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Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Erstes Vierteljahr.

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Doktor Duttmüller und sein Freund

der Königin. Das ist geradezu auffallend. Soll sie etwa, der Edelsten eine,
die auf Sachsens Thron gesessen hat, der Vergessenheit anheimfallen? Niemals --
wir hoffen vielmehr, daß das allzu unförmige Grabmal, das im Rohbau stecken
geblieben zu sein scheint, bald einen einfachen künstlerischen Schmuck und eine
Inschrift erhalte. Die Gegensätze, die dies vielleicht einst verhinderten, sind
ja längst milder geworden -- käme Christine Eberhardine heute aus die Erde
zurück, sie würde beruhigt sein über das Schicksal ihres Sachsenlandes. Sie
würde teilnehmen an dem blühenden Leben der zu neuer Thatkraft erwachte"
evangelischen Kirche, sie würde eine begeisterte Anhängerin der innern Mission
sein, und vor allem -- sie würde sich freuen über die edle Verwendung ihres
Schlosses als Erziehungshaus für Waisenmädcheu -- hat sie es doch schon
selbst in diesem Geiste benutzt.




Doktor Duttmüller und sein Freund
Fritz Anders (Max Allahn) Line Geschichte aus der Gegenwart von Viertes Aapitel
Der Fronhof

>ir müssen jetzt dem Fronhofe und seinen Bewohnern einen Besuch
abstatten. Es ist schon erzählt worden, daß der Fronhvf ein alter
Edelsitz, und daß das Wohnhaus -- Schloß hätte man beim besten
Willen nicht sagen können -- ein alter Fachwerkbau mit einem
himmelhohen, schiefergedeckten Dache war. Die alten Balkenköpfe mit
I ihrem Schnitzwerke, die Einlagen in den Mauerfttchern, die ein-
geschnittnen Inschriften machten sich gar nicht übel. Nur waren die Fenster für
das alte Hans zu modern. Vor der Front stand ein Turm, worin die Wendel¬
treppe zum obern Stockwerke führte. Über der Thür war das Nienhagensche
Wappen -- oder war es das eines frühern Besitzers? -- in Holz geschnitzt an¬
gebracht. Vor dein Hause war ein breiter, bekiester und sorgfältig geharkter Platz.
Hier hätten nun frische Rüderspuren ihre eleganten Kurven eingeschrieben haben
sollen, aber diese fehlten. Weiterhin standen alte Bäume auf Grasplätze". An
einer freien Stelle waren die Felder für das Lawntcnnisspiel in den Nasen ge¬
zeichnet, auch die Pfähle und das Netz aufgestellt. Dort waren Kübel mit alten
Aloepflanzen aufgestellt, und an der Hauswart unter einem rotgestreiften Souueu-
dache Gartentische und Stühle von ehrwürdigen Alter und so oft angestrichen,
daß sie mehr durch die Ölfarbe als durch innere Gediegenheit zusammengehalten
zu werden schienen. Es hatte alles einen wenn auch nicht reichen, so doch nobeln
und herrschaftlichen Anstrich. Dafür sorgte mit Hilfe von Klapphorn, der das
Faktotnm des Hanfes war, die gnädige Frau, die ihre besondre Aufgabe darin
sah, zu repräsentieren und für den vornehmen Glanz von Park und Salon zu
sorgen.

Hinter dem Hause lag der Kuchen-zarten. Hier war das Revier des Herrn
Oberstleutnants, der - - gleichfalls mit Hilfe von Klapphorn -- praktischen Aufgaben
oblag und seinen Liebhabereien nachging. Man kann nicht sagen, daß dieser Küchen¬
garten besonders gepflegt nusgesehen'hätte. Auf den Wegen wuchs Gras, und auf den
Beeten mehr Unkraut, als den Gewächsen dienlich war. Alles war anders ein-


Doktor Duttmüller und sein Freund

der Königin. Das ist geradezu auffallend. Soll sie etwa, der Edelsten eine,
die auf Sachsens Thron gesessen hat, der Vergessenheit anheimfallen? Niemals —
wir hoffen vielmehr, daß das allzu unförmige Grabmal, das im Rohbau stecken
geblieben zu sein scheint, bald einen einfachen künstlerischen Schmuck und eine
Inschrift erhalte. Die Gegensätze, die dies vielleicht einst verhinderten, sind
ja längst milder geworden — käme Christine Eberhardine heute aus die Erde
zurück, sie würde beruhigt sein über das Schicksal ihres Sachsenlandes. Sie
würde teilnehmen an dem blühenden Leben der zu neuer Thatkraft erwachte»
evangelischen Kirche, sie würde eine begeisterte Anhängerin der innern Mission
sein, und vor allem — sie würde sich freuen über die edle Verwendung ihres
Schlosses als Erziehungshaus für Waisenmädcheu — hat sie es doch schon
selbst in diesem Geiste benutzt.




