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Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Erstes Vierteljahr.

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Angelegenheiten jetzt verschiednen Stellen überwiesen, so wird es später außer¬
ordentlich schwer sein, das rückgängig zu machen.

Nach unsrer Meinung darf der jetzige Zeitpunkt nicht verpaßt, und muß
die Schaffung einer Landeskulturbehörde energisch betrieben werden. Wir
wiederholen dabei, daß wir es für eine außerordentlich schwierige Aufgabe
halten. Ihre Lösung wird jedenfalls Jahre in Anspruch nehmen. Möge
mau die Zwischenzeit benutzen und zunächst Vorkehrungen treffen, daß endlich
einmal die Aufgaben, zu deren Lösung die Generalkoinmissionen vor nun¬
mehr einem Jahrhundert als "vorübergehende Behörden" ins Leben gerufen
wurden, die Beseitigung der aus der frühern Grnndbesitzverfassuug herrührende"
Dienstbarkeiten und Reallasten, zu Ende gebracht werden. Dann wird man
keinen Unterschied mehr zwischen alten und neuen Aufgaben der General¬
kommissionen machen müssen, sie als reine Verwaltungsbehörden ausgestalten
können und ihre Reorganisation damit sehr erleichtern. In den vorjährigen
Kvmmissionsberatnngen ist schon ein dahingehender, unsers Erachtens sehr
wohl ausführbarer Vorschlag gemacht worden, dem auch die Regierungs¬
vertreter nicht widersprochen haben, und der darauf hinauslief, für jene alten
Lasten einen Anmeldungs- und Eintragungszwang einzuführen. Möge dieser
als erster Schritt ans den? Wege der Reorganisation in die That umgesetzt
werden. Als es sich seiner Zeit um die allgemeine Verwaltnngsreform handelte,
fand sich im Grafen Eulenburg der geniale Organisator; möge sich ein solcher
auch für die LaudeSkulturbehörden finden!




Hellenentum und (Lhristentum
^. Umschlag der Philosophie in die Theosophie

ristoteles war eine Gelehrtennatur, Forschen seine Lust und seine
Lebenslust, worin er volles Genüge fand. Hätte ihn jemand
gefragt, ob das Sein besser sei als das Nichtsein, so würde er
mit Anaxagoras geantwortet haben, das Sein sei schon allein
darum vorzuziehn, weil es dem Seienden vergönnt sei, den
Himmel und die Ordnung des Weltalls zu schauen. Plato war eine wärmere
Natur und hatte bei noch so lebhaftem Interesse für die Theorie weit mehr
Verständnis für das Glückbedürfnis der Menschen, die nicht reiner Intellekt
sind, und zu denen er selbst gehörte. Darum richtete sich je langer je mehr
all sein Sinnen und Trachten auf die Verwirklichung der Gerechtigkeit in den
griechischen Gemeinwesen. Seine beiden praktischen Versuche scheiterten, und
bei dem jammervollen politischen Zustande der griechischen Staaten und bei
der Alleinherrschaft brutaler Gewalt im Osten und Westen des "Erdkreises"
konnte kein vernünftiger Mensch mehr um einen dritten Versuch denken. Als
Gesellschaftsordnerin, die sich für berufen hielt, den großen Kosmos durch einen


Angelegenheiten jetzt verschiednen Stellen überwiesen, so wird es später außer¬
ordentlich schwer sein, das rückgängig zu machen.

Nach unsrer Meinung darf der jetzige Zeitpunkt nicht verpaßt, und muß
die Schaffung einer Landeskulturbehörde energisch betrieben werden. Wir
wiederholen dabei, daß wir es für eine außerordentlich schwierige Aufgabe
halten. Ihre Lösung wird jedenfalls Jahre in Anspruch nehmen. Möge
mau die Zwischenzeit benutzen und zunächst Vorkehrungen treffen, daß endlich
einmal die Aufgaben, zu deren Lösung die Generalkoinmissionen vor nun¬
mehr einem Jahrhundert als „vorübergehende Behörden" ins Leben gerufen
wurden, die Beseitigung der aus der frühern Grnndbesitzverfassuug herrührende«
Dienstbarkeiten und Reallasten, zu Ende gebracht werden. Dann wird man
keinen Unterschied mehr zwischen alten und neuen Aufgaben der General¬
kommissionen machen müssen, sie als reine Verwaltungsbehörden ausgestalten
können und ihre Reorganisation damit sehr erleichtern. In den vorjährigen
Kvmmissionsberatnngen ist schon ein dahingehender, unsers Erachtens sehr
wohl ausführbarer Vorschlag gemacht worden, dem auch die Regierungs¬
vertreter nicht widersprochen haben, und der darauf hinauslief, für jene alten
Lasten einen Anmeldungs- und Eintragungszwang einzuführen. Möge dieser
als erster Schritt ans den? Wege der Reorganisation in die That umgesetzt
werden. Als es sich seiner Zeit um die allgemeine Verwaltnngsreform handelte,
fand sich im Grafen Eulenburg der geniale Organisator; möge sich ein solcher
auch für die LaudeSkulturbehörden finden!




Hellenentum und (Lhristentum
^. Umschlag der Philosophie in die Theosophie

ristoteles war eine Gelehrtennatur, Forschen seine Lust und seine
Lebenslust, worin er volles Genüge fand. Hätte ihn jemand
gefragt, ob das Sein besser sei als das Nichtsein, so würde er
mit Anaxagoras geantwortet haben, das Sein sei schon allein
darum vorzuziehn, weil es dem Seienden vergönnt sei, den
Himmel und die Ordnung des Weltalls zu schauen. Plato war eine wärmere
Natur und hatte bei noch so lebhaftem Interesse für die Theorie weit mehr
Verständnis für das Glückbedürfnis der Menschen, die nicht reiner Intellekt
sind, und zu denen er selbst gehörte. Darum richtete sich je langer je mehr
all sein Sinnen und Trachten auf die Verwirklichung der Gerechtigkeit in den
griechischen Gemeinwesen. Seine beiden praktischen Versuche scheiterten, und
bei dem jammervollen politischen Zustande der griechischen Staaten und bei
der Alleinherrschaft brutaler Gewalt im Osten und Westen des „Erdkreises"
konnte kein vernünftiger Mensch mehr um einen dritten Versuch denken. Als
Gesellschaftsordnerin, die sich für berufen hielt, den großen Kosmos durch einen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341875_236523/480>, abgerufen am 28.04.2024.