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Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Erstes Vierteljahr.

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Doktor Duttmüller und sein Freund

zeit im Hofe stand, rings um mich her ein reges und fröhliches Treiben.
Ordonnanzen laufen hin und her, einige Soldaten Maschen und trocknen singend
und pfeifend ihr Drillichzeug am Brunnen, dann tritt die Wache an, der schmucke
Leutnant zieht den Degen, und im wuchtigen Gleichtritt ziehn die muntern
Söhne der alten "Misnopotamia" durchs dröhnende Thor. Da füllt eine
freudige Zuversicht die Seele: die Zeit ist vorüber, wo das gierige Auge des
Spaniers" des Schweden und des Franzosen um diese Mauern schweifte; uns
alle umfaßt und schützt das Reich! Die warme Herbstsonne lacht über der
um aufblühenden Stadt, die in rüstiger Kraft ihren Pauzergürtel zersprengt,
und vergoldet die Türme und Zinnen des Schlosses, aber freilich, sie enthüllt
auch die bösen Wunden und Schrammen, die es im Kampfe mit der Zeit und
widrigem Schicksal davongetragen hat: der Putz füllt von den Wanden, die
schönen Steiumetzarbeiten sind bröcklig geworden, der Hof unansehnlich, der
tiefe und breite Graben verwildert. Das ist um so auffallender, als es sonst
nicht preußische Art ist, die Denkmäler alter Baukunst verkommen zu lassen:
die Schlösser zu Lichteuburg und Annaburg, die Preußen gleichfalls von Sachsen
übernommen hat, traf ich in musterhafter Verfassung. Wie ich höre, sollen es
Nessvrtstreitigkeiten bis jetzt verhindert haben, daß etwas für die Erhaltung oder
die Wiederherstellung des Torgauer Schlosses geschehe. Aber ich möchte der
Hoffnung Ausdruck'geben, daß das Auge unsers kunstsinnigen Kaisers auch
einmal auf Schloß Hnrteufels fallen möchte, eins der ehrwürdigsten Vermächt¬
nisse deutscher Renaissance und der Reformation zugleich; er ist der rechte
Mann, auch hier den gordischen Knoten bureankratischer Bedenklichkeit zu lösen
"der zu zerhauen. Es wird ja kaum möglich sein, den alten Glanz des
Schlosses wieder zu erwecken, aber schon eine Ausbesserung und schonende Pflege
des noch Vorhcindnen würde alle billigen Wünsche erfüllen.




Doktor Duttmüller und sein Freund
Fritz Anders (Max Allihn) Line Geschichte aus der Gegenwart von Zwölftes Aapitel
wie Doktor Duttinüller Hochzeit machte

in Morgen vor dem Hochzeitstage waren die Arbeiten und Vor¬
bereitungen im Fronhof in ein Studium fieberhafter Thätigkeit
getreten. Im Zimmer der gnädigen Fräulein legten zwei Schneide¬
rinnen die letzte Hand ein das Brautkleid. Die gnädigen Fräulein
waren in die Kirche gegangen, um dort nach dem rechten zu sehen,
--1 der Herr Oberstleutnant revidierte seinen Weinkeller, und die gnädige
M"u. hielt Generalprobe mit dem Personal ab. Im Speisesnal war schon die
, ^ittufel aufgestellt, auch war schon das Arrangement in großen Zügen an-
"elegt. Ans den Nebentischen standen Stöße von Porzellantellcrn, sowie Gläser in
en verschiedensten Formen, altes Fnmilienkristall mit breiten Goldrändern und


Grenzboten 1 1902 8S
Doktor Duttmüller und sein Freund

zeit im Hofe stand, rings um mich her ein reges und fröhliches Treiben.
Ordonnanzen laufen hin und her, einige Soldaten Maschen und trocknen singend
und pfeifend ihr Drillichzeug am Brunnen, dann tritt die Wache an, der schmucke
Leutnant zieht den Degen, und im wuchtigen Gleichtritt ziehn die muntern
Söhne der alten „Misnopotamia" durchs dröhnende Thor. Da füllt eine
freudige Zuversicht die Seele: die Zeit ist vorüber, wo das gierige Auge des
Spaniers" des Schweden und des Franzosen um diese Mauern schweifte; uns
alle umfaßt und schützt das Reich! Die warme Herbstsonne lacht über der
um aufblühenden Stadt, die in rüstiger Kraft ihren Pauzergürtel zersprengt,
und vergoldet die Türme und Zinnen des Schlosses, aber freilich, sie enthüllt
auch die bösen Wunden und Schrammen, die es im Kampfe mit der Zeit und
widrigem Schicksal davongetragen hat: der Putz füllt von den Wanden, die
schönen Steiumetzarbeiten sind bröcklig geworden, der Hof unansehnlich, der
tiefe und breite Graben verwildert. Das ist um so auffallender, als es sonst
nicht preußische Art ist, die Denkmäler alter Baukunst verkommen zu lassen:
die Schlösser zu Lichteuburg und Annaburg, die Preußen gleichfalls von Sachsen
übernommen hat, traf ich in musterhafter Verfassung. Wie ich höre, sollen es
Nessvrtstreitigkeiten bis jetzt verhindert haben, daß etwas für die Erhaltung oder
die Wiederherstellung des Torgauer Schlosses geschehe. Aber ich möchte der
Hoffnung Ausdruck'geben, daß das Auge unsers kunstsinnigen Kaisers auch
einmal auf Schloß Hnrteufels fallen möchte, eins der ehrwürdigsten Vermächt¬
nisse deutscher Renaissance und der Reformation zugleich; er ist der rechte
Mann, auch hier den gordischen Knoten bureankratischer Bedenklichkeit zu lösen
"der zu zerhauen. Es wird ja kaum möglich sein, den alten Glanz des
Schlosses wieder zu erwecken, aber schon eine Ausbesserung und schonende Pflege
des noch Vorhcindnen würde alle billigen Wünsche erfüllen.