Doktor Duttmüller und sein Freund
Fritz Anders (Max Allahn) Line Geschichte aus der Gegenwart von Viertes Aapitel
Der Fronhof

>ir müssen jetzt dem Fronhofe und seinen Bewohnern einen Besuch
abstatten. Es ist schon erzählt worden, daß der Fronhvf ein alter
Edelsitz, und daß das Wohnhaus — Schloß hätte man beim besten
Willen nicht sagen können — ein alter Fachwerkbau mit einem
himmelhohen, schiefergedeckten Dache war. Die alten Balkenköpfe mit
I ihrem Schnitzwerke, die Einlagen in den Mauerfttchern, die ein-
geschnittnen Inschriften machten sich gar nicht übel. Nur waren die Fenster für
das alte Hans zu modern. Vor der Front stand ein Turm, worin die Wendel¬
treppe zum obern Stockwerke führte. Über der Thür war das Nienhagensche
Wappen — oder war es das eines frühern Besitzers? — in Holz geschnitzt an¬
gebracht. Vor dein Hause war ein breiter, bekiester und sorgfältig geharkter Platz.
Hier hätten nun frische Rüderspuren ihre eleganten Kurven eingeschrieben haben
sollen, aber diese fehlten. Weiterhin standen alte Bäume auf Grasplätze«. An
einer freien Stelle waren die Felder für das Lawntcnnisspiel in den Nasen ge¬
zeichnet, auch die Pfähle und das Netz aufgestellt. Dort waren Kübel mit alten
Aloepflanzen aufgestellt, und an der Hauswart unter einem rotgestreiften Souueu-
dache Gartentische und Stühle von ehrwürdigen Alter und so oft angestrichen,
daß sie mehr durch die Ölfarbe als durch innere Gediegenheit zusammengehalten
zu werden schienen. Es hatte alles einen wenn auch nicht reichen, so doch nobeln
und herrschaftlichen Anstrich. Dafür sorgte mit Hilfe von Klapphorn, der das
Faktotnm des Hanfes war, die gnädige Frau, die ihre besondre Aufgabe darin
sah, zu repräsentieren und für den vornehmen Glanz von Park und Salon zu
sorgen.

Hinter dem Hause lag der Kuchen-zarten. Hier war das Revier des Herrn
Oberstleutnants, der - - gleichfalls mit Hilfe von Klapphorn — praktischen Aufgaben
oblag und seinen Liebhabereien nachging. Man kann nicht sagen, daß dieser Küchen¬
garten besonders gepflegt nusgesehen'hätte. Auf den Wegen wuchs Gras, und auf den
Beeten mehr Unkraut, als den Gewächsen dienlich war. Alles war anders ein-


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[0222] Doktor Duttmüller und sein Freund der Königin. Das ist geradezu auffallend. Soll sie etwa, der Edelsten eine, die auf Sachsens Thron gesessen hat, der Vergessenheit anheimfallen? Niemals — wir hoffen vielmehr, daß das allzu unförmige Grabmal, das im Rohbau stecken geblieben zu sein scheint, bald einen einfachen künstlerischen Schmuck und eine Inschrift erhalte. Die Gegensätze, die dies vielleicht einst verhinderten, sind ja längst milder geworden — käme Christine Eberhardine heute aus die Erde zurück, sie würde beruhigt sein über das Schicksal ihres Sachsenlandes. Sie würde teilnehmen an dem blühenden Leben der zu neuer Thatkraft erwachte» evangelischen Kirche, sie würde eine begeisterte Anhängerin der innern Mission sein, und vor allem — sie würde sich freuen über die edle Verwendung ihres Schlosses als Erziehungshaus für Waisenmädcheu — hat sie es doch schon selbst in diesem Geiste benutzt. Doktor Duttmüller und sein Freund Fritz Anders (Max Allahn) Line Geschichte aus der Gegenwart von Viertes Aapitel Der Fronhof >ir müssen jetzt dem Fronhofe und seinen Bewohnern einen Besuch abstatten. Es ist schon erzählt worden, daß der Fronhvf ein alter Edelsitz, und daß das Wohnhaus — Schloß hätte man beim besten Willen nicht sagen können — ein alter Fachwerkbau mit einem himmelhohen, schiefergedeckten Dache war. Die alten Balkenköpfe mit I ihrem Schnitzwerke, die Einlagen in den Mauerfttchern, die ein- geschnittnen Inschriften machten sich gar nicht übel. Nur waren die Fenster für das alte Hans zu modern. Vor der Front stand ein Turm, worin die Wendel¬ treppe zum obern Stockwerke führte. Über der Thür war das Nienhagensche Wappen — oder war es das eines frühern Besitzers? — in Holz geschnitzt an¬ gebracht. Vor dein Hause war ein breiter, bekiester und sorgfältig geharkter Platz. Hier hätten nun frische Rüderspuren ihre eleganten Kurven eingeschrieben haben sollen, aber diese fehlten. Weiterhin standen alte Bäume auf Grasplätze«. An einer freien Stelle waren die Felder für das Lawntcnnisspiel in den Nasen ge¬ zeichnet, auch die Pfähle und das Netz aufgestellt. Dort waren Kübel mit alten Aloepflanzen aufgestellt, und an der Hauswart unter einem rotgestreiften Souueu- dache Gartentische und Stühle von ehrwürdigen Alter und so oft angestrichen, daß sie mehr durch die Ölfarbe als durch innere Gediegenheit zusammengehalten zu werden schienen. Es hatte alles einen wenn auch nicht reichen, so doch nobeln und herrschaftlichen Anstrich. Dafür sorgte mit Hilfe von Klapphorn, der das Faktotnm des Hanfes war, die gnädige Frau, die ihre besondre Aufgabe darin sah, zu repräsentieren und für den vornehmen Glanz von Park und Salon zu sorgen. Hinter dem Hause lag der Kuchen-zarten. Hier war das Revier des Herrn Oberstleutnants, der - - gleichfalls mit Hilfe von Klapphorn — praktischen Aufgaben oblag und seinen Liebhabereien nachging. Man kann nicht sagen, daß dieser Küchen¬ garten besonders gepflegt nusgesehen'hätte. Auf den Wegen wuchs Gras, und auf den Beeten mehr Unkraut, als den Gewächsen dienlich war. Alles war anders ein-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341875_236523/222>, abgerufen am 29.04.2024.