
giebt die von ihm gesammelten und zu einem großen Teile bisher ungedruckten
Urkunden im Wortlaut, sodaß der Leser beurteilen kann, wie weit seine gelegent¬
liche" Herzensergüsse begründet sind. Als Einleitung dient eine Übersicht der
Entstehung der mittelalterlichen Judengesetzgebung und ihrer Entwicklung in
den verschiednen Ländern Europas. Scherer bringt die Judengesetze unter die
zwei Rubriken: durch die Religion beeinflußte Staatsgesetze und dem mittel¬
alterlichen Fremdenrecht entflossene Gesetze. Auch in dem Hanptteile, der die


vom mittelalterlichen Indenrecht

Konferenz eingeladen zu werden, zurückgewiesen sah. Und warum diese Zurück¬
weisung? Weil die Transvaalregierung in einer sehr unklaren diplomatischen
Stellung ist, und weil sie, nach diplomatischer Anschauung wenigstens, in einem
gewissen Abhängigkeitsverhältnisse zu England steht." Er tröstet dann seine
Zuhörer mit der Betrachtung: „Doch weit entfernt, den Krieg in Transvaal
als ein blutiges Dementi gegen die Friedenskonferenz zu betrachten, sehe ich
vielmehr darin ein Ereignis, das bei all seiner Traurigkeit der Friedensidce
günstig sein wird, weil es in den Gemütern eine solche Empörung hervor¬
gerufen hat, daß der Krieg immer mehr sein Ausehen verlieren muß, und weil
schon heute alle Welt bedauert, daß die Konferenz nicht imstande war, ihn zu
verhindern." Wir scheu hierin einen weitgehenden Optimismus und fürchten
gerade die entgegengesetzten. Resultate. Wenn die soeben ins Leben getretne
und mit Enthusiasmus begrüßte Konferenz in diesem Falle eines von Eng¬
land begangnen Nechtsbruchs nichts thun konnte zur Vermittlung, so wird es
ihr in andern Fällen noch viel weniger möglich sein, und die Gefahr liegt
sehr nahe, daß sich bei künftigen Streitigkeiten die angreifende und die stärkere
— oder sich doch für stärker haltende — Macht immer auf das Beispiel Eng¬
lands im Burenkriegc berufen wird, das die Thätigkeit der Friedenskonferenz
nicht anrief, die angcbotne Vermittlung ablehnte, ja sogar erklärte, daß es die
Ausübung des den neutralen Staaten gewährten Rechts, ihre guten Dienste
auch während der Feindseligkeiten anzubieten, als einen „unfreundlichen Akt"
ansehen werde, obgleich dies nach Artikel 3 der Konvention ansdrücklich aus¬
v. W. geschlossen ist.




Vom mittelalterlichen Iudenrecht

in Jahrgang 1896 der Grenzboten (IV, 210) hatten wir es zu
bedauern, daß der antisemitisch gestimmte Nübling mit all seinen?
Sammlerfleiße nur ein im ganzen unbrauchbares Buch (Die
Judengemeinden des Mittelalters) zustande gebracht hat. Haut
müssen wir den: Werke eines Philosemiten — ob er Jude ist,
wissen wir nicht — die Note: sehr brauchbar geben: Die Rechtsver¬
hältnisse der Juden in den deutsch-österreichischen Ländern von
Dr. I. E. Scherer (Leipzig, Duncker und Humblot, 1901). Der Verfasser
giebt die von ihm gesammelten und zu einem großen Teile bisher ungedruckten
Urkunden im Wortlaut, sodaß der Leser beurteilen kann, wie weit seine gelegent¬
liche» Herzensergüsse begründet sind. Als Einleitung dient eine Übersicht der
Entstehung der mittelalterlichen Judengesetzgebung und ihrer Entwicklung in
den verschiednen Ländern Europas. Scherer bringt die Judengesetze unter die
zwei Rubriken: durch die Religion beeinflußte Staatsgesetze und dem mittel¬
alterlichen Fremdenrecht entflossene Gesetze. Auch in dem Hanptteile, der die


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[0136] vom mittelalterlichen Indenrecht Konferenz eingeladen zu werden, zurückgewiesen sah. Und warum diese Zurück¬ weisung? Weil die Transvaalregierung in einer sehr unklaren diplomatischen Stellung ist, und weil sie, nach diplomatischer Anschauung wenigstens, in einem gewissen Abhängigkeitsverhältnisse zu England steht." Er tröstet dann seine Zuhörer mit der Betrachtung: „Doch weit entfernt, den Krieg in Transvaal als ein blutiges Dementi gegen die Friedenskonferenz zu betrachten, sehe ich vielmehr darin ein Ereignis, das bei all seiner Traurigkeit der Friedensidce günstig sein wird, weil es in den Gemütern eine solche Empörung hervor¬ gerufen hat, daß der Krieg immer mehr sein Ausehen verlieren muß, und weil schon heute alle Welt bedauert, daß die Konferenz nicht imstande war, ihn zu verhindern." Wir scheu hierin einen weitgehenden Optimismus und fürchten gerade die entgegengesetzten. Resultate. Wenn die soeben ins Leben getretne und mit Enthusiasmus begrüßte Konferenz in diesem Falle eines von Eng¬ land begangnen Nechtsbruchs nichts thun konnte zur Vermittlung, so wird es ihr in andern Fällen noch viel weniger möglich sein, und die Gefahr liegt sehr nahe, daß sich bei künftigen Streitigkeiten die angreifende und die stärkere — oder sich doch für stärker haltende — Macht immer auf das Beispiel Eng¬ lands im Burenkriegc berufen wird, das die Thätigkeit der Friedenskonferenz nicht anrief, die angcbotne Vermittlung ablehnte, ja sogar erklärte, daß es die Ausübung des den neutralen Staaten gewährten Rechts, ihre guten Dienste auch während der Feindseligkeiten anzubieten, als einen „unfreundlichen Akt" ansehen werde, obgleich dies nach Artikel 3 der Konvention ansdrücklich aus¬ v. W. geschlossen ist. Vom mittelalterlichen Iudenrecht in Jahrgang 1896 der Grenzboten (IV, 210) hatten wir es zu bedauern, daß der antisemitisch gestimmte Nübling mit all seinen? Sammlerfleiße nur ein im ganzen unbrauchbares Buch (Die Judengemeinden des Mittelalters) zustande gebracht hat. Haut müssen wir den: Werke eines Philosemiten — ob er Jude ist, wissen wir nicht — die Note: sehr brauchbar geben: Die Rechtsver¬ hältnisse der Juden in den deutsch-österreichischen Ländern von Dr. I. E. Scherer (Leipzig, Duncker und Humblot, 1901). Der Verfasser giebt die von ihm gesammelten und zu einem großen Teile bisher ungedruckten Urkunden im Wortlaut, sodaß der Leser beurteilen kann, wie weit seine gelegent¬ liche» Herzensergüsse begründet sind. Als Einleitung dient eine Übersicht der Entstehung der mittelalterlichen Judengesetzgebung und ihrer Entwicklung in den verschiednen Ländern Europas. Scherer bringt die Judengesetze unter die zwei Rubriken: durch die Religion beeinflußte Staatsgesetze und dem mittel¬ alterlichen Fremdenrecht entflossene Gesetze. Auch in dem Hanptteile, der die

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341875_236523/136>, abgerufen am 29.04.2024.