Doktor Duttmüller und sein Freund
Fritz Anders (Max Allihn) Line Geschichte aus der Gegenwart von Zwölftes Aapitel
wie Doktor Duttinüller Hochzeit machte

in Morgen vor dem Hochzeitstage waren die Arbeiten und Vor¬
bereitungen im Fronhof in ein Studium fieberhafter Thätigkeit
getreten. Im Zimmer der gnädigen Fräulein legten zwei Schneide¬
rinnen die letzte Hand ein das Brautkleid. Die gnädigen Fräulein
waren in die Kirche gegangen, um dort nach dem rechten zu sehen,
--1 der Herr Oberstleutnant revidierte seinen Weinkeller, und die gnädige
M"u. hielt Generalprobe mit dem Personal ab. Im Speisesnal war schon die
, ^ittufel aufgestellt, auch war schon das Arrangement in großen Zügen an-
»elegt. Ans den Nebentischen standen Stöße von Porzellantellcrn, sowie Gläser in
en verschiedensten Formen, altes Fnmilienkristall mit breiten Goldrändern und


Grenzboten 1 1902 8S
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[0681] Doktor Duttmüller und sein Freund zeit im Hofe stand, rings um mich her ein reges und fröhliches Treiben. Ordonnanzen laufen hin und her, einige Soldaten Maschen und trocknen singend und pfeifend ihr Drillichzeug am Brunnen, dann tritt die Wache an, der schmucke Leutnant zieht den Degen, und im wuchtigen Gleichtritt ziehn die muntern Söhne der alten „Misnopotamia" durchs dröhnende Thor. Da füllt eine freudige Zuversicht die Seele: die Zeit ist vorüber, wo das gierige Auge des Spaniers" des Schweden und des Franzosen um diese Mauern schweifte; uns alle umfaßt und schützt das Reich! Die warme Herbstsonne lacht über der um aufblühenden Stadt, die in rüstiger Kraft ihren Pauzergürtel zersprengt, und vergoldet die Türme und Zinnen des Schlosses, aber freilich, sie enthüllt auch die bösen Wunden und Schrammen, die es im Kampfe mit der Zeit und widrigem Schicksal davongetragen hat: der Putz füllt von den Wanden, die schönen Steiumetzarbeiten sind bröcklig geworden, der Hof unansehnlich, der tiefe und breite Graben verwildert. Das ist um so auffallender, als es sonst nicht preußische Art ist, die Denkmäler alter Baukunst verkommen zu lassen: die Schlösser zu Lichteuburg und Annaburg, die Preußen gleichfalls von Sachsen übernommen hat, traf ich in musterhafter Verfassung. Wie ich höre, sollen es Nessvrtstreitigkeiten bis jetzt verhindert haben, daß etwas für die Erhaltung oder die Wiederherstellung des Torgauer Schlosses geschehe. Aber ich möchte der Hoffnung Ausdruck'geben, daß das Auge unsers kunstsinnigen Kaisers auch einmal auf Schloß Hnrteufels fallen möchte, eins der ehrwürdigsten Vermächt¬ nisse deutscher Renaissance und der Reformation zugleich; er ist der rechte Mann, auch hier den gordischen Knoten bureankratischer Bedenklichkeit zu lösen "der zu zerhauen. Es wird ja kaum möglich sein, den alten Glanz des Schlosses wieder zu erwecken, aber schon eine Ausbesserung und schonende Pflege des noch Vorhcindnen würde alle billigen Wünsche erfüllen. Doktor Duttmüller und sein Freund Fritz Anders (Max Allihn) Line Geschichte aus der Gegenwart von Zwölftes Aapitel wie Doktor Duttinüller Hochzeit machte in Morgen vor dem Hochzeitstage waren die Arbeiten und Vor¬ bereitungen im Fronhof in ein Studium fieberhafter Thätigkeit getreten. Im Zimmer der gnädigen Fräulein legten zwei Schneide¬ rinnen die letzte Hand ein das Brautkleid. Die gnädigen Fräulein waren in die Kirche gegangen, um dort nach dem rechten zu sehen, --1 der Herr Oberstleutnant revidierte seinen Weinkeller, und die gnädige M"u. hielt Generalprobe mit dem Personal ab. Im Speisesnal war schon die , ^ittufel aufgestellt, auch war schon das Arrangement in großen Zügen an- »elegt. Ans den Nebentischen standen Stöße von Porzellantellcrn, sowie Gläser in en verschiedensten Formen, altes Fnmilienkristall mit breiten Goldrändern und Grenzboten 1 1902 8S

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341875_236523/681>, abgerufen am 29.04.2024.